Es war einmal…?

28.07.2013

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Deutschland im Jahr 1995 – ein Paradies für Versicherungsvermittler und Lebensversicherungskunden.

Das Jahr 1995 – Die laufende Gewinnbeteiligung im Marktschnitt bei 7,4 %, dazu eine Inflationsrate von nur 1,5 %. Das Geld auf den Policen verdoppelt sich binnen 12 Jahren quasi beim Zusehen. Und das auch noch zu 100 % steuerfrei, mindestens zwölfjährige Vertragslaufzeit und nicht weniger als fünf Beitragsraten vorausgesetzt. Einmalzahlungen profitierten allerdings nicht vom Steuerprivileg. Doch auch hierfür gibt es Abhilfe. Große Summen gehen – vorzugsweise – auf Luxemburger Bankkonten und fließen von dort in fünf Jahreszahlungen zu den Versicherern ab, wo sie bis zum Ablauf fürstlich verzinst werden. Mit diesen „5+7-Plänen" ist man aus dem Schneider. Fünf Jahre zahlen, sieben Jahre warten, 100 % netto kassieren. Das macht den Kunden Spaß – und auch den Vermittlern. Obergrenzen für die Provisionen sind unbekannt, wer sich richtig ins Zeug legt, kann beim Versicherer fast jede Forderung durchdrücken. Und jeden Radiologen vor Neid erblassen lassen. Es ist auch die große Zeit der Finanzvertriebe. Man ist wer, und man zeigt es.

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2013 – Und heute?** Tristesse allerorten. Vom fetten Zinsbatzen ist nicht mehr viel übriggeblieben. Im Schnitt aller Anbieter liegt die Überschussbeteiligung bei nur noch etwa 3,6 %. Und auch die Steuerfreiheit hat sich buchstäblich in Luft aufgelöst. Doch damit nicht genug. Die Vermittler haften fünf lange Jahre mit ihrer Provision dafür, dass die Kunden bei der Stange bleiben. Und seit das Versicherungsvertragsgesetz die Unternehmen zum Kostenausweis verpflichtet hat, ging es mit den Verdienstmöglichkeiten für die Vermittler auch bergab.

Schon kehren einige Versicherer von den jahrzehntelang gehegten konventionellen Angeboten ab:

  • Die Zurich will sich nur noch aufs Geschäft mit fondsgebundenen Angeboten fokussieren. Und in den Produktschmieden vieler Versicherer brüten Heerscharen von Mathematikern und Vertriebsexperten über neuartige Garantiekonzepten.
  • Als erstes Unternehmen ist ERGO damit aus der Deckung gekommen. Deren „Rente Garantie" ist zwar auch eine fondsgebundene Lösung. Doch von den am Markt seit langer Zeit präsenten Hybridmodellen & Co. unterscheidet sie sich: Der Versicherer selbst nämlich spricht die Garantie aus, sie wird also nicht über einen dafür geeigneten Fonds dargestellt. Auf lange Sicht sollen die klassischen Tarife beim Düsseldorfer Versicherer nur noch 20 bis 30 % des Neugeschäfts mit der privaten Altersvorsorge ausmachen.Ein klares Bekenntnis zu klassischen Rentenversicherungen kommt derzeit nur aus dem Lager der öffentlich-rechtlichen Versicherer. So sagte Thomas Krüger, Vorsitzender des Versicherungs-Ausschusses Leben im Verband der öffentlichen Versicherer, die Mitgliedsunternehmen hielten an klassischen Policen mit lebenslanger Garantie fest. Wenngleich man durchaus auch ein Auge auf neue Marktentwicklungen habe. So seien für ihn getrennte Garantien für die Anspar- und die Rentenphase denkbar.
  • Ein solches Modell hatte erst kürzlich die Allianz vorgelegt. In der Summe soll es bei „Perspektive" um 0,3 % höhere Überschüsse für die Kunden erwirtschaften können als die bisher schon angebotene und weiter erhältliche klassische Variante. Im Gegenzug gibt es in der Ansparphase nur die Garantie einer Mindestrente und die Zusage, dass keine Beiträge verlorengehen können.
  • Und auch die Gothaer hat bereits etwas im Köcher, wie Vorstandsvorsitzender Dr. Werner Görg Anfang Juli mitteilte. Man habe Produktemit gesplitteten Tarifen entwickelt, behalte sie aber einstweilen noch in der Schublade. Hintergrund seien noch nicht ausgeräumte Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit. Möglicherweise müsse die Deckungsrückstellungs-Verordnung abgeändert werden, da ansonsten Klagen anderer Kunden mit klassischen Tarifen drohten.

