Finesse statt Hausmannskost
01.12.2014
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Das Geschäft der PKV gehört eindeutig der Zusatzversicherung, die Vermittler tun sich hiermit bei ihren Kunden leichter als mit Vollversicherungen. Einen zusätzlichen Schub gibt ihnen die Beratung bei Unternehmen. Denn deren Mitarbeiter verlangen nach betrieblichen Zusatzpolicen. Gefahr droht allerdings von Seiten der Politik. Ihr täte mehr Einsicht in Notwendigkeiten gut.
Der Zulauf zu privaten Vollversicherungen ließ in den vergangenen Jahren eher zu wünschen übrig, dafür entwickelte sich das Neugeschäft mit Zusatzversicherungen gut. Neuesten Zahlen des PKV-Verbandes zufolge ist der Bestand an Voll- und Zusatzpolicen zwar insgesamt auf über 32,4 Millionen Verträge gewachsen. Doch die Zahl neu abgeschlossener Rundum-Versorgungen ist 2013 gegenüber 2012 sogar um 0,7 % gesunken. Hingegen konnten die Vermittler 2 % mehr Zusatzversicherungen abschließen. Sie machen mit mittlerweile 23,5 Millionen Verträgen den größten Teil der Privatpolicen aus. Die gesetzlich versicherten Bundesbürger wissen mittlerweile sehr gut, was sie in Kliniken und bei Ärzten erwartet, wenn sie nur ihre Gesundheitskarte vorlegen können: Hausmannskost statt Leistung auf höchstem medizinischen Niveau.
Muss am Ende die PKV fürchten, dass das steigende Interesse an Zusatzschutz zur GKV-Mitgliedschaft der Vollversicherung schon mittelfristig das Wasser abgräbt? Vorstandsvorsitzender der Gothaer Krankenversicherung Michael Kurtenbach hat diese Befürchtung nicht: „Die Zusatzversicherungen stellen zwar ein zunehmend wichtiger werdendes Standbein für die privaten Krankenversicherer dar, und ihre Bedeutung wird in Zukunft sicherlich auch noch zunehmen. Hauptgeschäftsfeld ist und bleibt aber weiterhin die Krankenvollversicherung." Dennoch rückt die private Zusatzversicherung weiter in den Fokus. Erst kürzlich hat die HanseMerkur bekannt gegeben, die CSS zu übernehmen, die in der Vergangenheit mit aggressiver Preis- und Tarifpolitik von sich reden machte. Eberhard Sautter, Vorstandsvorsitzender der HanseMerkur Versicherungen, erklärt seine Strategie: „Die Mehrheitsbeteiligung an der CSS Versicherung hilft uns, eines unserer strategischen Ziele, den deutlichen Ausbau unseres Anteils am Krankenzusatzversicherungsmarkt – auch im Bereich des Maklervertriebs – schneller und nachhaltiger zu erreichen. Die demografische Entwicklung wird dafür sorgen, dass der Bedarf in diesem Segment, das erst 23 Millionen Verträge zählt, deutlich steigen wird." Darüber hinaus sei das Engagement in Liechtenstein aber auch von großer Bedeutung für die Internationalisierungsstrategie und das Wachstum der Reiseversicherung der HanseMerkur, die den großen Partnern im Reise-Vermittlermarkt auch in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) vor Ort als kompetenter Dienstleister zur Verfügung stehen müsse. Nach der Eröffnung eines Verkaufsbüros der HanseMerkur Reiseversicherung in Wien im Jahre 2012 ermögliche die Liechtensteiner Beteiligung nun auch einen eigenen Zugang zum Schweizer Markt.
Den Zusatzpolicen steht im Hinblick auf den „War for talents" der Wirtschaft eine blühende Zukunft bevor. Das Stichwort heißt betriebliche Krankenversicherung (bKV).Hierzu hat der PKV-Verband aktuelle Befragungsergebnisse vorgelegt. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA zufolge wünschen sich 63 % der Angestellten einen solchen Versicherungsschutz. Jeder zweite würde eine derartige Krankenversicherung anderen Zusatzleistungen vorziehen. Auch viele Unternehmen zählten das Angebot einer zusätzlichen Gesundheitsvorsorge zu den wichtigsten Zusatzleistungen für ihre Beschäftigten. Damit sei die bKV ein gutes Instrument bei der Werbung um qualifizierte Arbeitskräfte, dessen Bedeutung angesichts des Fachkräftemangels noch stark zunehmen werde.
Die Ergebnisse der Studie decken sich mit Erkenntnissen des Beratungsunternehmens Towers Watson. „Gerade in den Bereichen Alters- und Gesundheitsversorgung gibt es eine starke Erwartungshaltung der Arbeitnehmer", erklärt Dr. Thomas Jasper, Leiter des Bereichs Retirement Solutions beim Unternehmen. „Die Unternehmen nehmen diese Verunsicherung wahr und zeigen eine große Bereitschaft, sich in diesen Bereichen stärker zu engagieren." Schon beizeiten hatte Towers Watson in seiner Studie „Kranken-Zusatzversicherung – Bedarf an Gesundheitsleistungen" von einem riesigen Geschäftspotenzial gesprochen. Danach sahen fast zwei Drittel der Arbeitnehmer (63 %) Lücken im Leistungsangebot der GKV, nahezu jeder Zweite (49 %) hielt private Zusatzpolicen für unverzichtbar. 58 % der Befragten wünschten sich eine arbeitgeberfinanzierte bKV.
Einen Rückschlag für die bKV und damit auch für die Vermittler könnte es jedoch bedeuten, wenn die politischen Gremien in Berlin dieses Modell nicht mehr als steuerfreie Sachleistung für die Beschäftigten durchlassen und den Wegfall der steuerlichen 44-Euro-Regelung zementieren. Zu dieser Frage gibt es derzeit Beratungen und Anhörungen, obwohl ein vom PKV-Verband in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten die im vergangenen Jahr mit einem BMF-Schreiben verkündete Kappung des Steuervorteils im Widerspruch zur einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sieht. Michael Johnigk, Vertriebsvorstand der SIGNALIDUNA Gruppe, hat dazu eine klare Meinung: „Steuerliche Anreize bei der betrieblichen Krankenversicherung sind besonders für kleinere Betriebe attraktiv. Deshalb war hier die Steuerfreiheit ein wichtiges Verkaufsargument. Wir erwarten deshalb von der Politik, dass sie dieses wichtige Instrument zur Mitarbeiterbindung im Mittelstand wieder einführt." Dr. Walter Botermann, Vorstandschef des ALTE LEIPZIGER-HALLESCHE Konzerns, sieht der weiteren Entwicklung deutlich gelassener entgegen: „Schon bisher war es so, dass sich die Pauschalversteuerung anbot – beispielsweise wenn die 44-Euro-Grenze bereits anderweitig ausgeschöpft war. Vor allem aber liegt die Attraktivität der bKV nicht zuvorderst im Steuervorteil, sondern im gesamten Paket. Viel wichtiger ist es den Unternehmen, ihre Mitarbeiter mit der Förderung deren Gesundheit langfristig an das Unternehmen zu binden." _(hwt)
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