Ist der Samba schon ausgetanzt?

21.07.2013

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Die brasilianischen Fußballer haben es im Endspiel des Confed-Cup vorgemacht: Sie schlugen die Weltmeister aus Spanien mit 3:0 und feierten ausgelassen. Aber im Lande brodelt es weiter. Wochenlange Aufstände am Zuckerhut lassen Investoren erschrecken. Der Aktienmarkt ist auf Talfahrt, die Inflation galoppiert davon.

Jahrelang galt Brasilien als eines der kraftvollsten unter den Schwellenländern und die Wachstumsraten waren hervorragend. Bereits im vergangenen Jahr lahmte die Wirtschaft – neben weltwirtschaftlichen Gründen (China ist mit 17 % eines der Hauptabnehmerländer) sorgten auch hausgemachte Gründe für Sorgenfalten bei den üblicherweise ausgelassenen Brasilianern. Brasiliens Ökonomie soll in diesem Jahr zwischen 3 und 4 % zulegen, die Arbeitslosenquote liegt unter 6 %. Verglichen mit den Daten vergangener Boomjahre (2010 betrug das BIP-Wachstum 7,5 %) ist dies ein herber Rückschlag. „Ungefähr 8 % des Performance-Rückgangs lassen sich auf die Währungsabwertung zurückführen. Dieser Währungstrend ist nicht zwangsläufig nur für Brasilien ein Thema, sondern lässt sich zum Teil durch die Kapitalabflüsse aus Schuldtiteln der Emerging Markets in Schuldtitel der entwickelten Ländern erklären", erklärt Patricia Urbano, Fondsmanagerin des Edmond de Rothschild Latin America. Die hausgemachten Gründe, die das Land unter wirtschaftlichen Druck gesetzt haben sind die ansteigende Inflation (im Mai betrug die Geldteuerung 6,5 %), Abschwächung der Konjunktur, flankiert von gesunkener Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Umfeld (höhere Arbeitskosten und größerer Wettbewerb bei importierten Gütern), wie Frederico Tralli, Head of Latin America Equities bei BNP Paribas Investment Partners Brasilien, bemerkt. Am Beispiel der Textilbranche zeigt sich das Dilemma augenscheinlich. „Wenn die Firmen dieses Jahr nichts unternehmen, ist zu erwarten, dass der nationale Markt zu 30 % von ausländischen Produkten überschwemmt wird", sagte Daniel de Souza, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität des Bundesstaates Santa Catarina, jüngst in einem Interview mit der Deutsche Welle. Dies ist nicht zu unterschätzen, denn die Textilbranche ist der zweitgrößte Arbeitgeber der verarbeitenden Industrie des Landes.

Die Abhängigkeit von Rohstoffen wie Eisenerz, Kupfer, Kakao und Kaffee, deren Preise in den vergangenen Monaten gesunken sind, ist ein Grund dafür, dass die brasilianische Wirtschaft sich im Straucheln befindet. Die großen Ratingagenturen haben schon reagiert und den Ausblick für brasilianische Anleihen auf „negativ" gesetzt. Zudem hätte die Notenbank mit ihrer unsteten Politik die Investoren verunsichert, sind sich Experten einig.

Fazit

Viele Hoffnungen ruhen auf sportlichen Großereignissen wie der Fußball-WM 2014 und der Olympiade 2016. Die tumultartigen Proteste der letzten Wochen sind Proteste der in den letzten Jahren zu bescheidenem Wohlstand gekommenen Mittelschicht, nicht von linken Studenten und sozialistischen Gewerkschaftlern. Die Mittelschicht protestiert gegen Verschwendung, Vetternwirtschaft und Korruption, die nur die Eliten bereichern. Die Sport-Infrastrukturprojekte für Olympia und die WM sind den Protestierenden ein Dorn im Auge. Dieser Spagat zwischen einer sozialistischen Regierung und den protestierenden Angehörigen der Mittelschicht ist keineswegs gelöst und wird wesentlich die Zukunft Brasiliens bestimmen. Diese Mittelklasse des 200 Millionen Einwohner umfassenden Landes ist nicht nur zahlenmäßig eine Macht, sondern auch politisch sehr bedeutsam geworden. Die brasilianische Zentralbank hat jüngst den Leitzins von 7,5 auf 8,0 % angehoben, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Brasilien-Investments sind aus den genannten Gründen keine Selbstläufer und manche Werte sehr volatil. Wie der Samba in Zukunft getanzt wird, wird sich zeigen.

(Alexander Heftrich)

Brasilien - Printausgabe 04/2013