Out of Metropolis
09.03.2021
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Die sich weiter fortsetzende Renditekompression auf dem Wohnimmobilienmarkt führt dazu, dass Investoren vermehrt auf das Umland der A-Städte oder auf B-Städte ausweichen – auch um einen gesellschaftlichen Trend zu folgen. Das bedeutet aber nicht, dass die großen Metropolen investorenfeie Zonen sind.
Wohl selten zuvor wurde ein Jahr derart durch einen Begriff geprägt wie 2020 durch „Corona“. Wenig verwunderlich also, dass sich unter den Top 10 beim „Wort des Jahres“ gleich acht Begriffe befinden, die die Pandemie selbst bzw. direkte Folgen dieser bezeichnen. Ebenfalls eine direkte Konsequenz ist die größte Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik. Andreas Schrobback zufolge ist der deutsche Wohnimmobilienmarkt von dieser aber nur relativ wenig betroffen. „Nach einem Stillstand im Frühjahr folgten die Aufholeffekte im Sommer. Die Pandemie hat den Immobilienboom lediglich vorrübergehend abgebremst.“ Laut dem Geschäftsführer der AS Unternehmensgruppe könnten vor allem Immobilienstandorte in zweiter Reihe von der Entwicklung in den vergangenen Monaten profitieren. „Gewinner der Krise sind aus meiner Sicht vor allem mittelgroße und Universitätsstädte sowie das Umland von Metropolen. Die klassischen Speckgürtel mit S-Bahn-Anschluss sowie die sogenannten B- und C- Standorte.“ Gerade im Umland der Metropolen könnte Corona als Katalysator für eine schon länger bestehende Entwicklung dienen. So geht aus einer Untersuchung der Engel & Völkers AG hervor, dass zwischen 2015 und 2020 in den Umlandgemeinden der sieben A-Städte die Angebotspreise im Schnitt um 57,8 % gestiegen sind, während in den Städten selbst der Preisanstieg bei „nur“ 43,9 % lag. Auch Steven Nollau sieht vor allem abseits der großen Metropolen Investmentpotenzial. „Schwarm- und Universitätsstädte sowie prosperierende Mittelstädte mit guter Anbindung an urbane Metropolzentren stehen hierbei besonders im Fokus“, so der Head of Acquisition der Alpha Real Estate Group, demzufolge Objekte in B- und C-Lagen nicht nur ein größeres Wertsteigerungspotenzial bergen, sondern sich auch durch ein viel geringeres Preisniveau am meisten für eine Kapitalanlage eignen würden.
In den Big 7 sieht er hingegen kaum noch gute Chancen. „Der Markt an deutschen A-Standorten ist überhitzt. Gute Renditeaussichten sind in Städten wie München oder Frankfurt nur minimal vorhanden – vom Sonderfall Berlin und seinem Mietendeckel ganz abgesehen.“ Wie spärlich die Renditenaussichten in den A-Städten inzwischen sind, wird durch die 5 %-Studie von bulwiengesa deutlich: So lag dort im vergangenen Jahr die Rendite für Core-Immobilien mit 1,6 und 2,5 % um einen halben Prozentpunkt unter dem Vorjahreswert. Damit hat sich die Renditekompression der vergangenen Jahre weiter fortgesetzt: Bei der 5 %-Studie von 2016 war noch eine Spanne von 2,6 bis 3,3 % ermittelt worden. Auf diesem Niveau liegen in der aktuellen Studie Wohnimmobilien in den Universitätsstädten (2,7 bis 3,4 %) und in B-Städten (2,4 bis 3,2 %). Der Kauf einer Immobilie ist mit hohem Kapitalaufwand verbunden und erfordert deshalb einen langen Anlagehorizont. Aus diesem Grund sieht Symon Hardy Godl nicht den damit zu erzielenden Ertrag als wichtigsten Faktor beim Erwerb einer Anlageimmobilie an. „Auch wenn der Kaufdruck von Investoren auf Wohnimmobilieninvestments in der aktuellen Marktsituation zugenommen hat, sollte aufgrund der generellen Langfristigkeit von institutionellen Immobilieninvestments ein disziplinierter Auswahlprozess unter Einbezug der Nachhaltigkeit von Standort und Immobilienkonzept nach wie vor jeden Ankauf dominieren“, so der Geschäftsführer der Deutsche Finance Asset Management GmbH, laut dem deshalb auch die Märkte mit aktuell geringeren Renditen in Frage kommen: „Wir sehen in Deutschland prinzipiell Investitionschancen in Projekten mit einzigartigen Eigenschaften in guten und sehr guten Lagen der Top 7 Städte sowie selektiv in den Innenstadtbereichen von attraktiven Oberzentren bzw. Metropolregionen.“ Gerade die aktuellen wirtschaftlichen Verwerfungen könnten Anlagechancen bieten. „Besondere Investitionsmöglichkeiten ergeben sich aus sogenannten Special Opportunities, also Gelegenheiten, bei denen Portfolios von Bestandshaltern oder Projektentwicklern in Sondersituationen erworben werden können“, so Godl abschließend. Solche Sondersituationen können beispielsweise Immobilien aus Zwangsversteigerungen oder Insolvenzverfahren sein – und damit aktuell eine direkte Folge der Corona-Krise. (ahu)