Ein Trump-Hurrikan

07.04.2025

Nicolas Forest. Foto: © Candriam

Seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus hat Donald Trump eine Reihe neuer Zölle verkündet – entweder auf bestimmte Länder oder einzelne Branchen. Zählt man alle Maßnahmen zusammen, die bis zum 2. April bekannt gegeben wurden (20 Prozent auf chinesische Produkte, 25 Prozent auf kanadische und mexikanische – mit Ausnahmen für USMCA1-konforme Produkte –, 25 Prozent auf Stahl und Aluminium sowie 25 Prozent auf Autos und Autoteile), dürfte der durchschnittliche Zollsatz auf US-Importe von 2,5 Prozent Ende 2024 auf etwa elf Prozent2 steigen. Zum Vergleich: Damit läge er auf dem Niveau der frühen 1940er-Jahre.

In den vergangenen Wochen verdichteten sich die Hinweise, dass es der US-Regierung mit den Zollerhöhungen ernst ist. Ob diese Teil einer größeren Strategie3 sind oder nicht: Trump sieht sie nicht nur als Druckmittel in Verhandlungen, sondern auch als Instrument zur Korrektur von Handelsungleichgewichten, zur Reindustrialisierung der USA und zur Erhöhung staatlicher Einnahmen.

Peter Navarro, enger Berater des Weißen Hauses, erklärte jüngst, die neuen Zölle würden dem US-Haushalt in den kommenden zehn Jahren mehr als sechs Billionen Dollar einbringen – ein Hinweis auf hohe und dauerhafte Zölle. Trump und einige seiner Berater sehen darin offenbar auch ein Mittel zur Stärkung der eigenen politischen Basis – die Zollpolitik während seiner ersten Amtszeit war für die Republikaner politisch ein Erfolg.

Diese aggressive Zollstrategie dürfte das Wachstum bremsen. In Kombination mit einer harten Migrationspolitik und der neuen „Department of Government Efficiency“-Agenda wächst die Unsicherheit. Zwar startete die US-Wirtschaft solide ins Jahr, doch steigende Inflation und fallende Börsen dürften den Konsum dämpfen. Gleichzeitig werden Unternehmen angesichts der anhaltenden Unsicherheit bei Investitionen und Neueinstellungen zögern.

Das Ausmaß des wirtschaftlichen Schocks ist schwer einzuschätzen: Verhandlungen könnten Zollerhöhungen abmildern, Gegenmaßnahmen anderer Länder den Effekt jedoch noch verstärken. Wir gehen nun davon aus, dass unser Negativszenario – ein Schock durch Politik und Stimmung mit wachstumshemmenden Folgen – wahrscheinlicher geworden ist als ein „Soft Landing“. Eine Rezession bis Ende 2025 erscheint zunehmend realistisch, die Inflation dürfte dabei um rund zwei Prozent steigen. In diesem Umfeld erwarten wir, dass die US-Notenbank nicht proaktiv handeln wird, sondern zunächst Klarheit über die Auswirkungen auf Inflation und mögliche fiskalische Gegenmaßnahmen abwartet – und erst bei Indikatoren eingreift, welche die Wirtschaft sichtbar ausbremsen. Für 2025 rechnen wir mit drei weiteren Zinssenkungen durch die Fed.

Auswirkungen auf den Euroraum

Vor Trumps Rückkehr ins Amt wurde für die Eurozone 2025 ein Wachstum von rund einem Prozent6 erwartet. Seither hat die Androhung der USA, sich als Sicherheitsgarant Europas zurückzuziehen, in Europa zu einem Kurswechsel geführt – viele Analysten revidierten ihre Prognosen nach oben. Wir warnen jedoch vor übertriebenem Optimismus. Zwar sollen Maßnahmen wie das ReArm Europe-Programm und Deuschlands haushaltspolitische Kehrtwende kurzfristig konjunkturelle Impulse geben, auf Sicht von zwölf Monaten dürften sie aber lediglich helfen, die negativen Folgen eines drohenden Handelskriegs mit den USA abzumildern. Hinzu kommen erhebliche Umsetzungsrisiken – etwa bei der geplanten deutschen Infrastruktur-Offensive. Direkt umsetzbare Projekte sind rar, ein schneller Ausgleich der Zolleffekte daher unwahrscheinlich.

Wie in den USA dürften sich auch in Europa Investitionen und Einstellungen durch die Unsicherheit verzögern. Zudem ist Europa als stark offene Volkswirtschaft besonders anfällig für globale Abschwünge. Ein „Wachstumsknick“ in den kommenden Quartalen erscheint realistischer als eine Rückkehr zum EinProzent-Trendwachstum.

