„Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit sind entscheidend“
24.06.2024
Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender, im finanzwelt-Interview - Foto: © Stuttgarter Lebensversicherung a.G.
In den vergangenen zehn Jahren konnte die Stuttgarter Lebensversicherung gegen den Markttrend überdurchschnittlich wachsen. Statt auf einmalige Aktionen, unseriös geringe Beiträge oder zu hohe Provisionen setzt das Unternehmen auf den Erfolgsfaktor Beständigkeit. Im Interview spricht Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lebensversicherung a.G., über die zentralen Herausforderungen der Branche, den Fokus auf freie Vermittler, die weitere Geschäftsentwicklung und den Wachstumstreiber bAV.
finanzwelt: Herr Dr. Bader, wo sehen Sie aktuell die wichtigsten Herausforderungen für den deutschen Lebensversicherungsmarkt?
Dr. Guido Bader: Die Herausforderungen für die deutschen Lebensversicherer resultieren derzeit weniger aus ökonomischen als aus regulatorischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen. Konsequent ignoriert die Bundesregierung die sich seit Jahrzehnten abzeichnende demografische Entwicklung. Statt verbesserte Rahmenbedingungen für die dringend erforderliche private und betriebliche Altersvorsorge zu schaffen, werden Bürger, Unternehmen und Versicherer mit regulatorischen und bürokratischen Auflagen überzogen. Kosten und Nutzen der Regulatorik stehen in keinem Verhältnis mehr, was letztlich zulasten der Versicherungsnehmer geht.
finanzwelt: Wann rechnen Sie mit einer Anhebung des Höchstrechnungszinses und welche Auswirkungen wird dies für die Branche nach sich ziehen?
Dr. Bader: Mehrfach haben Aktuare, GDV oder auch Unternehmensvertreter auf die Notwendigkeit einer schnellen Entscheidung hingewiesen. Auch hier bleibt die Politik bislang untätig – eine Anhebung zum 01.01.2025 erscheint zunehmend unwahrscheinlicher. Dabei hätte eine Anhebung des Höchstrechnungszinses auf 1 %, wie von der DAV vorgeschlagen, für die Verbraucher sehr positive Auswirkungen: Risikoprodukte wie BU, EU, Grundfähigkeit und Risikoleben würden spürbar günstiger, garantierte Rentenfaktoren könnten angehoben werden. Auch höhere Garantien in Prozent der gezahlten Beiträge wären wieder möglich, was die Riester-Rente wiederbeleben würde.
finanzwelt: Wie hat sich das Geschäftsjahr 2023 bei der Stuttgarter LV entwickelt?
Dr. Bader: Wir sind mit dem Geschäftsjahr 2023 sehr zufrieden. Während der Markt deutlich an Beiträgen eingebüßt hat (- 5 %), konnten wir unsere gebuchten Beiträge leicht (+ 0,1 %), unseren Bestand an laufendem Beitrag (+ 2,6 %) sogar signifikant ausbauen. Auch das Finanzergebnis war sehr erfreulich. Unser Eigenkapital haben wir auf nunmehr 200 Mio. Euro und die freie RfB, also die Mittel für die künftige Überschussbeteiligung, um 15 Mio. gesteigert. Dies spiegelt sich in einer weit marktüberdurchschnittlichen Solvabilitätsquote von fast 500 % ohne Übergangsmaßnahmen wider.
finanzwelt: In den vergangenen – für die Branche sehr herausfordernden – zehn Jahren konnten Sie gegen den Markt überdurchschnittlich wachsen. Was sind Ihre zentralen Erfolgsfaktoren?
Dr. Bader: Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit sind entscheidend für unser kontinuierliches Wachstum. Wir wachsen nicht über einmalige Aktionen, unseriös geringe Beiträge oder zu hohe Provisionen. Wir versuchen einfach, jeden Tag ein bisschen besser zu werden: In unserem Produktangebot, in der Betreuung unserer Geschäftspartner, im Kundenservice und in unseren Finanzkennzahlen. Diese Beständigkeit zeichnet uns als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit aus und führt zu unserem nachhaltigen Erfolg.
finanzwelt: Ein großer Wachstumstreiber war 2023 das bAV-Geschäft. Was sind die Gründe dafür? Wie wird sich dieser Bereich 2024 weiterentwickeln?
Dr. Bader: Marktweit sind steigende Anteile der bAV am Neugeschäft der Lebensversicherer zu beobachten. Das ist nur konsequent, da die bAV für sehr viele Arbeitnehmer ein gutes und effizientes Produkt darstellt – steuerlich gefördert und mit hohem Ansehen in der Öffentlichkeit. Mich freut natürlich insbesondere, dass die Stuttgarter deutlich über dem Markt im bAV-Neugeschäft zulegen konnte. Der Anteil der bAV am Neugeschäft macht inzwischen gut ein Drittel aus. Nach dem gewaltigen Anstieg im bAV-Neugeschäft rechnen wir 2024 vorsichtig mit einer Seitwärtsbewegung.
finanzwelt: Wie sind Sie im Bereich Nachhaltigkeit aufgestellt? Wie entwickelt sich aktuell die Kundennachfrage? Welche Herausforderungen gilt es hier zu meistern?
Dr. Bader: Die Stuttgarter war mit der Einführung der ‚GrüneRente‘ 2013 der Pionier bei nachhaltigen Lebensversicherungsprodukten. Inzwischen bieten wir unsere komplette Produktlinie auch in nachhaltiger Version an. Allerdings macht uns die Überregulierung im Bereich der Nachhaltigkeit zu schaffen. Viele Vorschriften erzeugen hohe Kosten und vermiesen unseren Geschäftspartnern und Kunden die Lust auf nachhaltige Produkte. Leider erreicht auch hier der Gesetzgeber das Gegenteil von dem, was er bezwecken möchte.
finanzwelt: Welche neuen Trends gibt es in Ihrer Vertriebsstrategie?
Dr. Bader: Wir sind und bleiben ein Spezialist für freie Vermittler. Auch hier gilt es, nicht kurzfristigen Trends hinterherzulaufen, sondern kontinuierlich den Service für die Makler zu verbessern. Dies ist besonders im Bereich der Technik und der Digitalisierung der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Vermittler ein kontinuierlicher Optimierungsprozess.
finanzwelt: Wie ist Ihr Ausblick für den weiteren Geschäftsverlauf für dieses Jahr? Welche wichtigen Ziele stehen auf Ihrer Agenda?
Dr. Bader: Wir erwarten auch 2024 ein erneut wachsendes Neugeschäft – entgegen dem Markttrend. Unser Neugeschäft ist deutlich im Plus gegenüber dem Vorjahr und der Bestand an laufenden Beiträgen hat inzwischen die 600 Mio. Euro Marke übersprungen. Intern arbeiten wir an größeren Projekten wie der Einführung eines neues Bestandsführungssystems und eines neuen In- und Exkassosystems. Unser Anspruch ist, dass unsere Kunden und Geschäftspartner diese großen internen Anstrengungen gar nicht bemerken, sondern der Service in gewohnter Weise mit hoher Qualität weiterläuft. Bislang gelingt uns das ganz gut. (mho)