Bulle oder Bär?

14.01.2014

**„finanzwelt" sprach exklusiv mit *Christian von Engelbrechten, Fondsmanager des Fidelity Germany Fund, zur Attraktivität deutscher Aktien und dem Ausblick auf den DAX. finanzwelt*: Wo steht der Dax Ende 2014?

v. Engelbrechten: Ich gehe davon aus, dass deutsche Aktien bis Ende 2014 um mehr als 10% zulegen. Hinzu kommt eine Dividendenrendite von rund 3%. Getrieben wird diese Entwicklung von einem deutlichen Gewinnwachstum 2014 und 2015, zumal die Kurs-Gewinn-Verhältnisse immer noch deutlich unter dem historischen Durchschnitt liegen.

finanzwelt: S&P lobt die deutsche Wirtschaft und die Börse ist in Feierlaune. Gleichzeitig gibt es Stimmen, die sogar von einem „völlig kranken Boom" sprechen, der einzig auf die Notenbankpolitik zurückzuführen sei. Kritiker werfen ein, dass wir seit Jahren für unsere niedrigen Arbeitslosenzahlen beneidet werden, aber zeitgleich allerdings die Produktivität sich nicht mehr verbessert habe. Langfristig sei das eine Gefahr fürs Wirtschaftswachstum. Wie passt das letztlich zusammen und teilen Sie zum Teil die kritischen Stimmen?

v. Engelbrechten: Die mahnenden Stimmen gibt es jedes Jahr. Aber wie in 2013 erwarte ich, dass sich die Fundamentaldaten durchsetzen und die deutschen Unternehmen weiter wachsen. Dieses Gewinnwachstum wird die Aktienkurse weiter antrieben, wobei eine geringere Performance zu erwarten ist als in 2013, da die Bewertungskomponente aufgrund des höheren Vertrauens schon aufgeholt hat und nun die Gewinnsteigerungen verstärkt im Fokus sind. Die Verbesserung der Produktivität findet in etwa im Rahmen der Lohnsteigerungen statt.

Andere Länder verbessern sich stark, haben jedoch noch einen deutlichen Abstand zu Deutschland. Die Marktanteilsgewinne deutscher Unternehmen verdeutlichen die weiterhin vorhandenen Stärken. Die Konsequenzen dieser Wettbewerbsstärke und der Steigerung der Lohnsumme sind vielversprechend – in 2014 werden beide großen Säulen, sowohl der Konsum als auch die Exporte zeitgleich positiv zum Wachstum beitragen. Mittelfristig muss Deutschland allerdings aufpassen, den erfolgreichen Reformkurs fortzusetzen. Eine Steuerstrukturreform fehlt weiterhin und Maßnahmen der neuen Regierung zur Zeitarbeit und zur Rente sind eher Belastungen für die deutsche Wirtschaft.

finanzwelt: Welche Themen werden den deutschen Aktienmarkt bewegen?

v. Engelbrechten: Deutsche Unternehmen profitieren sowohl vom globalen Wachstum als auch von einem robusten Binnenkonsum. Nach den diesjährigen Kursgewinnen am Aktienmarkt erwarte ich jedoch, dass die Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern größer wird und Fundamentaldaten wieder mehr in den Mittelpunkt rücken.

finanzwelt: „Small is beautiful" – wie schätzen Sie das Kurspotenzial mittlerer und kleinerer Werte in diesem Jahr ein?

v. Engelbrechten: Hier muss man deutlich differenzieren. Der MDAX ist mehr als eine Standardabweichung über seinen historischen Bewertungen und weist eine Rekordprämie von mehr als 20% Aufschlag gegenüber dem DAX auf. Viele Unternehmen sind in diesem Segment zu teuer. Neben den Large Caps schaue ich daher vor allem auf Unternehmen im SDAX, bei denen man noch viele unterschätzte Geschäftsmodelle findet. Durch die historisch gute Bilanzsituation der größeren Unternehmen bestehen hier auch Chancen, von Übernahmen zu profitieren.

finanzwelt: Welche Branchen/Einzeltitel sind die aussichtsreichsten und warum?

v. Engelbrechten: Der Konsum in Deutschland ist sehr robust: Die Reallöhne steigen, die neue Regierung dürfte von größeren Steuererhöhungen absehen, die Zahl der Arbeitnehmer steigt und die Inflation bleibt erst einmal niedrig. Das dürfte den entsprechenden Branchen zu Gute kommen.

Auch in weiten Teilen der Welt hellt die Stimmung auf, wie der globale Einkaufsmanagerindex zeigt. Dank ihrer sehr hohen Exportquote werden deutsche Unternehmen mit zu den Hauptprofiteuren dieser Entwicklung gehören. Zurzeit befindet sich die Investitionsquote in Ausrüstung und Maschinen auf einem historischen Tiefstand. Mit der aufhellenden Stimmung dürften sie wieder steigen. Dann ist Deutschland mit einem 23%-Anteil der verarbeitenden Industrie am gesamten Bruttoinlandsprodukt bestens aufgestellt. Auch Marktanteilsgewinne deutscher Unternehmen, die sich in der Krise Europas ergeben haben, werden dann die Gewinne deutlich beflügeln, beispielsweise bei VW.

finanzwelt: Neben Bayer und VW zählten 2013 auch eine MTU und Freenet zu ihren Favoriten. Bleiben Sie hier weiter optimistisch?

v. Engelbrechten: Unter den genannten Unternehmen sind vor allem VW und Freenet interessant. Während VW inzwischen etwa jedes zweite Auto in den Wachstumsmärkten der Welt verkauft, u.a. mit einer starken Positionierung in Asien, hat das Unternehmen in Europa Marktanteile gewonnen und wird von einer Erholung des Kontinents besonders stark profitieren. Auch der steigende Anteil margenstarker Premiumfahrzeuge wird meines Erachtens unterschätzt. Gleichzeitig überzeugt VW mit interner Kostenkontrolle, u.a. durch das zunehmend eingeführte Modulkonzept und die starke Bilanz, die mehr als 10 Mrd. Euro Nettoliquidität aufweist. Mit einem KGV unter 8 ist es zudem eines der günstigsten und unterbewertesten Unternehmen in Deutschland.

Freenet ist der interessanteste Dividendenzahler in Deutschland. Nach den signifikanten operativen Verbesserungen der letzten Jahre und mit der deutlich entschuldeten Bilanz kann das Unternehmen gut gesicherte Dividendenrenditen von 7% und mehr erreichen. Eine so hohe Dividendenrendite findet sich kaum in Deutschland und schon gar nicht mit einer vergleichbaren Unternehmensqualität.

(Das Interview führte Alexander Heftrich)