Es steckt mehr dahinter
24.09.2013
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Die Diskussion im neu zu gestaltenden europäischen – und damit auch nationalen – Versicherungsrecht dreht sich schwerpunktmäßig auch um die Frage, ob Vermittler überhaupt noch Provisionen kassieren sollen.
Eigentlich ist es um den tatsächlichen Verdienst vieler freier Vermittler gar nicht mal so rosig bestellt. Michael Heinz, der überaus eloquente Präsident des Verbandes der Versicherungskaufleute (BVK), hält mit konkreten Zahlen nicht hinter dem Busch. So etwa als Redner auf dem PKV-Forum der Continentale Krankenversicherung Mitte September in Köln: „Das jährliche Einkommen liegt im Schnitt bei 50.000 Euro. Dafür steht beim Versicherer selbst kein Angestellter im mittleren Management morgens auf."
Doch die Luft ist dünn geworden für die Branche. So dünn scheinbar,
dass sich der GDV kürzlich mächtig ins Zeug gelegt und selbst
an dieSpitze derer gesetzt hat, die ihre Meinung nach übertrieben
hohe Provisionen beklagen.
Vor allem die Abschlussvergütungen stehen dabei in der Kritik. Doch sein Vorpreschen entfachte einen Meinungs-Wirbelsturm. Vielerorts führte er nicht nur zu Irritationen, sondern auch zu Verärgerung. Der GDV hatte vorgeschlagen, in der kommenden Legislaturperiode eine Deckelung der Provisionen zu beantragen. Dazu seien zwei Modelle denkbar. Eine Begrenzung der Abschlussvergütung auf 3,5 bis 4 % der Summe aller Beiträge bei gleichzeitiger Verlängerung der Stornohaftung seitens der Vermittler auf fünf bis zehn Jahre oder aber ein Festhalten an der schon jetzt geltenden fünfjährigen Stornohaftung bei gleichzeitiger Deckelung der Abschlussprovisionen auf 2 bis 2,5 % – allerdings mit zusätzlichen 2 % über die Vertragslaufzeit hinweg. Wörtlich heißt es in der an die Mitgliedsunternehmen gerichteten Depesche: „Wir bitten um Meinungsbildung in Ihren Häusern hinsichtlich der besprochenen Varianten zur möglichen gesetzlichen Regulierung der Kosten in der Produktkalkulation und Vergütung des Vertriebs." Verfasser des Schreibens waren GDV-Hauptgeschäftsführer Peter Schwark und Martin Wurster, GDV-Abteilungsleiter.
Ein erster Adressat hat sich ohne Umschweife gemeldet und mitgeteilt, was er von der Vorlage hält: Generali Deutschland, zu der unter anderem die Generali Versicherung, die Central Krankenversicherung und die AachenMünchener Versicherungen gehören, erteilte dem Ansinnen laut Handelsblatt eine deutliche Abfuhr: „Um das Berufsbild des Vermittlers weiterhin attraktiv zu gestalten, die Vielfalt der Vertriebswege zu erhalten und so den individuellen Beratungsbedarf der Kunden zu decken, sollten die Einkommensmöglichkeiten der Vermittler nach Auffassung der Generali Deutschland nicht überreguliert werden." Hinter dieser Positionierung dürfte sich auch die DVAG stellen, hält sie doch bei Central und AachenMünchener das Vertriebsmonopol. Doch dürfte die Generali kaum die Meinung aller im GDV organisierten Unternehmen widerspiegeln. Insidern zufolge ist die Branche in dieser Frage tief gespalten. BVK-Präsident Heinz vermutet nach einem Bericht des Manager Magazins hinter der GDV-Initiative einzelne einflussreiche Gesellschaften: „Diese wollen sich offenbar Marktvorteile verschaffen, die mittelständische Maklerversicherer vom Markt drängen, um dann als Global Player darüber zu entscheiden, wie Vertrieb in Deutschland zu funktionieren hat." Ob VOTUM, BVK, AfW oder VDVM – die Front der Gegner steht fest geschlossen. Von allen Seiten prasselte Schelte auf die Berliner Lobbyisten ein.
