"Es riecht nach Start-up, obwohl es das Unternehmen schon lange gibt"

15.05.2024

Gunter Schäfer - Foto: Copyright Sandra Seifen

Wege kreuzen sich und manchmal geht man wieder auseinander. So ist das im Leben. Wichtig ist, den eigenen Grundsätzen treu zu bleiben. Sozusagen der lebensbestimmende "Kompass". Für Gunter Schäfer, vormals ÖKOWORLD, hat jüngst ein neues berufliches Kapitel begonnen. Er hat bei der Arete Ethik Invest AG die Position Chief Sales / Communications / Marketing Officer für Deutschland inne. finanzwelt-Redakteur Alexander Heftrich hatte die Gelegenheit eines Exklusiv-Interviews mit ihm. Es geht um Ökologie, Soziales und zentral um seinen neuen Arbeitgeber und die Ambitionen.

finanzwelt: Herr Schäfer, Sie waren ein prägendes Gesicht des Nachhaltigkeitspioniers ÖKOWORLD. Nun verstärken Sie die Schweizer Arete Ethik Invest AG. Zumindest im Vergleich zu ÖKOWORLD ein an den AuM gemessen etwas kleinerer Anbieter. Was reizt Sie an dieser Aufgabe? Wie umfassend ist Ihr Tätigkeitsspektrum?

Gunter Schäfer: Arete Ethik Invest begeistert mich dahingehend sehr, dass unter dem Dach der Ethik das ökologische und soziale Handeln betrachtet werden. Ethik ist für mich eine wesentlich klarere kommunikative Klammer als der Mode- und Marketingbegriff „Nachhaltigkeit“. Wenn man die Ethik philosophisch betrachtet, so befasst sie sich mit den moralischen Auswirkungen menschlichen Handelns. Ich bin kein Experte der Moralphilosophie, mir gefällt aber der fokussierte Blickwinkel „Ethik“, der die Ökologie und die Sozialaspekte moralisch bewertet.

Mich reizt es nun dieses besondere Konzept in Deutschland in meine bestehenden und auch in neue Netzwerke zu bringen. Ich bin sowohl im Vertrieb als auch in Öffentlichkeitsarbeit und Marketing unterwegs - so wie man meine Rolle auch aus der Vergangenheit kennt.

finanzwelt: Bringen Sie uns die Arete (gr. für Tugendhaftigkeit) Ethik Invest etwas näher. Die Ursprünge reichen in die 90er Jahre zurück. Klären Sie uns auf.

Schäfer: Der Start der PRIME VALUES Ethik-Fonds durch Dr. Höller Vermögensverwaltung geht tatsächlich zurück ins Jahr 1995. Ich habe zu meiner Zeit mit Alfred Platow bei Ökoworld die ursprüngliche Gründerin Dr. Elisabeth Höller sogar persönlich im Rahmen eines Roundtable kennengelernt. Im Jahr 2009 kaufte dann Hauck & Aufhäuser Privatbankiers die Dr. Höller Vermögensverwaltung AG und fusionierte diese mit der bestehenden Tochtergesellschaft in der Schweiz, die ihr Angebot ab dem Jahr 2010 zu 100% nach nachhaltigen Anlagekriterien ausrichtete. Seit dem Jahr 2021 nutzen mittels eines Management Buy-Outs die Geschäftsleitung und die Mitarbeitenden die Möglichkeit, das Unternehmen komplett unabhängig aufzustellen. Daher auch die Umfirmierung in Arete Ethik Invest AG. Die im laufenden Jahr 2024 vollzogene neue strategische Kooperation mit der Thurgauer Kantonalbank verleiht Arete weiter Rückenwind. Ich mag es, dass es ein bisschen nach Start-Up riecht, obwohl es das Unternehmen schon so lange gibt.

Trotz dieser noch jungen Neuausrichtung verfügt die Arete Ethik Invest AG über einen beeindruckenden Trackrecord im Bereich Investment-Ethik und Ethik-Research. In enger Zusammenarbeit mit einem ausgewählten Kreis von Wissenschaftlern werden alle Unternehmen und Emittenten einer umfassenden, ethischen Beurteilung unterzogen. Der Anspruch ist und war immer, in der Beurteilungspraxis Qualität zu schaffen und durch Transparenz sowie Objektivität zu überzeugen. Für Investoren, Family Offices, Portfoliomanager und Entscheidungsträger im Stiftungsmanagement bieten wir qualitative, ethische Beurteilungsmechanismen. Dabei ist es ganz entscheidend, uns ganz gezielt auf die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden auszurichten und praktische Lösungen anzubieten.

Das bedeutet in der Praxis, dass es neben der PRIME VALUES Fondsfamilie eben auch das maßgeschneiderte Vermögensmanagement angeboten wird. Also eine individuelle Depotbetreuung basierend auf finanziell und ethisch-nachhaltig soliden Einzelwerten, Unternehmen und Emittenten. Die Beratung und Analyse des Gesamtvermögens in Zusammenarbeit mit bspw. Sparkassen, Volksbanken, Family Offices, etc. Dies ist ab einem Depotvolumen von EUR 500.000 möglich. Für die regulatorische Sicherheit sorgt übrigens die FINMA Regulierung, welche weltweit für Strenge und Stabilität bekannt ist.

finanzwelt:  Was haben Sie sich für die kommenden Monate vorgenommen?

