Handelsvertreter gemäß § 84 HGB?
17.02.2025
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Rechtsanwalt Peter Gundermann. Foto: @ TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Finfluencer sind jene Influencer, deren Inhalt sich um das Anlegen von Geld, Aktienkurse, Krypto und Rentenversicherungen dreht. Finfluencer sind Finanz-Influencer. Sie geben in teilweise lustigen oder skurrilen Kurzvideos auf gängigen Social-Media-Kanälen Anlagetipps und klären ihre Follower über Themen rund um Finanzen auf. Aktuelle Fälle wie die des Influencers „Immo Tommy“ rücken dieses Thema in den Fokus.
Finfluencer promoten bestimmte Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen und fungieren so als Meinungsführer bzw. - macher, die einen entscheidenden Einfluss auf die Anlageentscheidungen ihrer Followerschaft ausüben können. Der Beitrag geht der Frage nach, ob und wann solche Finfluencer als Handelsvertreter gemäß § 84 HGB anzusehen und welche Folgen damit verbunden sind. Dabei wird eine interessante, erst kürzlich erschienene Dissertation von Lennard Hermann Oonk mit dem Titel „Influencer als Handelsvertreter – Eine Bewährungsprobe für § 84 HGB“ besonders in den Blick genommen. Oonk kommt darin zum Ergebnis, dass Kontrakte mit Influencern, also auch mit Finfluencern, als Handelsvertreterverträge im Sinne von § 84 HGB ausgestaltet werden können. Und es steht nach dieser bemerkenswerten wissenschaftlichen Arbeit weiter fest, dass Influencer häufiger Handelsvertreter sind , als sie selbst und auch die Unternehmen, die sie beauftragen, vermuten würden.
Diese Finanz-Influencer treten – so Oonk – nicht mehr nur als „semiprofessionelle Video – und Fotokünstler“ auf, sondern sind Teil einer Werbestrategie im Rahmen eines „Influencer-Marketings“. So können auch Finanzunternehmen sogenannte Finfluencer engagieren mit dem Ziel, ihren Umsatz zu steigern, indem diese ihrer „Community“ bestimmte Finanzprodukte und/oder Finanzdienstleistungen -– meist im Vergleich zu anderen, „viel schlechteren“ Produkten -– nahebringen.
Gewerbeausübung
Influencer üben regelmäßig ein Gewerbe im Sinne des § 84 HGB aus. Insbesondere eine Tätigkeit als Künstler wird nur in seltenen Fällen vorliegen. Gleiches gilt für die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit. Nach einer aufstrebenden Auffassung schließen sich eine freiberufliche und eine gewerbliche Tätigkeit jedenfalls nicht aus.
Vermittlungsbegriff
Für eine Einordnung als Handelsvertreter ist der Begriff des Vermittelns näher zu beleuchten. Das Vermitteln ist laut BGH die Pflicht zur Förderung eines Geschäftsabschlusses durch Einwirkung auf einen Dritten.
Für eine Vermittlungstätigkeit im Sinne des § 84 HGB genügt es, wenn sie für den Geschäftsabschluss mitursächlich ist; sie muss nicht die alleinige Ursache für den Abschluss sein. Dies ist bereits dann zu bejahen, wenn der Finfluencer die zum Abschluss führenden Verhandlungen lediglich initiiert hat.
Hier spielen sogenannte „Affiliate-Links“ eine bedeutsame Rolle. Dies ist ein spezieller Hyperlink, der es einem sogenannten „Affiliate“ (also dem Verwender des Link) ermöglicht, den Verkehr von seiner eigenen Plattform auf die Website eines Unternehmens zu lenken, es ist eine Art Vermittlungslink. Dieser Link ist individuell codiert, um den Affiliate zu identifizieren. Im Falle einer erfolgreichen Transaktion, sei es ein Verkauf oder eine andere vorher definierte Aktion, erhält der Affiliate eine vorab vereinbarte Provision als Entschädigung für die Vermittlung.
Bei Installation sogenannter Affiliate-Links handelt es sich nicht mehr um rein werbliche oder kontaktherstellende Tätigkeiten, da einem Follower unmittelbar die Möglichkeit eröffnet wird, ein Finanzprodukt oder eine Finanzdienstleistung auf einer externen Unternehmenswebsite zu erwerben.
Der EuGH hat entschieden, dass es für die Einstufung als Handelsvertreter nicht darauf ankommt, ob eine Person über die Möglichkeit verfügt, die Preise der Waren, deren Verkauf sie für den Unternehmer unternimmt, zu ändern.
Angesichts des technischen Fortschritts, so Oonk, und im Einklang mit einem zunehmend internetbasierten Warenangebot umfasst die Handelsvertretertätigkeit nicht mehr nur den persönlichen Einsatz einer Person, sondern auch die Vermarktung von Produkten im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung. Auch ein vermeintlich existierendes Leitbild des Handelsvertreters, durch unmittelbare Einwirkung auf den Kunden persönlich Geschäfte zu akquirieren, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der BGH hat bereits entschieden, dass die Kundenbetreuung ein dispositives Element darstellt. Es reicht aus, wenn sich eine Tätigkeit nach der Art der zugewiesenen Aufgaben auf den Absatz von Produkten auf Nachfrage und ohne persönliche Kundenbetreuung bezieht.
