Finanzberatung im Wandel – Perspektiven für die Zukunft

12.08.2024

Moritz Schüßler. Foto: © Vanguard

Beratung ist ein Muss. Speziell in finanziellen Angelegenheiten bedarf es der scharfsinnigen Einschätzung des Experten. Doch auch diesbezüglich hält der Geist des Fortschritts immer mehr Einzug in den Alltag. Inwiefern kann der Faktor Mensch durch Technologie ersetzt werden? Ein Bündel an Fragen, das die finanzwelt-Redaktion mit Moritz Schüßler, Head of Intermediated Retail Germany bei Vanguard, erörterte.

finanzwelt: Wie nehmen Sie die Investmentlandschaft und Stimmung bei den Kunden derzeit wahr?

Moritz Schüßler» In Deutschland hat sich in den letzten Jahren die Meinung zu Finanzen gewandelt. Wir sehen einen Trend innerhalb der Bevölkerung, weg von einer gewissen Skepsis, hin zu einer positiven Einstellung gegenüber den Kapitalmärkten. Denn in den vergangenen Jahren ist der Anteil jener Deutschen, die investieren, kontinuierlich gestiegen – wie aus einer Statistik des Deutschen Aktieninstituts (DAI) hervorgeht. Gerade bei der jüngeren Generation der 20- bis 29-Jährigen hat sich vermehrt die Erkenntnis durchgesetzt, dass die gesetzliche Rente nicht ausreichen wird. Rund die Hälfte der unter 30-Jährigen beschäftigen sich daher mit den unterschiedlichen Optionen einer privaten Altersvorsorge – das zeigt eine Umfrage des Gesamtverbands der der Deutschen Versicherungswirtschaft. Die Kehrseite der Medaille: Gerade diese jüngeren Menschen vertrauen bei der Kapitalanlage besonders oft auf den Rat von Onlineportalen. Denn diese versprechen vermeintlich unkomplizierte Lösungen. Doch hier ist durchaus auch Vorsicht geboten. Damit am Ende nicht die Enttäuschung überwiegt, ist eine vollständige Aufklärung und ein erweitertes Bildungsangebot unabdingbar. Für all diejenigen, die noch überhaupt nicht am Kapitalmarkt investiert sind, gilt das ohnehin.

finanzwelt: Welche zentralen Themen, Entwicklungen und Herausforderungen sieht Vanguard für Berater, Asset-Manager und Anleger in der nahen Zukunft?

Schüßler» Angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland und der daraus resultierenden Rentenlücke müsste die Zahl der Anleger noch deutlicher sein. Hier sind neben der Politik insbesondere auch die Asset-Management- und Berater-Branche gefragt, Verantwortung zu übernehmen und die Investmentkultur weiter zu stärken. Dafür bedarf es eines fairen Angebots für einen langfristig orientierten Vermögensaufbau sowie einer aktiven Aufklärungsarbeit durch qualifizierte Finanzberater. Die Einführung des Generationenkapitals ist ein erster Schritt seitens der Politik, um die Altersvorsorge zu reformieren.

finanzwelt: Wie verändern sich die Kundenpräferenzen bei Fondsprodukten und Investmentlösungen?

Schüßler» Der ETF-Markt in Deutschland entwickelt sich sehr dynamisch – gerade die Sparpläne. So hat sich die Zahl der ETF-Sparpläne zwischen 2020 und 2023 laut Markterhebungen bei den führenden (Online-)Banken und Brokern auf gut acht Millionen Sparpläne signifikant erhöht. Das ist laut DAI vor allem auf jüngere Anleger zurückzuführen. Immer mehr von ihnen erkennen, dass ETFs für die langfristig orientierte Kapitalanlage prädestiniert sind. Mit ihnen lassen sich die vier Grundprinzipien der langfristig orientierten Kapitalanlage einfach umsetzen: langfristige und realistische Ziele festlegen, breit diversifizieren, Kosten kontrollieren und die eigene Strategie diszipliniert verfolgen. Interessant sind hierbei auch Komplettlösungen wie unsere LifeStrategy- ETFs. Diese bieten eine strategische Asset-Allokation mit verschiedenen Aktien-/Anleihen-Gewichtungen für unterschiedliche Anlegerziele und Risikoprofile.

finanzwelt: Wie wird sich die Zusammenarbeit zwischen Asset-Managern und Vermittlern/Beratern in Zukunft gestalten?

Schüßler» Gerade in Zeiten eines kaum noch überschaubaren Angebots an Finanzinformationen und -dienstleistungen gewinnt eine hochwertige Finanzberatung, die den Anlageerfolg der Kunden in den Mittelpunkt stellt, zunehmend an Bedeutung. Asset-Manager müssen Berater in dieser neuen Beratungswelt bestmöglich unterstützen, indem sie ihnen die richtigen Werkzeuge und Informationen an die Hand geben. Die Zusammenarbeit der Zukunft basiert auf ganzheitlicher Beratung mit Fokus auf Finanzplanung, Asset-Allokation und Verhaltenscoaching – und weniger auf der Jagd nach Performance durch Einzeltitelselektion.

finanzwelt: Welche Auswirkungen haben KI und Automatisierung auf die Finanzberatung?

Schüßler» Automatisierte Prozesse und KI verändern naturgemäß auch die Finanzberatung. Einige der wichtigsten Leistungen und Aufgaben qualifizierter Finanzberater werden sie aber bis auf Weiteres nicht übernehmen. Etwa ein Vertrauensverhältnis zum Kunden aufzubauen und diesem als Finanzcoach zur Seite zu stehen. In dieser Funktion unterstützt ein Berater Anleger dabei, ihre langfristigen Anlageziele gemäß der vier Grundprinzipien der Kapitalanlage zu erreichen. Gerade in schwierigen Marktphasen bleibt persönliche Betreuung von enormer Bedeutung.

finanzwelt: Wie wandeln sich die Kundenerwartungen in Bezug auf digitale Dienste und personalisierte Beratung?

Schüßler» Angesichts der technologischen Fortschritte erwarten Anleger heutzutage, dass sie jederzeit Zugang zu aktuellen, verständlichen und ansprechend aufbereiteten Informationen über ihre Kapitalanlagen erhalten. Vanguard unterstützt Finanzberater hier mit entsprechenden Materialien oder technischen Lösungen und trägt dazu bei, die Kommunikation mit den Kunden zu verbessern. Zusätzlich zu den Materialien zur Vertriebsunterstützung und Online-Angeboten zur Wissensvermittlung gehören auch individualisierbare und maßgeschneiderte Inhalte dazu, die direkt für die Kundenkommunikation genutzt werden können.

finanzwelt: Wie können Finanzberater in diesem sich verändernden Umfeld weiterhin Mehrwert für ihre Kunden schaffen?

Schüßler» Finanzberater sollten sich stets an den bekannten vier Prinzipien der Kapitalanlage orientieren, ausschließlich den Anlageerfolg ihrer Kunden im Blick haben sowie faire und transparente Vergütungsmodelle anbieten. Eine hochwertige und umfassende Kundenbetreuung, bei der Berater ihre Anleger langfristig als Coach begleiten, schafft nicht nur Vertrauen, sondern auch ökonomische Mehrwerte. Gerade in komplexen Marktphasen ist die persönliche Betreuung durch den Berater unersetzlich. Um für diese anspruchsvolle Aufgabe mehr Zeit zu haben, ist die Automatisierung von Prozessen, etwa durch Modellportfolios, essenziell. (ah)