Fehlende Fusionen: geringes Transaktionsvolumen
06.07.2016
Helge Scheunemann
Zwar liegt das Transaktionsvolumen auf dem Wohnportfolio-Investmentmarkt im zweiten Quartal 2016 mit 2,3 Mrd. Euro um 300 Mio. Euro über dem Ergebnis der ersten drei Monate, in der Summe muss für das gesamte erste Halbjahr mit ca. 4,4 Mrd. Euro bei 42.000 Wohneinheiten aber ein deutlich geringeres Resultat als im Vergleichszeitraum des Rekordjahres 2015 (-75 Prozent) notiert werden.
(fw/rm) Das gilt auch im Vergleich zum 5-Jahresschnitt (- 50 Prozent). Es ist das schwächste Halbjahresvolumen seit 2011. Der Mangel an Großtransaktionen ist nach wie vor eklatant. Die fünf größten Transaktionen bis zur Jahresmitte addieren sich auf gerade einmal 690 Mio. Euro, Lichtjahre entfernt von den 12,7 Mrd. Euro im Halbjahr 2015. Auch die Anzahl der Transaktionen lässt keine Beruhigung aufkommen. Die liegt nämlich mit weniger als 200 Verkäufen zwar ebenfalls zweistellig, wenn auch nicht ganz so dramatisch unter der Anzahl des Vergleichszeitraums in 2015 (- 17 Prozent). Ein Trend zu kleineren Transaktionen zeichnet sich in diesem Jahr ab. Zumindest bis dato umfasst die durchschnittliche Portfoliogröße 224 Wohnungen, damit fast 70 Prozent unter dem 5-Jahres-Schnitt. „Grundsätzlich zeichnen sich mehrere Trends auf dem Transaktionsmarkt für Wohnimmobilien ab. Zum einen werden u.a. aus den Beständen der fusionierten Wohnkonzerne Teilportfolios bzw. Objekte herausgelöst, die nicht in die Gesamtstrategie des jeweiligen Unternehmens passen. Zu solchen Bereinigungsverkäufen gehört z.B. der Verkauf von mehr als 1.000 Wohnungen der Vonovia aus dem Bestand der ehemaligen Gagfah im ersten Quartal an den Asset Manager Noctua und eine Privatstiftung“, so Dr. Konstantin Kortmann, bei JLL Head of Residential Investment Germany. Darüber hinaus zeige die Fertigstellung von fast 250.000 Wohnungen - laut Statistischem Bundesamt der höchste Zuwachs an Wohnungen seit 2006 - dass die Nachfrage nach neuen Wohnungen anhält, mit Auswirkungen auf den Projektentwicklungsmarkt. „Bereits seit einigen Jahren steigt die Zahl von Forward Transaktionen mit institutionellen Investoren stark an. Mittlerweile sind fast ein Viertel aller Transaktionen in diesem Segment zu verorten“, so Kortmann. Im ersten Halbjahr 2016 wurden mit mehr als 1,2 Mrd. Euro fast 30 Prozent des Gesamttransaktionsvolumen in Projektentwicklungen investiert, damit bereits nach sechs Monaten mehr als die Hälfte vom gesamten Vorjahr (u.a der Kauf des Wohnteils des Neubau-Quartiers „Box Seven“ im Berliner Friedrichshain mit mehr als 200 Wohnungen an die Patrizia im April, das bis 2018 fertig gestellt wird). „Auch der Trend zu Mikroapartmenthäusern und privaten Studentenapartments mit einer attraktiven Verzinsung nimmt zu“, so der Wohnungsexperte. Zwischen Januar und Ende Juni wurden in diesem Spezialsegment mehr als 300 Mio. Euro investiert, beispielsweise beim Headquarter-Portfolio mit ca. 1.000 Studentenwohnungen in vier deutschen Universitätsstädten durch die britische GSA, die damit auf dem deutschen Markt für Studentenwohnheime Fuß fassen möchte.
Auch der Wohnungsmarkt wird immer internationaler
Der internationale Anteil der Investoren auf dem deutschen Wohnungsmarkt ist im ersten Halbjahr auf fast ein Viertel des investierten Kapitals gestiegen (H1 2015: 13 Prozent). „Es kann darüber spekuliert werden, ob im Zuge des Brexit der Wohninvestmentmarkt Deutschland als sicherer Hafen insbesondere für Investoren aus Asien einen weiteren Bedeutungsgewinn erfahren und damit der internationale Anteil der Investoren weiter steigen wird“, meint Kortmann. Fakt sei, dass in Krisen und in Zeiten relativer Unsicherheit, risikoarme und defensive Investitionsmöglichkeiten gesucht werden. „Unzweifelhaft gehören deutsche Wohnimmobilien dazu.“ Die Attraktivität des deutschen Wohnungsmarktes ist seit einigen Jahren nicht nur durch steigende Mieten, sondern insbesondere durch die steigenden Kaufpreise in den Metropolen charakterisiert. Die durchschnittlichen Kaufpreise für gewerblich gehandelte Wohnungen und Wohnportfolios legten im ersten Halbjahr auf über 100.000 Euro/Wohnung zu. Noch vor fünf Jahren lag dieser Preis bei unter 60.000 Euro/Wohnung. Bei einer Forward Transaktion muss sogar fast 250.000 Euro/Wohnung kalkuliert werden, 30 Prozent mehr als noch 2011. „In Bezug auf den Ab- und Aufbau von Immobilienvermögen durch Kauf- bzw. Verkaufsaktivitäten waren bis zur Jahresmitte Deutsche Spezialfonds jene mit dem höchsten Vermögensaufbau. Viele institutionelle Investoren nutzen dieses Vehikel, um indirekt in Immobilien zu investieren“, so Helge Scheunemann, Head of Research Germany JLL. Fast 1 Mrd. Euro Vermögenszuwachs hätten diese Vehikel im genannten Zeitraum erfahren, damit deutlich im Plus gegenüber 2015. „Beachtlich ist auch der Vermögensaufbau bei den Asset/Fondsmanagern von etwas weniger als 950 Mio. Euro, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass 2015 noch netto 11 Mrd. Euro abgezogen wurden. Auch diese Player profitieren offensichtlich vom Geldzufluss institutioneller Investoren auf der Suche nach höheren Renditen als es die Staatsanleihen bieten können“, so der Chefresearcher. Berlin ist und bleibt der Standort für Wohninvestments in Deutschland. Ein Viertel bzw. mehr als 1 Mrd. Euro wurden in der Hauptstadt investiert, gefolgt von Hamburg (320 Mio. Euro) und - überraschenderweise Leipzig (280 Mio. Euro), wo zahlreiche kleinere Transaktionen, aber auch der Rückkauf eines Portfolios durch eine Leipziger Wohnungsgesellschaft stattgefunden haben. „Die Prognose für 2016 muss angesichts des vergleichsweise niedrigen Umsatzes in den ersten sechs Monaten nach unten angepasst werden“, so Scheunemann. Und weiter: „Dies trotz der zunehmenden Attraktivität des deutschen Wohninvestmentmarktes für internationale Investoren in Verbindung mit dem anhaltenden Boom beim Verkauf von Projektentwicklungen und Spezialwohnsegmenten einerseits und trotz der soeben eingeleiteten Konsolidierungsphase bei den zuletzt fusionierten Bestandshaltern andererseits. Die 10 Mrd. Euro Marke aber dürfte im laufenden Jahr auf jeden Fall erreicht werden.“ www.jll.de