Gar nicht schlecht

26.10.2020

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Das Durchschnittsalter aller Anspruchsteller lag bei 44,17 Jahren. Je nach Krankheitsbild schwankte der Anteil der Anerkennungen deutlich. Bei Krebs wurden über 90 % der Anträge auf BU-Leistungen anerkannt. Die meisten Antragsteller mit diesem Befund zählten zur Altersgruppe 50 Jahre oder älter. Ganz anders das Bild bei psychischen Erkrankungen. Hier wurden mehr als ein Viertel aller Anträge abgelehnt. Das lässt dann allerdings doch aufhorchen. Die höchste BU Leistungsquote findet sich bei den 54-Jährigen, die niedrigste bei Menschen von 32 Jahren. Bis zu diesem Alter ist die Ablehnungsquote fast immer höher als die Zahl der Anerkennungen. Ablehnungen bei Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und Bindegewebes (27,05 %) sowie Kreislauferkrankungen (15,2 %) liegen zwischen diesen beiden Polen.

Das Bild täuscht

Wie Statistiken belegen, wird jeder vierte Erwerbstätige im Laufe des Erwerbslebens berufsunfähig. Aber trotzdem ist aktuell nicht einer von vier Menschen im arbeitsfähigen Alter betroffen. Um dies zu wissen, muss man sich nur im Bekannten- und Kollegenkreis umschauen. Wie passt das also zusammen? Die Leistungspraxisstudie liefert eine plausible Erklärung: Die durchschnittliche Leistungsdauer beträgt rund sechs Jahre. Da es bekanntlich auch langandauernde Leistungen gibt, drücken viele Fälle, zu denen nur kurze Zeit geleistet wird, den Durchschnitt. Das erklärt laut Franke und Bornberg, warum trotz des statistischen Erfahrungswertes die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit eine andere ist. Es sind schlicht nicht alle Betroffenen ein Leben lang und insbesondere nicht gleichzeitig berufsunfähig. Zum Thema Zeit: Die Regulierungsdauer misst Franke und Bornberg vom Zeitpunkt der Meldung der vermuteten Berufsunfähigkeit bis zur Leistungsentscheidung des Versicherers (Datum des Postausgangs). Zwar konnte ein positiver Trend zur Verkürzung der Bearbeitungszeiten ab Erstmeldung des Kunden sowie für die Auswertung des Fragebogens beobachtet werden. Für die gesamte Regulierung gilt dies jedoch nicht. Hier verfestigt sich seit Jahren eine durchschnittliche Dauer von rund 180 Tagen – also rund einem halben Jahr. Für die Betroffenen ist das häufig eine Zumutung. Prozessverbesserungen auf der einen Seite würden offensichtlich durch negative Einflussfaktoren auf der anderen Seite konterkariert, sagen die Analysten. Das betreffe z. B. den Zeitaufwand von Gutachten. So schlage ein psychiatrisches Gutachten mit einer mittleren Durchlaufzeit von 105 Tagen zu Buche. „Der große Vorteil der Berufsunfähigkeitsversicherung, individuell auf den jeweiligen Beruf abgestellt zu sein, bringt einen zeitlichen Nachteil mit sich“, erläutert Michael Franke. Eine individuelle Prüfung erfordere jedoch deutlich mehr Zeit als ein schematisiertes Vorgehen wie beispielsweise zur gesetzlichen Erwerbsminderungsrente. „Über diesen Sachverhalt lohnt es sich zu sprechen. Höchstmögliche Transparenz ist das beste Mittel gegen pauschalisierte Vorwürfe.“ Daran mangele es jedoch noch deutlich. Nicht zuletzt zeige sich das auch an der Zahl der untersuchungsbereiten Versicherer. (hdm)