Markt hat bei den Kurskorrekturen schon vieles vorweggenommen
09.09.2022
Markus Peters, Head of Fixed Income Business Development, Responsible Investing bei AllianceBernstein (AB) / Foto: © AB
Im 1. Halbjahr stand das Anleihesegment unter Druck. Kursverluste stellten sich unter anderem als Folge der geldpolitischen Straffungen ein. Dennoch lohnt perspektivisch wieder der Blick auf Fixed Income. Anlässlich eines Kongresses sprach die Redaktion hierzu exklusiv mit Markus Peters, Head of Fixed Income Business Development, Responsible Investing bei AllianceBernstein (AB).
finanzwelt: Herr Peters, es ist ein heißer Sommer. Die Notenbanken drehen an der Zinsschraube, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig geistert das Gespenst der Rezession um. Vor diesem Hintergrund, wie stellt sich die Situation auf den Anleihemärkten gegenwärtig dar? Markus Peters» Wir haben es in der Tat mit einer äußerst schwierigen Gemengelage zu tun. Die Weltwirtschaftsleistung sinkt und die Unsicherheit bleibt hoch. Gleichzeitig sehen wir eine lange Zeit nicht gekannten Inflationsschub dies- und jenseits des Atlantiks, der die Zentralbanken zum Handeln zwingt. Hinzu kommt der Ukraine-Krieg. In der Summe viele negative Nachrichten, die dafür gesorgt haben, dass wir im 1. Halbjahr sowohl auf der Aktien- als auch Anleiheseite deutliche Verluste gesehen haben. Die Kursverluste am Anleihemarkt, insbesondere für langfristig laufende Anleihen, und die steigenden Zinsen bewegten sich dabei in einer Geschwindigkeit, wie man sie lange nicht mehr beobachten konnte. Nach vorne geschaut öffnet das aber auch wieder Opportunitäten.
finanzwelt: Sie erwähnten bereits die Politik der Notenbanken. Wie hat insbesondere die EZB für Ihr Dafürhalten agiert? Zu spät, wie es viele Kritiker einwenden? Peters» Zumindest hielt die EZB sehr lange an der Vorstellung fest, die steigende Inflation sei nur vorübergehend. Das ist sie definitiv nicht. Aber auch die Währungshüter in den USA haben zu lange eine zu lockere Geldpolitik gefahren, so dass sie sich nun zu einer drastischen Umkehr gezwungen sahen, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. In der Eurozone ist die Situation schwieriger; zu heterogen sind die Volkswirtschaften. Daher erstaunt es auch nicht, dass nach der jüngsten EZB-Sitzung an den Finanzmärkten die Situation der einzelnen Euro-Staaten wieder in den Fokus rückte. Insbesondere mit Blick auf die höher verschuldeten Länder in der Peripherie. Hier muss die EZB eben noch einen weiteren Ball jonglieren, wenn sie die Geldpolitik strafft. Das alles erfordert eine klare, stringente Kommunikation, um Panik an den Märkten zu vermeiden und die eigene Glaubwürdigkeit zu stärken.
finanzwelt: In der Vergangenheit flossen viele Mittel in die Aktienmärkte. Sie erschienen vergleichsweise alternativlos. Das hat sich nun gewandelt. Insofern die Frage, welche Anleihesegmente sollten Investoren nun (wieder) auf dem Radar haben? Peters» Das lässt sich pauschal so nicht beantworten. Es kommt immer auf den einzelnen Investor und seine individuell ausgerichtete Asset-Allokation an. In der Vergangenheit waren beispielsweise als sicher empfundene Papiere wie deutsche Bundesanleihen nicht attraktiv. 2022 drehten die Renditen für zehnjährige deutsche Bundesanleihen seit längerem wieder ins Positive. Das könnte dieses Segment wieder interessanter machen. Positiv für Anleihen ist auch, dass die Märkte geldpolitische Straffungen (umfänglich) eingepreist haben. Das heisst, der Markt hat hier bei den Kurskorrekturen schon vieles vorweggenommen.
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