Sanktionen, Embargos, Protektionismus – Stehen wir vor einer De-Globalisierung der Immobilienbranche?
16.11.2022
Diplom-Immobilienwirt Peter Rabitz, Rabitz Property Consulting / Foto: © Peter Rabitz
Getrieben von historisch niedrigen Zinsen und guten wirtschaftlichen Aussichten kannte der deutsche Immobilienmarkt lange Zeit nur eine Richtung: steil nach oben. Jetzt hängen die Ängste vor politischen und wirtschaftlichen Kriegen wie Damoklesschwerter über den Köpfen der Entscheider. Korrekte und zwingend notwendige Maßnahmen wie die Abkehr von billigem, russischem Gas und die Durchsetzung zahlreicher europäischer Sanktionen tun dabei ihr Übriges. Der Angriff Chinas auf den Inselstaat Taiwan scheint zudem beschlossene Sache und nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Welche Schlussfolgerungen entstehen daraus für den exportabhängigen Immobiliensektor?
Immobilienmärkte spüren die veränderten politischen Kräfte
Mit anderen Worten: Das weltpolitische Gleichgewicht ist gehörig ins Wanken geraten, die alten Checks and Balances funktionieren nicht mehr. Das perlt selbstverständlich nicht an der Wirtschaft ab: nicht an den realen Geschäften von Mittelständlern und Konzernen, nicht an den Kapitalmärkten und schließlich auch nicht an den Immobilienmärkten. Die Rückkehr zum Nationalen und damit eine Umkehr der Globalisierung wird von vielen Marktteilnehmern daher schon beschrien. So weit muss aber keiner gehen: Dafür ist die globale Abhängigkeit im Jahr 2022 auch bereits zu stark ausgeprägt – und schwerlich reversibel. Was wir zweifelsohne erleben, ist eine scharfe Zäsur. Denn nach einem goldenen Jahrzehnt haben sich die Wolken am Immobilienmarkt-Himmel deutlich verdüstert. Und das nicht nur hierzulande. Auch in weiteren global höchst relevanten Märkten wie den USA oder der Schweiz agieren Käufer, Investoren und Makler deutlich vorsichtiger und prüfen Objekte mehr denn je. Nicht mehr jedes Geschäft wird automatisch zum Erfolg. Und dafür gibt es ganz klare realwirtschaftliche Faktoren.
Das goldene Jahrzehnt am Immobilienmarkt ist zu Ende
2011 begann ein goldenes Jahrzehnt am Immobilienmarkt: Steigende Bevölkerungszahlen, Vollbeschäftigung und eine prosperierende Konjunktur, abgerundet von stabilen Exportgeschäften, vervollständigten die solide Stellung Deutschlands am globalen Markt. Zuverlässige Transportwege für Baumaterial, regelmäßige Energieversorgung und schier unendlich prall gefüllte globale Kapitalströme sicherten den heimischen Markt zusätzlich ab.
Heute hat sich das geändert: Der Krieg in Europa kappt die bisherigen Routen für Rohstofflieferungen. Die Preise für wichtige Baumaterialien wie Holz haben sich teilweise verdoppelt. Ausländische Investoren aus Russland, die bis dato an den wichtigsten Immobilienmärkten in den deutschen Metropolregionen sehr aktiv waren, können aufgrund von Sanktionen nicht mehr tätig werden. Umgekehrt wird deutschen Investorinnen und Investoren bei Geschäften andernorts das Leben erschwert – etwa in den USA. Die Vereinigten Staaten setzen auch unter dem Demokraten Biden auf eine abschottende Industrie- und eine aggressive Handelspolitik, die nationale Interessen der USA priorisiert. „America first“ ist somit kein obsoletes Motto eines Ex-Präsidenten, sondern ein weiterhin fester Bestandteil der US-Wirtschaft. Rohstoffe und Maschinen für europäische Bauunternehmen, aber auch Kapitalflüsse im Investitionsbereich, werden zukünftig kein selbstverständliches Gut für die Märkte deutschlandweit bleiben. Sollte sich parallel die chinesische Coronapolitik, d.h. auch daran gekoppelte Handelswege nicht stabilisieren, drohen europäischen Märkte wie dem deutschen eine spürbare Rezession zulasten der relevantesten Industrien.
Politische Stabilität wird immer wichtiger bei der Standortwahl
Die Zeit der Globalisierung ist also im gewohnten Ausmaß vorbei, da nationalistische und diktatorische Regierungen die Weltordnung neu justieren. Be- und Einschränkungen aufgrund politischer Vorgaben und Ausrichtungen werden zeitversetzt auch zu einem veränderten Immobilieninvestmentverhalten führen: Investoren werden als Antwort bei ihren Standortentscheidungen und Risikobewertungen viel stärker als bisher auf die politische Stabilität und die politischen Rahmenbedingungen achten. Vermutlich wird dies eher dazu beitragen, dass Investments „vor der eigenen Haustür“ und im demokratischen Umfeld langfristig sogar noch attraktiver werden als in autoritären Staaten.
Global betrachtet erachten derzeit vor allem Amerikaner, aufgrund des sehr interessanten US-Dollar-Euro Wechselkurses, Deutschland als attraktiven Investmentstandort, zumal deutsche Städte in den aktuellen Ratings für Immobilieninvestments in den Top 10 zu finden sind. Vermögende US-Amerikanische Käufergruppen, die eine private oder gewerbliche Immobilie in einer der Top 5 Metropolen favorisieren, profitieren dabei enorm vom mittlerweile nahezu paritätischen Verhältnis zwischen US-Dollar und Euro. Mit der stetigen Abwertung der europäischen Währung reduzierte sich schließlich auch der ursprüngliche Kaufpreis einer Immobilie (in US-Dollar) bei gleichbleibendem Wert des Objektes. Je stärker der US-Dollar, desto wahrscheinlicher eine Kaufentscheidung in Deutschland und Europa.
Die politische und wirtschaftliche Stabilität, gepaart mit einem hohen Lifestyle machen Deutschland final besonders interessant. Weiteren Druck auf den deutschen Immobilienmarkt verübt nach wie vor die starke Migrationsbewegung aus Osteuropa sowie den östlichen und südlichen Mittelmeer-Anrainerstaaten.
Fazit: Zukunft als Chance
Der Wirtschaftsstandort Deutschland wird sich verändern. Solange es aber der Politik gelingt und das ist sicherlich die größte Hürde, die die Bundesregierung zu nehmen hat, Deutschland weiterhin attraktiv für ausländische Investoren zu halten, wird auch der Immobilienmarkt davon profitieren.
Gastbeitrag von Peter Rabitz, Diplom-Immobilienwirt, Rabitz Property Consulting