EZB marschiert in Richtung End Game
09.03.2016
Dr. Heinz-Werner Rapp, Vorstand und CIO der FERI Gruppe
Die EZB verschärft erneut ihre extreme Geldpolitik, ohne Rücksicht auf zunehmende Risiken und Nebenwirkungen für das Finanzsystem. Mit dem heute beschlossenen Maßnahmenpaket setzt die EZB ihre bisherige Ausweitung von Q.E. und Negativzinsen fort, getreu dem Motto „Viel hilft viel“.
Damit zeigen die obersten Währungshüter wenig Selbstreflektion. Sie ignorieren, dass schon bisher das Hauptziel ihrer Geldpolitik - Inflationsanstieg - deutlich verfehlt wurde. Sie blenden auch die zunehmende Kritik anderer europäischer Zentralbanken aus. Und sie scheinen bereit, trotz großer Risiken das Regime einer gezielten monetären Verwässerung noch weiter voranzutreiben als bisher vorstellbar. Die EZB ebnet damit den Weg für ein monetäres "End Game" - die faktische Übernahme von Staatsschulden durch die Zentralbanken.
Neue globale System-Risiken
Mit dem Ziel, ihre jeweiligen Länder vor einer tiefen strukturellen und ökonomischen Krise zu bewahren, vollziehen die großen Notenbanken in den USA, Europa und Japan seit Jahren immer waghalsigere Experimente. Die Bilanz nach sechs Jahren ist jedoch ernüchternd: Weder wurden die angestrebten Inflationsziele auch nur annähernd erreicht, noch hat sich irgendwo auf der Welt das Wachstum erkennbar belebt. Das Gegenteil trifft zu. Und als Nebeneffekt wurden neue globale System-Risiken heraufbeschworen. Die Stichworte dafür sind Schuldenboom und -krisen in den Schwellenländern, in China sowie im globalen Rohstoffsektor. Deren Bereinigung wirkt deflationär und wachstumshemmend, ist also den Zielen der Notenbanken genau entgegengesetzt. Ein ähnliches Paradoxon zeigt sich am massiven Kursverfall von Bankaktien: in einem Umfeld negativer Zinsen fehlt vielen Banken schlicht die Profitabilität, während gleichzeitig verstärkt Kreditausfälle bewältigt werden müssen. Vor diesem Hintergrund scheint die Logik der EZB, das Finanzsystem durch noch tiefere Negativ-Zinsen beleben zu können, eher weltfremd.
End Game der Geldpolitik
Die globale Geldpolitik hat bereits viel Pulver verschossen, aber bisher nur wenig vorzeigbaren Erfolg. Auch die US-FED scheint irritiert und relativiert bereits ihre angestrebte Zinswende. Damit stellt sich die Frage: Welche Optionen haben die Zentralbanken noch, falls die Weltwirtschaft nicht anspringt? Hier kommt ein neues Szenario ins Spiel, das in politischen Kreisen unter dem griffigen Kürzel "OMF" ("overt monetary financing") schon offen diskutiert wird: Zentralbanken könnten im Kampf gegen deflationäre Kräfte noch extremere Maßnahmen einsetzen: Ein konkretes Inflationsziel ankündigen und durch unlimitierte Geldschöpfung tatsächlich realisieren. Oder: Als Ultima Ratio könnte sogar die großvolumige Übernahme und Finanzierung von Staatsschulden durch die Notenbanken angekündigt und durchgeführt werden.
Ein solches Szenario, das in Japan ansatzweise schon zu beobachten ist, würde sich zunächst positiv auf Aktien und andere Risiko-Assets auswirken. Es wäre aber mit Sicherheit gefährlich für die Nullzins-geprägten Rentenmärkte und viele Währungen, letztlich also ein Todesstoß für das bisherige Finanz- und Währungssystem. Da derartige Szenarien nicht mehr nur theoretisch erscheinen, sollten sich strategische Investoren bereits darauf einstellen und entsprechende Vorsorge treffen.
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Autor: Dr. Heinz-Werner Rapp,_
_Vorstand und CIO der FERI AG
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