Schafft Nahles noch eine bAV-Reform?

07.01.2016

„Wenig Soziales bei Nahles“ sagen Kritiker zu der zaghaften Reformpolitik der mächtigen Arbeits- und Sozialministerin. Die Reform der bAV und Sicherung der Betriebsrenten dümpelt vor sich hin.

2016-01-08 (fw/db) Die Niedrigzinsen wirken sich auf die Pensionsverpflichtungen von Unternehmen aus. Leider fällt die Prognose für 2016 für Pensionskassen und andere betriebliche Rentenkassen nicht positiv aus. Die Unternehmen müssen 2016 mit noch viel höheren Rückstellungen rechnen.

Können die betroffenen Kassen und Unternehmen jetzt auf angekündigte Maßnahmen seitens der Politik mit einer stärkeren Förderung der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) rechnen? Worauf sich Arbeitgeber mit Betriebsrenten einstellen sollten, bringt Experte Dr. Paulgerd Kolvenbach vom bAV-Dienstleister Longial in einer aktuellen Medienmitteilung auf den Punkt.

Wenig Neues von Nahles erwartet

Mit der „Machbarkeitsstudie BAV in KMU“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) startete schon 2015 der Reigen der Gutachten und Anträge rund um die bAV. Wie und ob die in der Studie dargestellten Hemmnisse für eine bessere Verbreitung der bAV umgesetzt werden sollen, hängt nun von weiteren zu erwartenden Gutachten in 2016 ab.

„Schon länger werden die Ergebnisse der vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) in Auftrag gegebenen Studie ‚Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der bAV‘ erwartet. Mit Ergebnissen scheint nun im Februar zu rechnen sein. Doch ob das BMF wirklich Geld in die Hand nehmen wird, um der bAV unter die Arme zu greifen, darf bezweifelt werden. Zu stark liegt noch der Fokus auf der ‚schwarzen Null‘ im Bundeshaushalt“, prognostiziert Kolvenbach.

Für das Anfang 2015 vorgestellte und teilweise kontrovers diskutierte „Neue Sozialpartnermodell Betriebsrente“ (Nahles-Rente) hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales jetzt ebenfalls ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der Inhalt: Alternativen zu den gemeinsamen Einrichtungen aufzeigen, Möglichkeiten erarbeiten, wie bestehende Einrichtungen von dem Modell profitieren und wie nicht-tarifgebundene Arbeitgeber und Beschäftigte möglichst umfassend in das Modell eingebunden werden können.

Das Ergebnis der Studie zur Nahles-Rente soll im Frühjahr 2016 veröffentlicht werden. Erst im Anschluss ist mit weiteren Schritten der Bundesregierung zu rechnen.

„Es wird langsam Zeit, wenn Frau Nahles noch in dieser Legislaturperiode etwas in Bewegung bringen will. Noch besteht die Chance, den gordischen Knoten einer neuen bAV zu durchschlagen“, mahnt Experte Kolvenbach.

Mit dem Argument, dass die doppelte Krankenversicherungsbeitragspflicht bei vielen Arbeitnehmern als Hemmschuh der bAV angesehen wird, eröffnete die CDU-Bundestagsfraktion bereits im Herbst 2015 die Diskussion um die Doppelverbeitragung auf Direktversicherungen und Versorgungszusagen.

Die Fraktion Die Linke stellte daraufhin einen Antrag im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages mit Aufforderung an die Bundesregierung, einen Gesetzesentwurf zur Beendigung der doppelten Beitragszahlung vorzulegen.

In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit soll am 27. Januar 2016 das Thema zur Sprache kommen.

„Angesichts der zu erwartenden Mindereinnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Abschaffung der Doppelverbeitragung dürfte damit so schnell nicht zu rechnen sein. Vielleicht liefert das Gutachten im Auftrag des BMAS ja auch hierzu neue Ansätze“, vermutet der bAV-Experte.

Und was bedeuten jetzt alle diese politischen Aktivitäten: Können die Unternehmen auf konkrete Maßnahmen zur Erleichterung und Förderung der Betriebsrente hoffen?

„Der politische Wille zu einer positiven Veränderung der Rahmenbedingungen ist nach wie vor da – das ist gut. Aber je länger man diskutiert und analysieren lässt, desto mehr gibt man leider auch den vielfältigen Bedenken Raum sich zu formieren, mit der durchaus realen Möglichkeit, dass am Ende gar nichts herauskommt“, warnt bAV-Experte Kolvenbach.

