Italien – La dolce vita seit Monaten auch an der Börse
26.04.2024
Dr. Markus C. Zschaber, Gründer, V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft / Foto: © V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft, Dr. Markus C. Zschaber mbH
Wer hätte das
gedacht, italienische Aktien bieten wieder einen Mehrwert fürs Depot. Ob das
„Süße Leben“ daran Anteil hat, wissen wir nicht, gestützt wird der italienische
Aktienmarkt aber sicherlich von der für 2024 erwarteten Zinswende.
Denkt man an Italien, dann bestimmt an den Gardasee oder an den Lago Maggiore, ja an ganz Nord-Italien. An die vielen kleinen Bergdörfer, an die verwinkelten Gassen, an die Seen, die da so herrlich eingepasst in den Alpentälern ruhen. Und das alles verbunden mit einer erstaunlichen Relaxtheit der Bewohner und einer Lebensfreude, die man in Deutschland manchmal vermisst. Einfach mal hinsetzen, ausruhen, einen Espresso genießen – auch wenn die Hauswand hinter einem bröckelt. Was soll`s? Das Haus steht auch noch morgen da. In Deutschland hätte man jetzt wahrscheinlich sofort ein Baugerüst hinter sich.
La dolce vita – das süße Leben – es trägt Früchte, scheinbar. Ausgerechnet italienische Aktien laufen nämlich seit einiger Zeit besser als deutsche. Der FTSE MIB etwa, eine Ansammlung der 40 wichtigsten italienischen Unternehmen, legte in den zurückliegenden zwölf Monaten um fast 30 Prozent zu. Der DAX hingegen schafft es „nur“ auf 23 Prozent. Und selbst von diesen 23 Prozent muss man noch einmal so um die vier Prozent abziehen, da der FTSE MIB im Gegensatz zum DAX kein Kursindex ist, unter anderem Dividenden also nicht berücksichtigt werden.
La dolce vita – es lohnt sich also? Ja und nein. Trotz der guten Aktienperformance, die zu einem Teil auch als „Nachholeffekt“ auf die vorherige lange Durststrecke zurückzuführen ist – über viele Jahre galt der italienische Aktienmarkt als Sorgenkind und Underperformer in Europa –, bleiben die typisch italienischen Probleme. Ein Mix aus einer extrem hohen Verschuldung – mit rund drei Billionen Euro steht Italien in der Kreide, gemessen am BIP entspricht das einer Verschuldungsquote von 140 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung –, einer relativ hohen Arbeitslosenquote von über sieben Prozent, die vor allem unter der jungen Bevölkerung zur Abwanderung führt, vielen ausstehenden Reformen und einem deutlichen Nord-Süd-Gefälle. Alles Probleme, die Italien im Grunde genommen seit Jahrzehnten beschäftigen und die bis dato nicht gelöst werden konnten.
Zinswende sorgt für Besserung
Andererseits, so schlecht steht Italien gar nicht da. Immerhin soll das Land laut Expertenschätzung in diesem Jahr um 0,9 Prozent wachsen. Das ist mehr, als was für Deutschland prognostiziert wird. Hier liegen neue Einschätzungen bei marginalen 0,2 Prozent, also eigentlich Stagnation. Italien hingegen legt zu, und könnte sogar noch eine Schippe drauflegen, da die für 2024 erwartete Zinswende vor allem Italien in die Karten spielt. Je weniger Zinsen, desto günstiger die Aufnahme neuer Schulden und die Refinanzierung der alten. Bei drei Billionen Euro kommt da schon was zusammen.
Auch einer Abstufung durch die Ratingagenturen konnte Italien so schon entkommen. Im November beließ Moody's die Bonitätsnote des Landes bei „Baa3“ und hob zugleich den Ausblick für künftige Bewertungen von „negativ“ auf „stabil“ an. Zwar ist „Baa3“ die niedrigste Bewertung in der als anlagewürdig geltenden Kategorie „Investment Grade“ und damit nur eine Stufe weit vom „Ramschniveau“ entfernt. Doch immerhin, Italien bleibt „investmentwürdig“, auch wenn das „würdig“ mit Fragezeichen versehen ist.
Es darf also investiert werden – und es wird investiert. Zwar sehen vorläufige Schätzungen nur eine im Vergleich zum Vorjahr stagnierende Investitionstätigkeit voraus, doch die verhaltene Prognose beruht auch auf der Annahme gleichbleibender Zinsen. Gehen diese zurück, könnte das die Investitionstätigkeit, auch ausländischer Geldgeber, ankurbeln. Und genau darin scheint derzeit die wichtigste Fantasie an der Börse zu liegen. Fallende Zinsen würden Italien extrem gut tun, das Land entlasten, Investitionen und Konsum ankurbeln. Das trifft zwar auch auf andere Industrieländer zu, aber weil Italien eben so extrem hoch verschuldet ist, ist der „Zinshebel“ hier als besonders interessant anzusehen.
Investitionsziel erneuerbare Energien
Und in noch einem Punkt macht Italien keine so schlechte Figur, bei den erneuerbaren Energien. Im Jahr 2023 lag der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten italienischen Nettostromerzeugung bei rund 41 Prozent. Dabei soll der Ausbau der Erneuerbaren vorangetrieben werden, was mittelfristig auch helfen soll, die Stromkosten für Industrie und Verbraucher zu senken. Derzeit sind die Strompreise in Italien mit die höchsten in Europa, um die 150 Euro je Megawattstunde für Privatkunden. Im Vergleich dazu sind es in Deutschland nur knapp 90 Euro. Der nötige Kapazitätsausbau der Erneuerbaren soll über verschiedene Großprojekte mit einem entsprechenden Investitionsvolumen forciert werden. Bis 2030 sollen zum Beispiel die Kapazitäten der Windkraftanlagen mehr als verdoppelt werden. Hohe Investitionen fließen dabei vor allem in Offshore-Projekte im Mittelmeer. Und um den Strom von der Küste in das Landesinnere und nach Norden zu transportieren, ist ein Ausbau des Stromnetzes anvisiert. Der Besitzer und Betreiber des landesweiten Stromübertragungsnetzes Terna etwa will von 2023 bis 2032 etwa 21 Milliarden Euro in seine Leitungen investieren. Zur Finanzierung der Erneuerbaren-Projekte kann Italien auch auf die Europäische Union setzen. Von 2021 bis 2027 sollen über 13 Milliarden Euro zur Nutzung der erneuerbaren Energien von der EU nach Italien fließen, darunter über drei Milliarden Euro in Wasserstoffprojekte. Weitere 15 Milliarden Euro stehen für Energieeffizienzmaßnahmen seitens Brüssel bereit.
Denkt man an Italien, denken viele an den Gardasee oder an den Lago Maggiore – zurecht. Aber vielleicht lohnt es sich ja auch, über das eine oder andere Aktieninvestment an der italienischen Börse nachzudenken. Wer dabei ganz entspannt vorgehen möchte, der setzt auf einen entsprechenden ETF, der beispielsweise den eingangs erwähnten FTSE MIB Index nachbildet.
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Kolumne von Dr. Markus C.
Zschaber,
Gründer der V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft in Köln, www.zschaber.de