ESG-Regulierung: die neue Taxonomieverordnung

14.12.2021

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Zum 01. Januar 2022 tritt die nächste Etappe der europäischen Taxonomieverordnung in Kraft. Mit den neuen Anforderungen werden zwei der insgesamt sechs Nachhaltigkeitsziele messbar: Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Damit stellt die EU auch Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) von Immobilienfonds vor neue Herausforderungen.

Die wichtigsten Änderungen für KVG ist die Angabe der taxonomiekonformen Immobilien in Artikel 8- und Artikel 9- (bzw. Impact-Fonds) Fonds in den vorvertraglichen Informationen. Emittenten müssen zudem in ihren Jahresberichten veröffentlichen, ob die gesetzlichen Ziele erreicht werden. Fonds, die keine Nachhaltigkeitsziele verfolgen (Artikel 6-Fonds), also keine Investitionen in taxonomiekonforme Immobilien tätigen, müssen Anlegern offengelegt werden. Damit soll mehr privates Kapital in nachhaltige Anlagen fließen. Laut Hannah Dellemann, ESG-Beauftragte der INTREAL, sorgen trotz umfassendem Regelwerk zahlreiche offene Fragen für eine entsprechend große Unsicherheit am Markt.

Unklarheit und Fragen der praktischen Umsetzung

Die technische Expertengruppe der EU erarbeitete für den Immobilienbereich Vorgaben für vier Sparten: Neubau, Ankauf, Sanierung und weitere Dienstleistungen. Dellemann nennt dazu bereits erste Unklarheiten: „Ein Beispiel aus dem Bereich Neubau sind die Vorgaben für den Primärenergiebedarf. Dieser soll um 10 % unter den Schwellenwerten liegen, die im jeweiligen Land für ein Niedrigstenergiegebäude gelten. Hier zeigen sich auch schon exemplarisch die Probleme der Taxonomie. Diese Werte sind auf nationaler Ebene nicht einheitlich geregelt. Hinzu kommen erhebliche Unterschiede je nach Nutzungsart der Immobilie.“

Ein weiteres Beispiel seien auch die Vorgaben zum Thema Ankauf. Laut Taxonomieverordnung gilt ein Gebäude als konform, das vor dem 01. Januar 2021 erbaut wurde, wenn es entweder einen Energieausweis der Klasse A hat oder in Bezug auf den Primärenergiebedarf zu den besten 15 % seiner Klasse im nationalen oder regionalen Vergleich gehört. Doch wer bestimme in der Praxis, wie die besten 15 % definiert werden, oder was in diesem Zusammenhang regional heiße?

Alternative eigene Kriterien?

Michael Schneider, Geschäftsführer der INTREAL, erklärt ergänzend: „Die Taxonomie ist bei der Auflage von ESG-Fonds kein Muss, sondern eine Kann-Vorgabe. Eine KVG kann auch einen Artikel-8- oder Artikel-9-Fonds auflegen, ohne auf der Taxonomie aufzusetzen. Es ist für Fondsanbieter zulässig, eigene Kriterien zu entwickeln. Diese müssen überzeugend und konsistent dargelegt werden. Und die BaFin prüft diese vor dem Vertriebsbeginn natürlich gründlich. Der Markt bietet hierzu aktuell ein gespaltenes Bild. Wir beobachten einen Teil der Anbieter, der die Taxonomie anwendet, und einen Teil, der eigene Kriterien definiert. Je nach Assetklasse bietet sich nur letzteres an: das Angebot an Immobilien, welche die strengen Kriterien der Taxonomie erfüllen, ist noch sehr gering.“ Die Umsetzung der Taxonomie gestaltet sich demnach in der Praxis schwierig und viele Fondsanbieter greifen bevorzugt auf eigene Nachhaltigkeitskriterien zurück. Diese stellen also eine willkommene Alternative zu den EU-Regulierungen dar.

Ab 2023 sollen auch restlichen vier Nachhaltigkeitsziele über neue Verordnungen vorangetrieben werden. Entsprechende technische Kriterien befinden sich in der Vorbereitung. Neben Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel enthält die zukünftige Taxonomieverordnung dann auch Vorgaben zum Schutz von Wasser und Meeren, zu einem Übergang zur Kreislaufwirtschaft, zur Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung sowie zum Schutz der Ökosysteme. Da die praktische Umsetzung der ersten zwei Nachhaltigkeitsziele bereits Schwierigkeiten bringt, bleibt abzuwarten, welche Lösungen die Marktteilnehmer finden und wie sie auf erweiterte Vorgaben reagieren. (lb)