Grenzen verschwimmen
04.02.2014
Das Geschäft mit Unfallversicherungen ist längst nicht mehr so lukrativ wie es einmal war. Das liegt vor allem daran, dass im Vertrieb Unfall, Pflege und BU um die Budgets der Kunden konkurrieren. Nutznießer sind die Kunden, denen die Versicherer immer weiter entgegenkommen.
Die Zeiten zweistelliger Wachstumsraten in der privaten Unfallversicherung sind lange vorbei. Laut dem GDV gab es nur magere 0,5 % bei den Bruttobeiträgen und laut BaFin-Statistik liegt die Bruttoschadenquote im Branchendurchschnitt seit 2008 konstant über 50 %. Die Versicherer versuchen deshalb, die Absicherungsdichte mit Bündelprodukten und der Ausweitung der Unfalldefinition wieder zu erhöhen. Vermeintlicher Nutznießer ist der Kunde: Es gibt nicht nur mehr Leistungen, es werden auch deutlich mehr Risiken prämienfrei mitversichert. Bei der ARAG ist man bspw. überzeugt, dass die Produktleistungen der Unfallversicherung künftig nicht mehr vor Spartengrenzen halt machen werden. „Wir gehen davon aus, dass sich Unfallprodukte zu ganzheitlichen Problemlösern mit Kapital- und Serviceleistungen entwickeln werden und künftig auch Vorsorgethemen aus der Kranken- und Lebensversicherung wie Pflege und Berufsunfähigkeit bedienen können", prognostiziert Dr. Matthias Maslaton, Vorstand Produkt und Innovation bei der ARAG SE. Ab Mitte Februar 2014 wird die ARAG mit dem „Existenz-Schutz" eine neue Invaliditätsversicherung einführen, die bei Unfall, aber auch im Pflegefall, bei schweren Organerkrankungen und bei Verlust körperlicher und geistiger Grundfähigkeiten, eine Rentenleistung versichert. Wird im Leistungsfall außerdem Hilfe im Haushalt oder in der Pflege benötigt oder gibt es Rechtsfragen, wird auch das durch die neue Police abgedeckt."
Von einer Krise bei der Unfallversicherung will man auch bei HanseMerkur nichts wissen. „Die Anforderungen des Marktes und der daraus resultierende Wettbewerb verändern nahezu alle Produkte über die Zeit", sagt Holger Ehses, Vorstand für Kundenservice und Organisationsentwicklung. Wie in anderen Sparten auch, spielt hier der demografische Wandel ebenso eine wichtige Rolle. Dadurch verändern sich natürlich auch die Kundenstrukturen. Und darauf müssen die Versicherer nun reagieren. „Wir müssen auf zunehmende Vorerkrankungen und steigende Schadenfrequenzen produktseitige Antworten finden", meint Ehses. Dass die Grenzen zwischen den Sparten künftig immer mehr verschwimmen werden, glaubt man in Hamburg hingegen nicht, obwohl seit Jahren die Produktangebote mit Hilfs- und Pflegeleistungen zunehmen. Ehses sieht vielmehr den Vertrieb in der Pflicht: „Der Vertrieb muss die Herausforderung meistern, bedarfsgerecht zwischen den Produktwelten der BU- und Unfallversicherung eine optimale Lösung für den Kunden zu entwickeln."
Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass die Versicherer es dem Vertrieb nicht unbedingt leichter machen, den Spagat zwischen Kranken-, Leben- und Unfallversicherung mit konkurrierenden Kundenbudgets zu meistern, wenn sie die Produktgrenzen immer weiter aufweichen. Die Gefahr hierbei ist, dass auch der Kunde auf der Strecke bleibt. Eine Vielzahl neuer Versicherungsprodukte mit vermeintlich mehr Leistungen kann am Ende am individuellen Kundenbedarf vorbeigehen.
(Julia Thiem)