Mehr Finanz- und Geldwissen führt zur Aktienkultur

17.09.2015

Beim traditionellen Börsenempfang in Stuttgart forderten ein Wirtschaftspublizist und der Chef einer der größten deutschen Börsen eine Wende in der Bildungspolitik im Sektor Finanz- und Geldwissen.

2015-09-18 (fw/db) Beim gestrigen Börsenempfang der Börse Stuttgart sprach Gabor Steingart, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Handelsblatt und Herausgeber der führenden Wirtschaftszeitung Handelsblatt, vor 400 Fachbesuchern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

Unter der Überschrift „Aktienkultur in Deutschland: Bestandsaufnahme und Lösungsansätze“ nahm Steingart die hiesige Wertpapierkultur unter die Lupe. Ein Problem besteht für Steingart darin, dass die Deutschen nur Risiken sähen, obwohl die Welt für sie voller Chancen sei.

„Ein Taxifahrer in den USA denkt beim Wort Aktie sofort ans Reichwerden, ein Deutscher dagegen an mögliche Verluste. Das gilt im Übrigen auch für diejenigen, die gar keine Aktien besitzen: Sie bedrückt, dass sie Gewinne verpassen“, sagte der Wirtschaftspublizist Steingart in Stuttgart.

Ein Grund für die anhaltende Flucht der Deutschen aus der Aktie sei der Denkfehler, alle Details zu einem Unternehmen und seinem Geschäftsmodell verstehen zu müssen.

„Die Deutschen trauen als Anleger ihrer eigenen Hände Arbeit in Firmen nicht, die weltweit erfolgreich sind. Doch wohlhabend wird nur, wer aktiv Kapital bildet und nicht auf den Sparstrumpf oder die staatliche Rente setzt. Die Beratung zu Wertpapieren sollte nicht strenger geregelt sein als viele andere Lebensbereiche“, empfiehlt der renommierte Fachjournalist. Ziel in der Politik müsse es zukünftig sein, Zuversicht zu vermitteln anstatt Ängste zu kultivieren.

Dr. Michael Völter, Vorsitzender des Vorstands der Vereinigung Baden-Württembergische Wertpapierbörse e. V., sprach sich in seinem Beitrag ebenfalls für Wertpapierbesitz aus. Aktien böten eine einzigartige Möglichkeit, an der Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft teilzuhaben.

„Dass über die Hälfte der DAX-Aktien in Auslandsbesitz ist, stimmt nachdenklich. Offenbar haben bisher vor allem ausländische Investoren die Chancen bei Aktien erkannt“, so Völter.

„An der Börse Stuttgart finden Anleger ideale Ausgangsbedingungen – Transparenz und Neutralität sind die Basis unseres Handelsplatzes und schaffen Vertrauen“, warb Börsenexperte Völter für einen unverkrampfteren Umgang mit der Geldanlage. Die Börse Stuttgart engagiere sich zudem mit einem breiten Angebot im Bereich der Anlegerbildung.

„Nur wer Risiken kennt und beurteilen kann, ist fähig, selbstbewusst an den Kapitalmärkten zu agieren“, bekräftigt Völter den Grund für die Weiterbildungsangebote der Börse.

An die Adresse der Politiker sagte der Stuttgarter Börsenchef: „Es gilt, eine große Bildungslücke zu schließen und das Thema Finanzen schon in der Schule zu forcieren.“

Völter begrüße daher die Einführung des Fachs Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung an allen allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg ab 2016.

Dietmar Braun