Indexmieten: Vorsicht vor einem falschen Sicherheitsgefühl
21.07.2022
Markus Reinert - Foto: © IC Immobilien Gruppe
Eine der tückischen Eigenschaften von Rezessionen sowie Wachstumsrückgängen bei Unternehmen verschiedener Wirtschaftszweige ist der Fakt, dass sie oftmals erst im Nachhinein als solche identifiziert werden können: Bevor das negative Wirtschaftswachstum gemessen wird und die damit verbundenen sinkenden Unternehmenszahlen erkennbar sind, sieht auf dem Papier noch vieles besser aus, als es in Wahrheit ist.
Was allerdings die Herausforderungen in der täglichen Arbeit betrifft, zeigen sich die erschwerten Bedingungen in der Regel sofort – und selten zuvor haben so viele verschiedene Komponenten ineinandergegriffen. Höhere Preise sorgen für sinkende Margen, während steigende Zinsen die Aufnahme von Fremdkapital zu annehmbaren Konditionen erschweren. Neben diesen primären Faktoren schlagen für alle Unternehmen – genau wie für Privathaushalte – die deutlich höheren Nebenkosten ihrer genutzten Flächen zu Buche. Bereits jetzt müssen hohe Rücklagen für die zu erwartenden Nachzahlungen gebildet werden, die sich aus den stetig steigenden Nebenkosten ergeben, maßgeblich getrieben durch exorbitant gestiegene und weiter steigende Energiekosten für Gas, Strom und Öl.
Dementsprechend muss die viel zitierte Aussage „Gewerbeimmobilien sind dank ihrer indexierten Mietverträge inflationssicher“ kritisch hinterfragt werden. Denn zwischen der Tatsache, dass die jährliche Nettokaltmiete gemäß den unterschiedlichen vertraglichen Vereinbarungen angepasst werden darf, und der Frage, ob sie de facto auch angepasst werden kann, liegen Welten. Realistisch ist auch, dass besonders von der Inflation betroffene Unternehmen ihre Mietzahlungen wie bereits zu Beginn der Coronakrise hinterfragen müssen, um sich finanziell erst einmal selbst neu zu strukturieren. Noch dazu kommt, dass die Insolvenzwelle, die für 2020 oder 2021 befürchtet war, nun nach Auslaufen der staatlichen Hilfen im Jahr 2022 anrollen könnte.
Für die Eigentümer von Gewerbeimmobilien geht es deshalb aktuell nicht etwa darum, die Krise als Chance zu sehen oder gar profitieren zu wollen. Vielmehr müssen sie zunächst einmal den weitestgehenden Werterhalt ihrer Immobilien sicherstellen. Die eingangs erwähnten Mieterrisiken können nur durch ein intensives und partnerschaftliches Mietermanagement identifiziert werden, anschließend werden Lösungen erarbeitet. Die Branche ist diesbezüglich bereits in der Realität angekommen und spürt diese Veränderungen täglich in den vielfältigen Vermietungs- und Prolongationsgesprächen.
Eine solche Stabilisierungsarbeit funktioniert nicht allein über eine zeitgemäße Form der Mietvertragsgestaltung, sondern vielmehr durch das bereits erwähnte aktive Mietermanagement, das den Mieter in den Mittelpunkt stellt. Während dies zwar auch in der Zeit vor der Coronapandemie immer wieder behauptet wurde, sah die Wirklichkeit so aus, dass die Vermieter ihre damals starke Verhandlungsposition nachdrücklich durchgesetzt und die Mieterschaft ansonsten eher vernachlässigt haben.
Eine Anpassung an die neuen Marktrealitäten erfordert in gewisser Hinsicht also auch einen Kulturwandel, der eine partnerschaftliche Mieter-Vermieter-Beziehung beinhaltet. Diese mag zwar nur schwer messbar und schon gar nicht juristisch ausformulierbar sein – ist aber aktuell ein weitaus wirksamerer Sicherheitsanker als die pauschale Mietvertragsklausel zur Inflationsindexierung.
Beitrag von Markus Reinert FRICS, Vorsitzender der Geschäftsführung / CEO, IC Immobilien Gruppe