Rollendes Kapital
15.07.2013
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Der Schienengüterverkehr in Deutschland hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Werden Rail-Investments vor diesem Hintergrund ihrer Nische entwachsen?
Die deutschen Straßen ächzen seit Jahren unter der starken Beanspruchung durch den Güterverkehr. Die Notwendigkeit einer Verlagerung der Transportlast auf die Schiene ist unbestritten, sowohl aus ökologischer wie ökonomischer Sicht. Bereits vor drei Jahren sagte die Unternehmensberatung McKinsey dem Schienenverkehr in Deutschland beste Perspektiven voraus: Die Autoren der im Auftrag der Deutschen Bahn verfassten Studie „Eisenbahn in Deutschland" prognostizieren für 2025 einen Marktanteil der Schiene im Güterverkehr von bis zu 21 %. 2009 lag dieser bei 16 %. Auch die GATX Rail Germany GmbH, einer der größten Eigner privater Kesselwagen in Europa, erwartet für die nächsten fünf Jahre einen wachsenden Anteil des Schienengüterverkehrs.
Von diesem Wachstum wollen auch Emissionshäuser profitieren. Die Paribus Capital GmbH hat Ende 2012 ihren zweiten Eisenbahnfonds platziert, das „Rail Portfolio II". Rund 50 Mio. Euro hat der Initiator bei Anlegern eingeworben. Die Lokflotte umfasst mehr als 30 neue und gebrauchte Diesellokomotiven. Mit dem „Rail Portfolio III" ist bereits der Nachfolgefonds in Vorbereitung. Das Konzept der Vermietung von Diesel- und Elektrolokomotiven wird dabei um Triebfahrzeuge für den Personennahverkehr erweitert. Die Steiner + Company GmbH & Co. KG hat neben dem geschlossenen Fonds „Train Performer", der in neue und gebrauchte Lokomotiven und Waggons investiert, ihr erstes Direktinvestment im Vertrieb. Mit einer Investition von mindestens 8.000 Euro können sich Investoren einen Miteigentumsanteil an einem Waggon sichern. Der Kauf eines ganzen Waggons ist ab 25.000 Euro möglich. Durch langfristige Mietverträge sollen den Anleger vertraglich festgelegte Mieten gesichert werden. Die Salamon Railway GmbH & Co. KG bietet das Direktinvestment „FCS Waggon" an. Die Waggons werden zum Transport von nässeunempfindlichem Schüttgut eingesetzt. Salamon Railway ist Mieter der Waggons und hat diese an die niederländische Wagon Care B.V. untervermietet. Die Laufzeit des Investments beträgt drei bis fünf Jahre.
Paribus, Salamon und Steiner sind derzeit die einzigen Anbieter von Rail-Investments. Beim Analysehaus Scope wird trotz der wachsenden Bedeutung des Schienenverkehrs nicht erwartet, dass sich die Zahl der Initiatoren deutlich erhöhen wird. „Die Eintrittsbarrieren sind vergleichsweise hoch. Ohne externes Knowhow ist die Konzeption von Beteiligungsmodellen in diesem Nischenmarkt nahezu unmöglich. Auch das Assetmanagement ist im Vergleich zu anderen Segmenten sehr anspruchsvoll", erklärt Analyst Markus Lentz. Dies läge daran, dass die Leasingverträge deutlich kürzere Laufzeiten aufweisen als im Bereich Flugzeug-Leasings. „Da die Portfolios der Fonds aus mehreren Dutzend Lokomotiven bestehen, müssen permanent neue Leasingpartner gefunden und Verträge ausgehandelt werden – ohne umfangeiche Kontakte und detaillierte Marktkenntnisse ein hoffnungsloses Unterfangen", so Lentz. Hinzu komme, dass Wartung und Instandhaltung der Loks aufwändig seien.