Nicht so ganz sicher in dieser Frage zeigt sich auch Krüger von den „Öffentlichen". Bei der Frage nach der Rechtssicherheit der Modelle gebe es noch den einen oder anderen Zweifel. Wohingegen Markus Faulhaber, Vorstandschef der Allianz Leben, überzeugt ist: „Versicherungsrechtlich haben wir bei unserem neuen Angebot keinerlei Bedenken." Die bestehen beim Marktführer offenbar jedoch hinsichtlich der Zukunft der Lebensversicherung im Allgemeinen. Gegenüber der Wirtschaftswoche schloss der Allianz-Chef einen grundsätzlichen Ausstieg aus dem Geschäft mit nicht fondsgebundenen Produkten nicht aus: „Wenn die Kunden eines Tages sagen, sie wollen weder das Produkt mit der niedrigen lebenslangen Garantie noch das neue Produkt mit den Abschnittsgarantien, muss man sich auch davon verabschieden können."

Zuletzt wurde vom manager magazin den öffentlich-rechtlichen Versicherern sogar der völlige Ausstieg aus dem Produkt Lebensversicherung über einen Run-Off ihrer betreffenden Töchter unterstellt. Dagegen allerdings verwahrte sich Ulrich-Bernd Wolff von der Sahl, Chef des Verbands Öffentliche Versicherer, in einer herausgegebenen Mitteilung energisch: „Sparkassen und öffentliche Versicherer planen keinen Ausstieg aus dem Lebensversicherungsgeschäft. Für die Absicherung der biometrischen Risiken wie Tod oder Berufsunfähigkeit sowie in der privaten und betrieblichen Altersvorsorge wird es weiterhin einen großen Bedarf geben, den wir in hoher Qualität bedienen werden."

Eine einheitliche Linie ist in dieser Frage in der Lebensversicherungsbranche längst nicht mehr auszumachen. Zwei Beispiele:

  • Dr. Paul-Otto Faßbender, Vorstandsvorsitzender des ARAG Konzerns, erklärte Mitte Juni, sein Unternehmen überlege sehr wohl, wieder in das Geschäft mit konventionellen Lebensversicherungen einzusteigen, wenn sich zeige, dass Wettbewerber mit neuen Garantiemodellen Erfolg haben. Zurzeit bietet der Düsseldorfer Versicherer ausschließlich Fondspolicen an.
  • Genau in die Gegenrichtung will Jan de Meulder, Vorstandsvorsitzender der Basler Versicherungen. Dies bekräftigte er in einem Interview mit dem VersicherungsJournal: „Dazu zählt, dass wir künftig konventionelle Lebensversicherungen und komplexe bAV-Produkte nicht mehr selbst anbieten werden." Stattdessen setze man verstärkt auf biometrische Produkte. Und natürlich Fondspolicen. In diesem Segment hat sich die Basler mit der Produktmarke MONEYMAXX längst eine starke Marktposition erobert.

Gewinner der für Verbraucher nur schwer nachvollziehbaren

eränderungen am Lebensversicherungsmarkt, auch vor dem

Hintergrund eines ständigen medialen Sperrfeuers gegen

klassische Modelle, könnten in der Tat moderne

fondsgebundene Policen sein.

Es gibt sie mittlerweile in den unterschiedlichsten Ausprägungen – von statischen über Zwei- und Drei-Topf-Hybride und Variable Annuities bis hin zu iCPPI-Konzepten mit kundenindividueller Depotgestaltung. Versicherer wie beispielsweise Zurich, WWK, Basler, LV 1871 (lesen Sie hierzu die Meinung von Vertriebsvorstand Rolf Schünemann auf S. 83) oder Heidelberger Leben bieten in diesem Zusammenhang äußerst interessante Lösungen für die private Altersvorsorge an. Mit möglichst ausgefeilter Garantie bei gleichzeitig hohen Ertragschancen.

(Theresa Appenzell)

Lebensversicherungen - Printausgabe 04/2013