Bilanzierungshilfe für KMU als Rettung?

Die wachsenden Belastungen der Unternehmen – inklusive Meldungen von Insolvenzen wegen zu hoher Pensionsverpflichtungen – lassen auf Unterstützung durch die Politik hoffen. Sowohl eine Ausweitung des Zeitraums für die Festlegung des HGB (Handelsgesetzbuch)-Zinssatzes von sieben Jahren auf zwölf oder 15 Jahre sowie eine Überprüfung des Zinses zur steuerlichen Bewertung der Pensionsverpflichtungen sollten auf den Prüfstand fordern Experten. Doch nichts geschah.

„Die handfeste Forderung nach einer Bilanzierungshilfe für verlustbedrohte Unternehmen wurde zu einem Grundsatzproblem der unzureichenden steuerlichen Rahmenbedingungen aufgebohrt. Dass diese nicht durch einen Federstreich zu verändern sind, liegt auf der Hand. Für die Unternehmen bleibt zu hoffen, dass das Thema im laufenden Jahr wieder auf seinen eigentlichen Kern zurückgeführt wird, denn auch in 2016 und in den folgenden Jahren werden die handelsrechtlichen Pensionslasten weiter steigen, wenn im HGB nichts passiert“, warnt Kolvenbach.

Garantiezins bleibt bis 2018

Als weitere Konsequenz der Zinsschmelze wurde letztes Jahr der Höchstrechnungszins (auch Garantiezins genannt) diskutiert – Abschaffung ja oder nein?

„Der Höchstrechnungszins auf Lebens- und Rentenversicherungen wird bis mindestens 2018 beibehalten. Die deutschen Lebensversicherer können damit ihre klassischen Policen weiter nach althergebrachtem Modell kalkulieren“, bilanziert Kolvenbach.

Erst 2018 soll dann geprüft werden, ob der Garantiezins im Zuge der neuen EU-Eigenkapitalregeln (Solvency II) nicht doch überflüssig ist.

Risiko Scheidung – fairer Versorgungsausgleich

Immer öfter landet das Thema bAV im Rahmen eines Versorgungsausgleichs Geschiedener vor Bundesgerichtshof und Bundesarbeitsgericht. Anlass genug für den Petitionsausschuss des Bundestags, Änderungen rund um das Versorgungsausgleichgesetz (VersAusglG) anzuregen.

„Um einen Missbrauch zu vermeiden, wenn beispielsweise Anrechte verschwiegen oder übersehen werden, soll auch im Nachhinein eine Änderung des Ausgleichs möglich sein. Dies betrifft § 51 VersAusglG“, erläutert Kolvenbach.

Darüber hinaus werde die sogenannte externe Teilung (§ 17 VersAusglG) diskutiert. Demnach soll es für Versorgungsträger weiterhin möglich sein, einseitig eine externe Teilung zu verlangen. Für Anrechte aus einer Direktzusage oder einer Unterstützungskasse soll somit weiterhin ein angehobener Höchstwert gelten. Der Ausgleichswert als Kapitalwert darf jedoch nicht einen Betrag in Höhe von 74.400 Euro (in 2016 der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung gemäß §§ 159 f. SGB VI) überschreiten. Ein Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur ersatzlosen Streichung von § 17 VersAusglG kann vom Bundestag abgelehnt werden.

finanzwelt-Fazit: Der bAV-Experte Dr. Kolvenbach hat Recht, wenn er vermutet dass die Zeit knapp wird, dass innerhalb dieser Legislaturperiode in der bAV noch was bewegt wird. Das könnte auch daran liegen, dass Sozialministerin Andrea Nahles von Beginn an auf Gespräche mit den Experten der deutschen Versicherungswirtschaft verzichtete. Das könnte sich jetzt rächen. Denn die Nahles-Rente wird sogar von vielen Gewerkschaften als Minimal-Lösung („Pay an forget“ – Arbeitgeber zahlen wenig und sind aus der Haftung) abgelehnt.

Es bleibt also dabei: „wenig Soziales bei Nahles“. Die Karrierefrau ist viel zu sehr auf ihre Chancen als mögliche deutsche Bundeskanzlerin fixiert – aber diese Chancen werden ohne eine nachhaltige Reform in der Sozialpolitik sehr gering sein. Schade sagen die einen – Gottseidank andere.

Dietmar Braun