Konsequenzen des Referendums für die Wirtschaft und Finanzmärkte verkraftbar
06.07.2015
Karsten Junius
Die griechische Regierung mag sich feiern lassen. Die Kosten der Party sind für die griechische Wirtschaft aber extrem hoch und die Aussichten, dass auch dieses Mal die internationalen Geldgeber die Rechnung übernehmen gering.
Stattdessen muss nun mit einem Grexit gerechnet werden, der auch zu einem Zahlungsausfall der bestehenden Schulden führt. Die ersten Finanzmarktreaktionen sind allerdings nur verhalten negativ, reflektiert, dass die Erwartungen bezüglich einer positiven Entwicklung in Griechenland bereits sehr gering waren und die Auswirkungen auf den Rest der Währungsunion begrenzt sein dürften. Leiden wird allerdings die griechische Wirtschaft und Bevölkerung.
Man mag erstaunt sein, dass die griechische Bevölkerung ihrer Regierung bei dem Referendum den Rücken so deutlich gestärkt hat und die Reformvorschläge der „Institutionen“ abgelehnt hat. Genauso erstaunt konnte man sein, dass es zu dem Referendum überhaupt kam, obwohl die Positionen der griechischen Regierung und der Institutionen gar nicht mehr so weit von einander entfernt lagen. In einem Punkt gab es allerdings unüberbrückbare Unterschiede: Die Koordination von Wirtschaftspolitik, genau wie die Teilnahme an einer Währungsunion und erst Recht der Antrag für ein Anpassungsprogramm mit den Institutionen führt zu einem gewissen Souveränitätsverzicht eines Landes. Dieser limitiert die politischen Optionen einer Regierung, ganz egal mit welcher Mehrheit sie in ihrem Land auch gewählt sein mag. Die Möglichkeiten für eine unabhängige Regierungspolitik sind zusätzlich dadurch eingeschränkt, dass Vorgängerregierungen internationale Vereinbarungen im Namen des Landes abgeschlossen haben, an die auch jede neue Regierung gebunden ist. Die von den letzten Regierungen beschlossenen Vereinbarungen mit den internationalen Geldgebern wie die des Anpassungsprogramms stellen daher eine genauso verbindliche Restriktion für die griechische Regierung dar, wie die Rückzahlung von Staatsschulden, die von früheren Regierungen aufgenommen wurden. Diese internationalen Vereinbarungen und Konventionen zu akzeptieren, stellte die griechische Regierung als Erpressung, als undemokratisch und würdelos dar. Realistischer Weise hätte sie stattdessen ihre Wahlversprechungen auf Basis bestehender Restriktionen aufbauen müssen. Es ist anders gekommen und nun auch nicht mehr zu ändern. Klar ist jedoch, dass das griechische Volk und seine Regierung keinen Souveränitätsverzicht möchte. Damit sind auch die Aussichten auf die Einigung auf ein Hilfsprogramm, das die Liquidität des griechischen Staates und seiner Banken sichert, auf ein sehr geringes Maß gesunken. Die griechische Wirtschaft wird in eine noch tiefere Rezession abgleiten, was mit zunehmenden Konkursen einhergehen wird. Diese werden die Solvenz der Banken weiter belasten. Ohne Aussicht auf ein Anpassungsprogramm mit den Institutionen und bei schlechteren ökonomischen Rahmenbedingungen, müsste die EZB konsequenterweise die Notfallliquidität für die griechischen Banken weiter einschränken. Aber selbst bei konstanter Liquiditätsversorgung ist es nur eine Frage der Zeit, bis den Banken die Liquidität ausgeht. Und ob der Staat seine Zahlungsverpflichtungen aus eigenen Mitteln lange bestreiten kann, ist ebenfalls zweifelhaft. Ein Grexit wird so immer wahrscheinlicher – über die Zeit hat er aber auch seinen Schrecken verloren.
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Autor: Karsten Junius, Chefvolkswirt, Bank J. Safra Sarasin_