Qualität statt Quantität
10.12.2020
Frederik G. Hildner, Leiter Portfoliomanagement Salm & Salm Partner GmbH - Foto: Salm & Salm Partner GmbH
Im Jahresendgespräch wollten wir von Frederik G. Hildner, Leiter Portfoliomanagement Salm & Salm Partner GmbH wissen, was es mit dem FNG-Gütesiegel auf sich hat, wie sein Fazit 2020 für das Wandelanleihen-Segment ist und was wir vom kommenden Jahr erwarten dürfen.
finanzwelt: Corona hat 2020 geprägt. Doch abseits der Pandemie, welches Ereignis hat Sie im ablaufenden Jahr am meisten überrascht?
Frederik Hildner: Wirklich überrascht haben mich die Vehemenz und Geschwindigkeit der Börsenreaktion auf die Corona-Pandemie. Aber da bin ich wohl in guter Gesellschaft, weshalb Sie die Frage zurecht in dieser Form stellen. Die US-Wahl hatte einige interessante Facetten, stellte sich jedoch unter dem Strich als non-event heraus. Obschon das Wahlergebnis zunächst nach einem worst-case aussah, gelang es den Anlegern doch, überraschend ruhig zu bleiben. Daran kann man einiges erkennen und lernen. Medial intensiv diskutierte Ereignisse sind in der Regel überwiegend eingepreist, da jeder Anleger ausreichend Zeit hatte, sich entsprechend seiner Neigung zu positionieren und die Derivate-Sensitivitäten ihre Wirkung (Gamma-Gravitation) auf den Kassamarkt überwiegend ausgestrahlt haben. Plötzliche und unerwartete Ereignisse hingegen versetzen die Börsen in Aufruhr. Aus derartigen Konstellationen ergeben sich regelmäßig die größten Chancen, wohingegen das Hedging vermeintlicher Events selten von Erfolg gekrönt ist. Die Statistik spricht diesbezüglich eine unmissverständliche Sprache.
finanzwelt: Keine Diskussion ohne Nachhaltigkeit. Allein 168 Fonds sind vor kurzem mit dem unabhängigen FNG-Gütesiegel ausgezeichnet worden. Auch Ihr Haus zum wiederholten Male. Wie aussagekräftig ist so ein Siegel, speziell auch als Orientierung für Verbraucher?
Hildner: In einer Welt, in der es mehr Fonds und nochmal mehr Indizes als investierbare Unternehmen gibt, helfen Selektion und Klassifizierungen dem Anleger die Übersicht zu bewahren. Wir müssen nicht jedes mögliche Siegel oder jede Auszeichnung erhalten, sondern entscheiden uns vielmehr aktiv für diejenigen, welche wir als sinnstiftend erachten: Qualität statt Quantität. Wichtig ist, dass Gütesiegel immer und ausnahmslos ehrliche, nachvollziehbare und transparente Maßstäbe anlegen. Aus diesem Grund freuen wir uns über unsere wiederholte Auszeichnung mit zwei von drei möglichen Sternen wirklich sehr. Wir freuen uns aber auch mit allen anderen Ausgezeichneten und über die gute Analysearbeit, die durch das FNG im Vorfeld geleistet wurde. Der Audit-Prozess verursacht einen veritablen Zeitaufwand für den Prüfling und für den Auditor. Das macht man nicht mal einfach nebenher.
finanzwelt: Als Wandelanleihen-Experte müssten Sie auf ein gutes Jahr zurückschauen. „Wandelanleihen überstehen den Crash“, „Sicherheitsnetz im Corona-Crash“, lauteten einige Headlines im Frühjahr/Sommer. Welches Fazit ziehen Sie nun für das Segment generell und für Ihr Haus im Besonderen?
Hildner: In den letzten Jahren haben die FAAANM-Aktien derart outperformt, dass sie die Performance ganzer Indizes vollkommen nach oben verzerrt haben. In der Breite jedoch waren die meisten Aktienmärkte ohne diese Schwergewichte tatsächlich seit Jahren in einem klaren Seitwärts-Trend gefangen. Da die FAAANM-Elite keine Wandelanleihen emittiert hat, konnte die Anlageklasse mit der Aktienindex-Performance nicht in allen Jahren Schritt halten. Umso besser gelang es im schwierigen Jahr 2020. Sowohl die Protektion Ende des ersten Quartals als auch die sehr gute Performance in der Erholung waren außergewöhnlich stark. Aktuell stehen unsere globalen Wandelanleihestrategien zwischen 10% und 16% im Plus für 2020, während sie zum Tiefpunkt der Krise nur rund 10% leichter tendierten. Für unser Haus gilt, dass wir unverändert organisch wachsen und unseren institutionellen track-record mittlerweile im sechsten Jahr mit sehr guten Ergebnissen fortsetzen. Gleichzeitig bauen wir unsere Expertise im Bereich Nachhaltigkeit und Klima bzw. temperature alignment weiter aus, um der erfreulichen Entwicklung in diesem Bereich Rechnung zu tragen und zu demonstrieren, dass Performance und Nachhaltigkeit mit Wandelanleihen bestens vereinbar sind.
finanzwelt: Wie blicken Sie auf 2021?
Hildner: Durchaus konstruktiv. Ebenso wie die globale Pandemie eine extrem schnelle und global besonders synchron verlaufende Rezession ausgelöst hat, wird die Rückkehr zur Normalität noch eine Zeit lang für Rückenwind sorgen. Insbesondere die Rotation von Wachstumswerten zu Substanz hat noch viel verlorenen Boden aufzuholen. Damit einher geht auch ein gewisses Aufholpotenzial für europäische Werte, die ihre amerikanischen Wettbewerber bekanntermaßen jahrelang underperformten. In der ersten Reihe der US-Technologiewerte sind die Schuhe in diesem Jahr sehr groß geworden. In diese gilt es nun hineinzuwachsen, ohne zu stolpern. Hier müssen die Ergebnisse in den kommenden Quartalen exzellent ausfallen, um die hohen Erwartungen nicht zu enttäuschen. Die zweite, dritte und vierte Reihe sind nach wie vor attraktiv und weniger populär. Erst letzte Woche zeigte sich, dass auch Konsolidierung weiterhin ein großer Performancefaktor sein kann: Slack. Inc wurde von Salesforce übernommen. Die erst im April emittierten Wandler von Slack brachten unseren Fonds in weniger als acht Monaten über 50% Kursgewinn. So hat jede Region und jeder Sektor spezifisches Potenzial, die wir versuchen bestmöglich zu vereinen. (ah)