Nahles-Rente – Gewitterfront
31.03.2015
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Die Bundesregierung hat zum Beginn ihrer Amtszeit erklärt, die betriebliche Altersversorgung gerade in kleinen und mittelständischen Firmen voranzutreiben. Ministerin Andrea Nahles hat hierzu unlängst ihre Vorstellungen präzisiert. Doch die stoßen auf eine breite Front der Ablehnung. Noch ist jedoch nichts endgültig entschieden, noch sind viele Verhandlungsrunden zu absolvieren. Deren Ergebnisse sind auch für den Vertrieb entscheidend.
Nahles-Rente – Gewitterfront
Die Bundesregierung hat zum Beginn ihrer Amtszeit erklärt, die betriebliche Altersversorgung gerade in kleinen und mittelständischen Firmen voranzutreiben. Ministerin Andrea Nahles hat hierzu unlängst ihre Vorstellungen präzisiert. Doch die stoßen auf eine breite Front der Ablehnung. Noch ist jedoch nichts endgültig entschieden, noch sind viele Verhandlungsrunden zu absolvieren. Deren Ergebnisse sind auch für den Vertrieb entscheidend.
Das Marktforschungsinstitut forsa hat im Auftrag der Generali und des F.A.Z.-Instituts eine Studie zum Thema „Betriebliche Altersversorgung im Mittelstand 2015" erstellt. Danach ist die Nachfrage der Beschäftigten in mittelständischen Unternehmen nach künftigen Betriebsrenten 2014 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Die Generali geht davon aus, dass dies aus einem höheren finanziellen Engagement der Arbeitgeber resultiert. Immerhin bieten zwei Drittel der Betriebe gemischt finanzierte Modelle an. Nicht gut stehe es hingegen um die Kommunikation der Unternehmen rund um die Betriebsrente. „bAV-Anbieter können hier mit einem überdurchschnittlich hohen Service, individueller Beratung und Sicherheit bei den Produkten Unternehmen nachhaltig unterstützen, erklärt Michael Reinelt, Abteilungsdirektor Produkt- und Beratungsmanagement bAV bei den Generali Versicherungen. Immerhin – so ein Ergebnis der Studie – bauen die Betriebe ihre gemischt finanzierten Betriebsrentenangebote kräftig aus. Derzeit bieten zwei Drittel der befragten Mittelständler solche Vorsorgemodelle an. Zugleich ist der Anteil der Betriebe mit einer rein arbeitgeberfinanzierten Betriebsrente erneut rückläufig. Die guten Teilergebnisse der Studie können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der bAV einiges im Argen liegt. Das soll sich nach dem Willen der Bundesregierung aber möglichst noch in der laufenden Legislaturperiode ändern.
Nach Riester-, Rürup-Rente und Pflege-Bahr – kommt jetzt die Nahles-Rente.
Es scheint über die vergangenen Jahre hinweg geradezu schick geworden zu sein, neue Ideen und Gesetze mit den Namen ihrer Erfinder zu schmücken. Nach der Riester- und der Rürup-Rente kam der Pflege-Bahr, und jetzt reden bAV-Experten vorrangig von einem: der Nahles-Rente. Das ist im Einzelfall zwar Schmücken mit fremden Federn, dient aber auf jeden Fall dem Erinnern über Regierungsverantwortung und Wahlen hinaus. Einen unüberschaubaren Freundeskreis hat sich die Ministerin mit ihrer Idee jedenfalls nicht gerade geschaffen. Danach sollen die Tarifparteien nämlich gemeinsam – also Arbeitgeber und Gewerkschaften – Vereinbarungen über die Einrichtung von Betriebsrenten treffen. Bislang existiert ein solches Modell in der Metall-Rente. Der nun ins Spiel gebrachte Modus Vivendi soll die weite Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung beschleunigen.
Die Arbeitgeber sollen zwar von der Haftung entbunden werden,
doch für die Absicherung der Arbeitnehmer-Leistungen zahlen müssen.
Das macht dieses Modell nicht nur bei den Unternehmen nicht gerade beliebt. Auf der Strecke bliebe auch der Vertrieb. Markus Knapp, Bereichsvorstand der Deutschen Vermögensberatung (DVAG), hält andere gesetzliche Änderungen denn auch für deutlich wünschenswerter: „Die Verabschiedung eines Gesetzes alleine reicht nicht aus, um eine hohe Motivation und Identifikation des Durchführungsweges bAV zu erreichen." Es sei vielmehr notwendig, dass heutige Hürden der bAV für kleine und mittlere Betriebe wie auch für den Arbeitnehmer abgeschafft werden, beispielsweise die Krankenversicherungspflicht. Früher habe ein Arbeitnehmer bei der pauschal versteuerten Direktversicherung ohne Sozialversicherungspflicht gewusst, auf wie viel Gehalt netto er im Erwerbsleben verzichte und welche Leistungen er später hierfür erhalte. Durch die neuen steuerlichen als auch sozialversicherungspflichtigen Regelungen sei diese Sicherheit vollkommen gewichen. Knapp: „Die heutige Durchdringung der Riester-Rente ist nicht durch die Verabschiedung des Gesetzes zustande gekommen. Sie ist durch millionenfache Beratungsgespräche und Überzeugung von Beratern beim Kunden erfolgt. Der künftige Erfolgsweg der bAV hängt genauso von dieser Überzeugungsarbeit sowohl beim Arbeitnehmer als auch beim Arbeitgeber ab. Ohne die Arbeit von Vertrieben wird diese Überzeugung nicht erreicht werden. Das kann ein Gesetz wie auch ein Gesetzgeber nicht leisten."
Harter Widerspruch kommt auch aus dem Lager der Versicherer, die bei der Nahles-Rente je nach tariflicher Vereinbarung durchaus außen vor bleiben könnten. So erklärt Björn Bohnhoff, Leiter betriebliche Altersversorgung bei der Zurich Versicherung: „Die Schließung der Altersvorsorgelücke bedarf einer qualifizierten Analyse und im Regelfall auch eines aktiven Anstoßes durch einen Vermittler. Genau in dieser Frage bleibt der aktuelle Entwurf aus dem BMAS noch die Antworten schuldig, wie rein auf tarifvertraglicher Regelungsbasis ein Impuls zur Massenverbreitung generiert wird." Entweder kämen rein firmenfinanzierte Modelle zum Einsatz, die keines Vertriebes bedürfen, oder es würden neue Anreize zur Breitenberatung durch fachkundige Vermittler gesetzt. Auf Konfrontationskurs zur Vorlage aus dem Berliner Ministerium ist auch der GDV gegangen. Dr. Peter Schwark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des GDV, warnt: „Der Vorschlag aus dem BMAS verengt die Perspektive und schafft im Ergebnis zusätzliche Risiken." Er ziele lediglich auf gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien und mache exklusiv dort reine Beitragszusagen möglich. So würde die Komplexität der bAV nochmals enorm erhöht, bisher schon einer der Haupthinderungsgründe für deren Ausbau. Der Vorschlag würde mit seinem allein auf tarifvertragliche Lösungen zugeschnittenen Ansatz viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gerade nicht erreichen, da diese häufig und durchaus bewusst keinem Tarifvertrag unterliegen. Schwark betont: „In jedem Fall wird es auf Sicht zu einer erheblichen Verunsicherung bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern führen, verbunden mit einer Lähmung des Verbreitungsprozesses. Das schadet mehr als dass es hilft." (hwt)