Experte bezweifelt Rechtsmäßigkeit von "bayerischer Lösung"
05.03.2021
Aufgrund der Corona-Lockdowns stand die Betriebsschließungsversicherung in den vergangenen Monaten deutlich häufiger im Fokus als sonst. Der Versicherungsrechtsexperte Prof. Dr. Hans Peter Schwintowski bezweifelt, dass der hierzu geschlossene „bayerische Kompromiss“ rechtmäßig ist. Für Makler gibt es diesbezüglich eine gute Nachricht.
Als Deutschland vor fast einem Jahr zum ersten Mal in den Lockdown ging, wurden viele Betriebe im Gastgewerbe quasi über Nacht in Existenzsorgen gestürzt, schließlich war nicht klar, inwieweit sie Ansprüche auf Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung hatten. Im April schlossen mehrere Versicherer und Interessensverbände den sogenannten „bayerischen Kompromiss“, der vorsah, dass Kunden aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe für 30 Tage als Entschädigung 15 % der vereinbarten Tagessätze erhalten sollen (finanzwelt berichtete). Dieses Angebot wirft für Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski zahlreiche Fragen auf. So bezweifelt der Experte für Versicherungsrecht, dass die Grundsätze des § 1 VVG eingehalten wurden, die besagen, dass der Versicherer bei seiner Vertriebstätigkeit gegenüber Versicherungsnehmern stets ehrlich, redlich und professionell in dessen bestmöglichen Interesse handeln müsse. In seinem Gutachten zweifelt Schwintowski an, dass die Versicherer ehrlich gehandelt hätten, schließlich hätten sie den Kunden mitgeteilt, dass auf Basis der Bedingungswerke keine Leistungsanspruch aus der BSV bestehe. Zudem wirft der Experte die Frage auf, wie sich diese Situation mit der Tatsache verhält, dass ein Jahr nach Veröffentlichung der Lösung unterschiedliche Urteile gefällt werden, sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten der Versicherer. Laut Schwintowski wäre ehrlich und korrekt gewesen, wenn die Versicherer ihre Kunden darauf hingewiesen hätten, dass unklar sei, ob ein Anspruch bestehe oder nicht.
Zudem vermisst der Rechtswissenschaftler die Redlichkeit, d.h., dass erkennbare Missverständnisse für den Versicherungsnehmer von vorneherein ausgeräumt werden. So hätten sich die Versicherer so verhalten, als bestünde der objektive Sachverhalt, dass Verluste über die BSV nicht abgedeckt wären. Dadurch sei bei vielen Versicherungsnehmern der grundsätzliche Eindruck entstanden, dass unanfechtbar feststehe, dass infolge von Corona keine Leistungen aus der BSV zu erwarten sein. Dass den Versicherungsnehmern im bayerischen Kompromiss der Verzicht auf 85 % des möglichen Leistungsanspruches angeboten wurde, widerspricht laut Schwintowski dem Handeln im „bestmöglichen Interesse des Kunden". Der Experte kritisiert zudem, dass bspw. die Allianz bspw. die 85 % Verlust nur auf 30 Tagessätze bezogen hatte. Wenn eine BSV für mehr als 30 Tagessätze bestand, gingen für den Versicherungsnehmer mehr als 85 % verloren, nach Schwintowski sogar mehr als 90 %. Im „bestmöglichen Interesse des Kunden“ wäre hingegen eine echte Kulanzleistung gewesen, keinesfalls aber ein Vergleichsangebot, bei dem Kunden 85 % ihres Anspruchs verlieren und bei einer Ablehnung sogar komplett leer ausgehen würden. Zudem wäre es im bestmöglichen Interesse des Kunden gewesen, wenn die 15 % ohne weitere Beschränkungen ausgezahlt worden wären, um offen zu halten, ob im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung höhere Ansprüche hätten geltend gemacht werden können.
In seinem Gutachten vertritt Schwintowski die Auffassung, dass Versicherungskunden auf § 249 BGB zurückgreifen und die Wiederherstellung des Zustandes verlangen können, der vorhanden wäre, wenn der sogenannte zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Mit anderen Worten: Bei einem nicht-Eintreten der Bayerischen Lösung hätten Versicherer eine Kulanzleistung in Höhe von 15 % ausgezahlt. Dem Kunden stünde es offen, für den verbleibenden Anspruch den Rechtsweg einzuschlagen und sich mit dem Versicherer vor Gericht auseinanderzusetzen. Nimmt diese für den Kunden ein positives Ende, dann müssten die Kunden auch die schon geleisteten 15 % nicht zurückzahlen.
Keine Probleme für Makler
Angesichts der oben beschriebenen Unstimmigkeiten bezüglich der Bayerischen Lösungen fragen sich viele Makler nun sicherlich, ob sie deshalb in Haft genommen werden können, wenn sie ihren Kunden dazu geraten haben. Für diese Makler hat Schwintowski eine gute Nachricht: Weil sie nicht an der Lösung mitgearbeitet hätten, liege auch dann keine Pflichtverletzung vor, wenn der Versicherungsmakler die Sachkunde und das Wissen der Bayerischen Staatsregierung, der Ministerien sowie der beteiligten Verbände nicht infrage gestellt hat. (ahu)