„Man muss den Kunden dort abholen, wo er ist“

27.08.2020

Dr. Rolf Wiswesser, Vorstand Maklervertrieb Allianz Versicherungs-AG / Foto: © Allianz

finanzwelt: Aber die Infrastruktur muss umgekehrt auch immer wieder den Berater informiert halten, oder? Dr. Wiswesser: Sehr richtig. Es wäre sehr unglücklich, wenn der Kunde den Unfallservice nutzt, und der Berater auch nach drei Tagen nicht weiß, dass da was war. Insofern glaube ich, dass an solchen Schnittstellen das intelligente Vernetzen von digitaler und persönlicher Beratung essenziell ist.

finanzwelt: Kommen Effekte durch schnellere und schlanke Prozesse oder der Einsatz von KI nur dem Versicherer zugute, oder wer profitiert noch davon? Dr. Wiswesser: Am Ende wird das immer dem Kunden zugutekommen, denn der Wettbewerb wird dafür sorgen, dass die Ersparnisse, die entstehen, in die Prämienkalkulation einfließen und der Kunde von dem niedrigeren Preis profitiert. Der zentrale Nutzen ist immer, ein besseres Produkt zu schaffen und dem Kunden bessere Prozesse zur Verfügung zu stellen. Je mehr Kundendaten wir haben, desto besser sind wir in der Lage, das Risiko zu tarifieren. Das führt stets zu der Diskussion, ob da nicht die Solidargemeinschaft möglicherweise untergraben wird, also derjenige, der ein ‚schlechteres‘ Risiko hat, mehr zahlen muss und dann vielleicht keinen Versicherungsschutz mehr bekommt.

finanzwelt: Bekenne mich schuldig. Als „das Ende der Solidargemeinschaft“ wird so etwas von Journalisten gerne genannt … Dr. Wiswesser: Das ist eben falsch. Wir müssen uns klarmachen, was eigentlich ‚Versicherung‘ heißt. Versicherung heißt, dass das Kollektiv sich das objektive Risiko teilt. Zu wenig oder unvollständige Information heißt nur, dass innerhalb eines Kollektivs quersubventioniert wird. Das ist eigentlich nie das Modell der Versicherung gewesen. Das Modell der Versicherung heißt zu wissen, wie hoch das Risiko ist, und dann wird der Zufall versichert. Denn der Zufall lässt sich eben nicht kontrollieren. Wenn ich aber ein Kollektiv darauf aufbaue, dass lauter Häuser vor dem Deich gebaut werden, dann werden diejenigen, die hinter dem Deich leben, irgendwann nicht mehr bereit sein, für diejenigen mitzuzahlen, die vor dem Deich gebaut haben. Das zerstört dann das Versichertenkollektiv. Mir ist es wichtig, dass wir dieses Verständnis auch in die Vermittlerschaft tragen: Dass mehr Information und damit bessere Risikoabsicherung eigentlich fair ist, weil es das Kollektiv schützt und damit überhaupt die Grundvoraussetzung dafür ist, dass wir funktionierende Versichertenkollektive aufbauen können. (lvs)