Seine Existenz hat dieses Nischensegment der Liberalisierung des Schienengüterverkehrs in der Europäischen Union zu verdanken. Diese führte zur Gründung zahlreicher privater Eisenbahnunternehmen. Im Jahr 2000 lag ihr Anteil am gesamten Schienengüterverkehr erst bei 2 % – derzeit sind es schon mehr als 25 %. „In Deutschland wie in ganz Europa verlieren die alten Staatsbahnen Marktanteile an die privaten Wettbewerber. Dieser Trend ist nicht mehr aufzuhalten, weil er durch die Liberalisierung eingeläutet und von der Politik gewollt ist", erläutert Christian Salamon, Geschäftsführer Salamon Railway. Die privaten Betriebe bevorzugen, ihre Loks zu mieten statt zu kaufen, weil dies ein höheres Maß an Flexibilität gewährleistet.
Derzeit kann sich aber auch der Schienengütertransport nicht von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abkoppeln. Im Jahr 2012 transportierten in- und ausländische Eisenbahngesellschaften auf dem deutschen Schienennetz Güter im Umfang von 366,1 Mio. Tonnen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) waren dies 8,9 Mio. Tonnen bzw. 2,4 % weniger als 2011. Von dieser Entwicklung ist laut Lars Poppenheger, Vertriebsleiter Steiner + Company, insbesondere die Stahlindustrie betroffen, weniger die Kombi- und Bauzugverkehre: „Dort gibt es nach wie vor Nachfrage nach schweren Rangier- bzw. leichten Streckendieselloks für Häfen, Elektroloks sowie Containertragwagen und Schüttgutwaggons." Insbesondere größere Bauprojekte in Bayern und Baden-Württemberg (z. B. Stuttgart 21) werden seiner Einschätzung nach eine drei- bis fünfjährige „Sonderkonjunktur" im Bauzugverkehr auslösen. Der Waggonmarkt sei nach wie vor ein Wachstumsmarkt, der große Ersatzinvestitionen benötige. Jedoch haben laut Paribus-Geschäftsführer Thomas Böcher Loks gegenüber Waggons den Vorteil, dass sie weniger konjunkturanfällig sind: „Eine Lok wird immer benötigt, unabhängig davon, ob sie 10 oder 40Waggons zieht."
Achtung: Spurweite!
Die nationalen Eisenbahngesellschaften haben in der Vergangenheit verschiedene Spurweiten gewählt, die den Abstand zwischen den spurführenden Elementen des Fahrwegs bezeichnen. Dies hatte sowohl wirtschaftliche als auch militärische Gründe. Inwieweit wird die Nutzbarkeit von Loks und Waggons dadurch eingeschränkt? „Güterwaggons sind in fast ganz Europa nutzbar, außer Spanien und Portugal, dort gibt es ein Breitspurnetz", erklärt Lars Poppenheger. Die Waggons von Salamon Railway sind auf dem gesamten europäischen Normalspurnetz einsetzbar, also in ganz Westeuropa, dem Balkan und der Türkei, nicht jedoch im Bereich der ehemaligen GUS-Staaten Finnland, Spanien und Portugal. „Bei Lokomotiven kann in Strecken-, Zubringer- und Rangierloks unterschieden werden. Streckenloks sind meistens in zwei bis vier Ländern einsetzbar. Zubringerloks können ganz überwiegend national eingesetzt werden. Rangierloks werden meist regional eingesetzt, ein Teil von ihnen darf das öffentliche Schienennetz nicht benutzen. Diese Loks verkehren ausschließlich auf privaten Werksgleisen", so Poppenheger. Die Loks des „Paribus Rail Portfolios" sind in mehreren Ländern einsetzbar und verkehren derzeit u. a. in Deutschland, Dänemark, Schweden und Polen.
Kurz und bündig
Vermittler sollten bei Rail-Fonds darauf achten, dass das Portfolio diversifiziert ist, sowohl was Loktypen als auch Leasingnehmer betrifft. Dadurch lassen sich Risiken, wie sie z. B. bei Single-Tenant-Immobilienfonds bestehen, ausschließen. Zudem sollte der Fonds über ein erfahrenes Assetmanagement verfügen, da dies bei Rail-Investments im Vergleich zu anderen Segmenten sehr anspruchsvoll ist.
(Kim Brodtmann)