Öl, Löhne und der Dollar

27.07.2015

Beschleunigt sich das Wirtschaftswachstum wie erwartet, so die Fed-Vorsitzende Janet Yellen, ist mit einer ersten Zinsanhebung im 2015 zu rechnen. Die US-Wirtschaft hat allerdings in der ersten Jahreshälfte enttäuscht.

Drei Faktoren haben das Wachstum bisher getrübt – können aber in den nächsten Monaten der Konjunktur neue Impulse verleihen: Öl, Löhne und US-Dollar. Der tiefe Ölpreis dürfte für den Konsum den schon lange erwarteten Schub erzeugen. Das robuste Beschäftigungswachstum sollte zu einer Beschleunigung des Lohnwachstums führen und damit ebenfalls den Konsum beleben. Die negativen Auswirkungen des starken US-Dollars auf die Exporte dürften das Wachstum im Gegensatz zum ersten Halbjahr nicht mehr signifikant belasten. Wir erwarten, nach einem schwachen Start in das Jahr, eine deutliche Beschleunigung der Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte. Nimmt die US-Wirtschaft Fahrt auf, ist dies Grund genug für das Fed, im September die Leitzinsen zu erhöhen.

Die Vorsitzende der US-Notenbank Janet Yellen brachte es bei ihrem Auftritt vor dem US-Kongress prägnant auf den Punkt: Wenn das Wirtschaftswachstum in den USA sich beschleunigt, ist mit einer ersten Zinsanhebung im zweiten Halbjahr zu rechnen. Damit rückt Yellen die Wachstumsaussichten in den Mittelpunkt. Die US-Wirtschaft hat in der ersten Jahreshälfte enttäuscht. Hafenstreiks und ausserordentlich schlechtes Wetter machten den US-Firmen einen Strich durch die Rechnung. Diese Faktoren werden aber in der zweiten Jahreshälfte kaum mehr von Relevanz sein. Andere Einflüsse hingegen haben das Wachstum im ersten Halbjahr ebenfalls getrübt und werden im zweiten Halbjahr das Schicksal der US-Wirtschaft entscheiden: Das sind Öl, Löhne und der Dollar.

Die Erdölpreise haben sich seit Mitte 2014 halbiert. Damit ging eine deutliche Zunahme des Konjunkturoptimismus einher. Dieser war jedoch verfrüht. Der Rückgang der Ölpreise belastete statt belebte die US-Wirtschaft. Amerikanischen Ölproduzenten haben ihre Investitionen rasch und stark zurückgefahren, US-Haushalte hingegen haben trotz eines beträchtlichen ölpreis-induzierten Anstieges der Realeinkommen ihren Konsum in der ersten Jahreshälfte gedrosselt. Möglicherweise fehlte den US-Haushalten die Überzeugung, dass die tieferen Ölpreise von Dauer sind. Der Blick nach vorne gibt trotzdem Anlass zu Optimismus. Die Ölpreise haben sich auf tiefem Niveau eingependelt und der Arbeitsmarkt erweist sich als robust. Damit sollte der Konsum neue Impulse erhalten.

Der Konsum litt im ersten Halbjahr nicht nur unter der steigenden Sparquote, auch die Lohnentwicklung verlief enttäuschend – obschon die US-Wirtschaft mehr als eine Million neue Jobs schuf. Trotz der stark verbesserten Beschäftigungsaussichten bleibt die Verunsicherung bei den US-Arbeitnehmern gross. Noch sind weniger Amerikaner als vor der Krise zu einem (mit einer Lohnaufbesserung verbundenen) Jobwechsel bereit. Allerdings darf dieser Trend nicht einfach in die Zukunft fortgeschrieben werden. Angesichts des robusten Beschäftigungswachstums, ist es lediglich eine Frage der Zeit bis sich das Lohnwachstum beschleunigt. Höhere Löhne beleben den Konsum weiter.

Der dritte Grund für die enttäuschende Konjunktur lag im erstarkten US-Dollar. Auch wenn der Export in den nächsten Monaten noch unter dem starken Dollar zu leiden hat, sollte der Druck auf die Ausfuhren nicht weiter steigen. Der Export dürfte das Wachstum im Gegensatz zum ersten Halbjahr nicht mehr signifikant belasten – zu einer Stütze der US-Konjunktur mutiert er allerdings auch nicht. Wir erwarten, nach einem schwachen Start in das Jahr, eine deutliche Beschleunigung der Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte. Nimmt die US-Wirtschaft Fahrt auf, ist dies Grund genug für das Fed, im September die Leitzinsen zu erhöhen.

Autor: Alessandro Bee, Ökonom, Bank J. Safra Sarasin AG