Schäfer: Die Marke Arete Ethik Invest und die PRIME VALUES Fonds in Deutschland bekannter machen, in meine Netzwerke einbringen, die hohe Qualität vorstellen. Ich habe natürlich für den Moment verstanden, dass aktuell in den Produktkörben auch andere Themen als „Nachhaltigkeit“ eine Rolle spielen. Aber die Stimmung wird sich wieder drehen – da bin ich mir sicher. Auf Dauer sind KI und Rüstung auch Trends, die mit Höhen und Tiefen einhergehen. Und am Thema ethische Geldanlage führt kein Weg vorbei.

Das Augenmerk werden wir zunächst verstärkt lenken auf den dynamischen Mischfonds PRIME VALUES Growth. Der PRIME VALUES Growth Fonds ist ein aktiv gemanagter dynamischer Mischfonds, der bis zu 80 % in Aktien investieren kann.

Der Fonds weist aktuell 3 Sterne bei Morningstar auf. Jetzt heißt es die Ärmel hochkrempeln und gemeinsam in die richtige Richtung rudern, dass es bald vier Sterne sind. Wir müssen mittelfristig hinsteuern auf einen guten 5-Jahres-Trackrecord, da sind die 3 Jahre ein guter Anfang: Die Jahre 2022 und 2023 waren schwierige Jahre für die Nachhaltigkeit und 2022 hat sich Arete mit PRIME VALUES Income und PRIME VALUES Growth hervorragend behauptet gegenüber denen, die ernsthaft im Nachhaltigkeitsbereich unterwegs sind. Im Jahr 2021 wurden auf Fondsmanagementebene einige Anpassungen vorgenommen. Unter anderem wurden die Portfolios deutlich konzentrierter ausgerichtet und die Reaktionszeit durch die stärkere Berücksichtigung der Chartanalyse deutlich erhöht. Das machte sich dann August bis Jahresende auch positiv bemerkbar. Was das Jahr 2022 betrifft: der vermögensverwaltende Ansatz und die gute Rentenpositionierung haben geholfen, um sich zu behaupten. Das Jahr 2023 war okay. Kunden und Investoren fanden es auch okay. Das laufende Jahr 2024 ist bisher ausbaufähig, wir bleiben hart am Ball.

Vor einem halben Jahr wurde darüber hinaus auch ein Anleihefonds aufgelegt. Der PRIME VALUES Bond Opportunities ist ein in Euro denominierter Anleihefonds, der darauf abzielt, die Chancen in einem wieder attraktiven Umfeld für Anleihen zu nutzen. Der Fonds investiert zu 100 % in Anlagen, die unserem ethischen Auswahlprozess unterliegen. Ein solches Produkt wurde in der Form insbesondere im Ausnahmejahr 2022 oft vermisst als „sicherer Hafen“. Es ist gut, eine solche Strategie auch im Angebot zu haben.

Wir sehen uns mit der Produktpalette gut aufgestellt, was aber nicht bedeutet, dass hier Stillstand herrscht. Wie bereits angesprochen, herrscht eher Aufbruchsstimmung und wir wollen uns weiterentwickeln mit unserem Angebot.  

finanzwelt: Thema Nachhaltigkeit / ökologisch-ethisches Investieren: Offenlegungsverordnung, Artikel 8/9, bürokratischer Aufwand und zuletzt Greenwashing. Muss der Nachhaltigkeitszug neu aufgegleist werden?

Schäfer: Die Europäische Kommission überarbeitet die EU-Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzen (SFDR). Kein Wunder, es gibt weiterhin viele Unklarheiten in Bezug auf nachhaltige Kapitalanlagen und deren Kategorisierung. Ja, der Zug muss neu aufgegleist werden, denn sonst fährt er nach Nirgendwo oder droht zu entgleisen. Ethisches und ökologisches Investment darf auch nicht einer zu starren Regulatorik zum Opfer fallen, die Bauch und Kopf ersetzt. Aber natürlich auch nicht Tür und Tor für Grünfärberei öffnen. Viele Aspekte für die Beurteilung liefern die Abwägungskriterien. Die SFDR unterscheidet zwischen Artikel-8-Produkten, die nachhaltige Anlage nicht als Kernziel haben, und Artikel-9-Produkten, die eine definierte nachhaltige Investition anstreben. Der Grad der Offenlegung von Fonds nach Artikel 8 und 9 sorgt für viele Unklarheiten auf Anleger- und Anbieterseite. Ich finde es bedauerlich und wenig zielführend, dass Anbieter glaubwürdiger Nachhaltigkeitsfonds mit absolut nachvollziehbaren Kriterien sich teils aus Sorge, abgemahnt oder des Greenwashings bezichtigt zu werden von vorneherein die Ziffer 8 aufs Etikett kleben, und die 9 nicht für die Eingruppierung nutzen. Es ist schade, dass dann am Ende die Bürokratie höher gewichtet wird als das eigentliche Ziel, das der EU-Aktionsplan dazu beitragen soll, Kapital in nachhaltige Anlagen umzuleiten und so die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Umso wichtiger wird dann, dass die Anbieter durch Transparenz und nachvollziehbare Konsequenz und glaubwürdige Prozesse aufzeigen, was ihre Produkte tatsächlich nachhaltig macht. Und zwar so, dass jeder es versteht. Hier sehe ich Arete perfekt aufgestellt. (ah)