Der AfW-Bundesverband Finanzdienstleistung lud prompt Geschäftsführer und Vorstände von Maklerpools zu einer Konferenz nach Berlin ein. Vertreten waren BCA, Fonds Finanz, WIFO, INFINUS, Jung, DMS & Cie., Netfonds, ARUNA, blau direkt, maxpool, germanBroker, monad, STATUS und Apella. Am 11. September verabschiedeten sie gemeinsam mit dem AfW eine „Berliner Erklärung". Darin heißt es: „Wir sprechen uns für frei verhandelbare Vergütungen in der Lebensversicherung aus. Die Branche steht dem Verbraucher gegenüber in der Verantwortung und ist in der Lage, ihre Vergütungsmodelle selbst zu regeln – und dies ohne kartellrechtlich bedenkliche Absprachen." Und in einer weiteren Passage: „Wir sprechen uns für eine Erweiterung der Kostendiskussion auf die Gesamtkosten in privaten Altersvorsorgeprodukten aus. Eine Einschränkung der Diskussion auf einzelne Kostenarten (wie die Abschlussprovision) trägt dem Interesse der Verbraucher nicht ausreichend Rechnung. Kostenersparnisse müssen vollumfänglich beim Verbraucher ankommen. Jede Initiative muss dies verbindlich sicherstellen." Rechtsanwalt Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW, erklärt gegenüber finanzwelt „Ein riesiges Problem der Versicherer ist das niedrige Zinsniveau. Das führt zwangsläufig dazu, dass Kostenstrukturen auf den Prüfstand gehören. Hier jedoch nur bei den Provisionen anzusetzen, ohne dabei die gravierenden Unterschiede in den Vertriebswegen zu berücksichtigen und nicht die Gesamtkosten der Produkte ins Auge zu fassen, ist der falsche Weg." Eine Deckelung der Provisionen durch den Gesetzgeber wäre seiner Ansicht nach ein massiver Eingriff in die Privatautonomie und ein ordnungspolitischer Fehler. „Mit der Berliner Erklärung beziehen die unterzeichnenden Pools klar Stellung zur unabhängigen Beratung. Wir stehen auf der Seite des freien Vermittlers. Die Unabhängigkeit der Berater ist für die BCA das höchste Gut", sagt BCA-Vorstand Dr. Jutta Krienke. Sie ist sicher, dass der GDV im Sinne der Erklärung eine für alle Parteien zufriedenstellende Lösung finden wird. Eine Einschränkung der Diskussion auf einzelne Kostenarten wie die Abschlussprovision trage dem Interesse der Verbraucher nicht ausreichend Rechnung. Kostenersparnisse müssten vollumfänglich beim Verbraucher ankommen.
Und ist am Ende alles Schall und Rauch? Schon die Deckelung der Provisionen in der privaten Krankenversicherung hatten Vertreter der Branche forciert, weil die teils völlig überzogenen Vertriebsvergütungen den Produktanbietern ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten bereiteten. Nicht aus Furcht vor einemstaatlichen Eingriff. Und auch für das Entfachen einer neuen Debatte über eine Provisionsdeckelung in der Lebensversicherung besteht der vom GDV genannte politische Anlass kaum. Jedenfalls war eine derartige Forderung – von wenigen Ausnahmen abgesehen – in Berlin bislang nicht zu vernehmen. „Der Markt der privaten Krankenversicherungen ist mit dem LV-Markt nicht zu vergleichen: Die PKV ist ein Substitut zur gesetzlichen Krankenversicherung, im Gegensatz zur privaten Altersvorsorge. Daher hat man es rechtlich mit komplett anderen Voraussetzungen zu tun", sagt auch Norbert Porazik, Geschäftsführer der Fonds Finanz Maklerservice GmbH. Vielleicht hätte auch ein Blick in die neue PKV-Regelung gutgetan. Von der viel kolportierten Provisionsdeckelung ist dort nämlich überhaupt keine Rede. Stattdessen dürfen die gesamten Abschlusskosten nichtmehr als 3 % der Bruttobeiträge im Neugeschäft insgesamt ausmachen. Zudem darf der Gesetzgeber gar nicht in die Preisgestaltung zwischen Versicherer und Makler eingreifen. Es steht einem jeden Versicherer lediglich frei, selbst eine Obergrenze einzuziehen. Der Makler kann sie dann akzeptieren – oder auch nicht. Dann bringt er das Geschäft eben zu einem Wettbewerber, den er guten Gewissens empfehlen kann und der mehr zahlt.
(Benjamin Feyngold)