Ob Europa nun den Dialog sucht oder mit seinem neuen Druckmittel – dem Anti-Coercion Instrument (ACI) – reagiert, ist offen. Klar ist aber: Da die Inflation deutlich zurückgegangen ist, hat die EZB Spielraum, auf den Schock zu reagieren. Wir rechnen mit weiteren Zinssenkungen um mindestens 50 Basispunkte – möglich sind auch Leitzinsen unter zwei Prozent.

Defensivere Ausrichtung

Trumps neueste Zollerhöhungen fielen deutlich aggressiver aus als vom Markt erwartet. Diese Eskalation trägt zu einer fragileren Weltwirtschaft bei. Die Rezessionsrisiken steigen klar. Zwar könnten Verhandlungen und Lockerungen bei einzelnen Zöllen möglich sein, doch Gegenzölle der Handelspartner dürften die Risiken nochmals erhöhen.

Schon in den vergangenen Wochen hatten wir unsere Vermögensallokation angesichts wachsender globaler Unsicherheiten und fehlender Klarheit über die kurzfristige Marktrichtung vorsichtiger gestaltet. Der anhaltend hohe Grad an Unsicherheit – kombiniert mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Gesamtlage, nicht nur in den USA – veranlasst uns nun zu noch größerer Vorsicht bei risikobehafteten Anlagen.

Wir haben unsere US-Aktienquote erneut gesenkt. Unsere Wachstumssorgen dürften zu weiteren Gewinnrevisionen führen. Zudem sind US-Bewertungen im historischen Vergleich und im Vergleich zu anderen Regionen weiterhin hoch. Auch die Aktienmärkte der Eurozone, der Schwellenländer und Japans stufen wir jetzt auf „Untergewichtung“ herab. Zwar könnte der Wunsch nach breiterer Diversifikation Kapitalflüsse anregen – anhaltende Handelskonflikte und wachsende externe Verwundbarkeiten dürften jedoch auf die Kurse drücken und eine höhere Rezessionswahrscheinlichkeit einpreisen.

Wir bevorzugen jetzt defensive Aktienprofile – also Unternehmen mit stabilen Cashflows und geringer Abhängigkeit von der Konjunktur. In Europa bleiben wir positiv für Versorger und Konsumgüter des täglichen Bedarfs, während wir bei zyklischen Werten vorsichtig sind.

Längere Duration in Europa und Absicherungen gefragt

Auf der Rentenseite bleiben wir bei europäischen Staatsanleihen – vor allem deutschen Bundesanleihen – auf der Long-Seite. Die geldpolitische Ausrichtung der EZB unterstützt diese Position. Dennoch bleibt das Umfeld schwierig für Multi-Asset-Portfolios. Steigende Inflationserwartungen dürften weitere Renditerückgänge begrenzen – damit sinkt die Schutzfunktion von Staatsanleihen bei wachstumsschwacher Konjunktur. „Stagflation“ zählt zu den ungünstigsten Szenarien für gemischte Portfolios – mit wenigen Rückzugsorten.

Im Bereich Unternehmensanleihen bleiben wir zurückhaltend: Für Investment Grade sind wir neutral, bei Hochzinsanleihen sowohl in Europa als auch in den USA untergewichtet. Die Risikoprämien sind bislang nur moderat gestiegen – wir erwarten, dass sie sich mit zunehmender Einpreisung schwächerer Unternehmensdaten weiter ausweiten.

Weiterhin sehen wir Potenzial bei alternativen Anlagen – insbesondere bei Edelmetallen wie Gold und Silber, die sich in Phasen hoher Volatilität und Unsicherheit am Handelsmarkt als wirksamer Schutz erwiesen haben. Beim Thema Währungen hatten wir zuletzt eine positive Haltung zum japanischen Yen – als möglichem Profiteur zunehmender Risikoaversion. Die nun verkündeten Zölle auf japanische Waren könnten allerdings die japanische Wirtschaft belasten und unsere optimistische Haltung zum Yen infrage stellen.

Bestimmte alternative Strategien könnten helfen, Multi-Asset-Portfolios abzusichern – etwa marktneutrale Aktienstrategien, die von erhöhter Volatilität und Kursdifferenzen profitieren, ohne dem Marktrisiko direkt ausgesetzt zu sein.

Marktkommentar von Nicolas Forest, CIO bei Candriam.