Klatsche für das Rentensystem
16.01.2014
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Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung wird ein heute 13-Jähriger im Laufe seines Lebens durchschnittlich 77.000 Euro mehr in die Rentenkasse einzahlen als später für ihn an Rente herauskommen wird.
(fw/hwt) Und die Eltern haben laut Stiftung „mit der Gründung einer Familie und ihrer Erziehungsleistung der Rentenkasse diesen Überschuss erst ermöglicht". Auf ihre eigene Rente wirke sich diese gesellschaftliche Leistung jedoch kaum aus, zudem bezahlten sie die gleichen Beiträge wie Kinderlose. Die heutige gesetzliche Rentenversicherung (GRV) sei "nicht familiengerecht", es bestehe dringender Reformbedarf.
"Unser Rentensystem benachteiligt Familien – ausgerechnet diejenigen, die das System am Leben erhalten", sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Kinder finanzieren in ihrem späteren Erwerbsleben mit ihren Einzahlungen in die Rentenkasse nicht nur die Altersversorgung ihrer eigenen Eltern, sondern auch die der Kinderlosen aus ihrer Elterngeneration. Weil die Menschen immer älter werden und zugleich immer weniger Kinder geboren werden, werden die Rentenbeiträge bereits ab 2030 ihre gesetzliche Obergrenze von dann 22 Prozent überschreiten und auch das Rentenniveau wird unter die gesetzliche Untergrenze fallen, hat Martin Werding berechnet, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Bochum. "Spätestens mit dem Ende des demographischen Zwischenhochs 2030 gerät unser heutiges Rentensystem massiv unter Druck. Die Politik muss jetzt handeln und unser System nicht nur familiengerecht, sondern auch langfristig demographiefest machen", kommentiert Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, die zu erwartenden Entwicklungen.
Die Fakten sprechen eine klare Sprache. Familien tragen das Rentensystem und werden durch ihre Kinder finanziell erheblich belastet. Zudem haben sie während des Aufwachsens ihrer Kinder höhere Belastungen als Kinderlose. Somit werden sie gleich doppelt belastet – mit den Rentenbeiträgen für die Leistungen der Rentenversicherung an ihre Eltern und mit dem Aufwand für ihre Kinder. Letzteres drückt sich auch darin aus, dass sie gerade bei kleineren Kindern häufig ihre Berufstätigkeit einschränken, mit der Folge niedrigerer Einkommen und Rentenansprüche. Durchschnittlich 8.300 Euro Mütterrente machen laut Bertelsmann Stiftung „nur einen kleinen Teil der 77.000 Euro aus, die es durch jedes Kind an Überschuss erhält".
Auch die derzeit 156 familienpolitischen Maßnahmen und die staatlichen Bildungsangebote könnten die Investitionen von Familien in Kinder nicht annähernd aufwiegen. Nach Berechnungen der Studie zahle ein Kind im Lauf seines Lebens trotz Zuschüssen oder Kostenübernahmen für Kitas sowie Kinder- und Elterngeld 50.500 Euro mehr in die Sozialkassen und ins Steuersystem ein als es an staatlichen Zuschüssen für Betreuung und Bildung erhält. "Angesichts der Leistung von Eltern und der positiven Effekte, die ein Kind im weiteren Leben für die Gesellschaft erzielt, sollten Familien in der Erziehungsphase finanziell entlastet werden", sagt Dräger. Denn die hohe Belastung von Familien durch Rentenversicherungsbeiträge erhöhe das Risiko, dass Kinder in Armut aufwachsen.
Werding berechnet in seiner Studie zwei mögliche Reformmodelle. Das eine sieht vor, Kinderfreibeträge ins gesetzliche Rentensystem einzuführen, wie es sie im Steuersystem bereits gibt. Dadurch würden Eltern in der aktiven Familienphase weniger Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen. Das zweite Modell einer "Kinderrente" würde einen umfassenderen Umbau des Rentensystems bedeuten. Es versucht, neben einer Entlastung von Familien die Alterssicherung demographiefest zu machen. "In beiden Fällen bessern sich die wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen Kinder aufwachsen", sagte Professor Werding. "Die Politik ist in jedem Fall gefordert, das Rentensystem so umzugestalten, dass es nach 2030 noch von unseren Kindern finanziert werden kann."