Pflicht zum Tätigwerden
Darüber hinaus wird es Finfluencern regelmäßig nicht überlassen, ob sie tätig werden oder nicht. Früher war es so, dass der Affiliate eher als Makler und nicht als Handelsvertreter eingestuft wurde. Denn damals hatten Affiliates keine Tätigkeitspflicht, sondern nur die bloße Möglichkeit, aktiv zu werden, was auf heutige Influencer und damit auch Finfluencer nicht zutrifft. Üblich ist jetzt eine vertragliche Verpflichtung zur Erstellung eines möglichst werbewirksamen Social-Media-Beitrags, inklusive eines Affiliate-Links.
Besonders wichtig zur Annahme eines Handelsvertreterverhältnisses ist, dass die Installation nicht in das Belieben des Finfluencers gestellt wird. Die vertragliche Pflicht zum Tätigwerden muss den Link ausdrücklich umfassen. Andernfalls verpflichtet sich der Finfluencer nicht dazu, sich um die Vermittlung von Geschäftsabschlüssen zu bemühen.
Ständige Betrauung
Diese Tätigkeitspflicht muss sich darauf beziehen, sich für ein Finanzunternehmen fortlaufend um die Vermittlung einer zunächst unbestimmten Anzahl von Geschäften für den Unternehmer zu bemühen. Tracking-Tools wie etwa Cookies oder personalisierte Gutscheincodes haben sich als Identifikationsmethode etabliert. So können Transaktionen einem bestimmten Finfluencer zugeordnet werden. Dies hat für den Provisionsanspruch des Finfluencers aus § 87 HGB erhebliche Bedeutung.
Umfang der Provision und Kausalität
Des Weiteren bedarf es genauerer Vereinbarungen über den Umfang der provisionspflichtigen Tätigkeit. Begehren die Parteien übereinstimmend, dass nur die Vermittlung über bestimmte Finanzprodukte vergütet werden soll, so ist dies im Vertrag festzuhalten. Andernfalls ist davon auszugehen, dass alle im Warenkorb befindlichen Produkte provisionspflichtig sind.
Folgen für die Praxis
Mit dem Handwerkszeug, das ihnen die Regelungen im HGB zu Handelsvertretern (§§ 84 ff. HGB) zur Verfügung stellen, können Finfluencer in nachvollziehbarer Weise alle Rechte eines Handelsvertreters geltend machen. Besonders wichtig ist dies für den Provisionsanspruch nach § 87 HGB.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH reicht die Einstandspflicht des Unternehmers für Handelsvertreter sehr weit. Das mit dem Finfluencer kooperierende Finanzunternehmen muss sich grundsätzlich die Handlungen von Finfluencern als Handelsvertreter und deren Wissen zurechnen lassen. Juristisch begründet wird diese Haftungszurechnung mit der analogen Anwendung des § 166 BGB. Sofern der Finfluencer als Abschlussvertreter handelt, gilt im Verhältnis zum Unternehmer für die Zurechnung von Wissen und Nichtwissen ohnehin § 166 BGB in unmittelbarer Anwendung.
Ferner kommt eine Haftung des Unternehmers für Handlungen des mit seinem Willen tätigen Finfluencers nach den allgemeinen Regeln über die Zurechnung von Hilfspersonen und Erfüllungsgehilfen. So haftet beispielsweise ein Finanzdienstleister gegenüber Kunden für Schäden, die diesen durch die Veruntreuung von Zertifikaten und Fondsanteilen durch einen zur Vertriebsorganisation gehörenden Handelsvertreter entstehen. Im Hinblick auf die Vertragsgestaltung relevant ist hier § 278 Abs. 1 S. 2 BGB, der zumindest einen Haftungsausschluss für vorsätzliches Handeln des Erfüllungsgehilfen erlaubt. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang allerdings Einschränkungen durch Klauselverbote, insbesondere durch § 309 Nr. 7b BGB, wonach ein formularmäßiger Ausschluss der Haftung für grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzungen unwirksam ist.
Ferner kommt auch eine Haftungszurechnung nach § 831 BGB für sogenannte Verrichtungsgehilfen in Betracht. Relevant sind in diesem Zusammenhang insbesondere Rechtsverletzung im Zusammenhang mit der Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
Dies ist nur dann zu verneinen, wenn die Verfehlung des Finfluencers sich von dem ihm übertragenen Aufgabenbereich so weit entfernt, dass aus der Sicht eines Außenstehenden ein innerer Zusammenhang zwischen dem Handeln des Handelsvertreters und dem allgemeinen Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben nicht mehr zu erkennen ist.
Ein Gastbeitrag von Peter Gundermann, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
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