Er läuft und läuft und läuft
17.02.2015
**Obgleich der vielen Krisenherden auf dieser Welt geht der Deutsche Aktienindex (DAX) weiter seinen Weg. Auf knapp 11.000 Punkte ist der Leitindex geklettert. Geht es weiter bergauf oder müssen wir Rückschläge und höhere Volatilitäten erwarten? Dazu und warum er weiterhin auf die VW-Aktie setzt, erläuterte *Christian von Engelbrechten, Fondsmanager des Fidelity Germany Fund (ISIN: LU0048580004), im „finanzwelt"-Interview. finanzwelt*: Angesichts der Höchststände beschäftigt Anleger vor allem eine Frage: Wie lange geht die Rallye noch weiter?
v. Engelbrechten: Quantitative Easing hat in den USA und Japan zu langen Perioden mit positiver Entwicklung des Aktienmarktes geführt. Aufgrund der Liquidität und der niedrigen Renditen von Anlagealternativen ist mit weiteren Kursaufschlägen in Europa zu rechnen. Außerdem sehe ich Unterstützung von Geldern, die nun aus den USA nach Europa fließen.
finanzwelt: Sind die beeindruckenden Kurszuwächse fundamental gerechtfertigt oder ist das Fundament (Ölpreis, schwacher Euro, EZB-Politik) eventuell sogar brüchig?
v. Engelbrechten: Die Bewertungen liegen in etwa auf dem Durchschnitt, den wir langfristig gesehen haben. Der DAX hat ein Kursgewinnverhältnis von 13,5x was dem historischen Durchschnitt entspricht. Gleichzeitig sind die Bilanzen im Vergleich zur Vergangenheit besser, die Kostenstrukturen flexibler und die Unternehmen insgesamt besser nach Renditekriterien geführt. Daher sehe ich das Level als gerechtfertigt an. Ich denke aber, dass weitere Kurszuwächse nicht durch eine Erhöhung des Bewertungslevels kommen werden, sondern aus den Gewinnzuwächsen der Unternehmen.
finanzwelt: Wie gefährlich sind die Spannungen zwischen Russland und dem Westen?
v. Engelbrechten: Meines Erachtens das größte Risiko für die Märkte. Der direkte Einfluss durch Exporte und Geschäft vor Ort ist zwar begrenzt. Das können die Unternehmen verkraften. Die Zweitrundeneffekte einer Eskalation wären allerdings signifikant: Nachfragerückgänge aus Osteuropa, steigende Energiepreise (Deutschland bezieht etwa ein Drittel des Öls und Gas aus Russland) und vor allem Investitionszurückhaltung bei fallenden Sentimentindikatoren wären große Belastungsfaktoren. Der letztgenannte Punkt ist besonders wichtig und war schon im dritten Quartal letzten Jahres ein Faktor für die schlechte Entwicklung damals.
finanzwelt: Wann kommt der Zeitpunkt, an dem Sie verkaufen?
v. Engelbrechten: Wer über Jahrzehnte in Deutschlandfonds investiert geblieben ist, hat eine gute Rendite gemacht, da Unternehmen dynamisch sind und sich weiterentwickeln. Statt zu verkaufen, geht es eher darum, die nächsten Unternehmen zu finden, die ihre Chancen nutzen, Gewinne über einen langfristigen Zeitraum zu steigern und daher die großen DAX Unternehmen der Zukunft sein werden.
finanzwelt: Einige DAX-Konzerne haben ihre Dividenden erhöht oder zahlen sogar Rekorddividenden. Daimler überraschte, wohingegen VW jüngst ein Absatzminus von 3 % meldete. Bleiben Sie für den Automobilbereich positiv?
v. Engelbrechten: Daimler profitiert im Moment von Aufholeffekten in China und davon, den besten Modellzyklus zu haben. Die neuen Modelle sind ein großer Erfolg, bei der Marge gilt es noch weiter aufzuholen. Bei VW wächst der Premiumbereich, also vor allem Audi und Porsche weiterhin gut. Das wird auch in Zukunft der Gewinntreiber sein, während die Bewertung noch an den niedrigeren Kennzahlen eines Massenherstellers orientiert ist. Das passt nicht zusammen und sollte der VW-Aktie weitere Kursperformance bringen. Sollten zudem das Effizienzprogramm bei der Kernmarke VW erfolgreich umgesetzt werden und die Einspareffekte in den Gewinnen durchkommen, ist das Kurspotential noch sehr viel höher.
Aufgrund von Marktanteilsgewinnen, des Erfolgs deutscher Hersteller in China, dem schwachen Euro und niedrigen Ölpreisen bleibe ich positiv für den deutschen Autosektor. Ich würde aber eher in die Zulieferer investieren, da diese noch über Jahre am meisten von den hohen Erfordernissen zur Co2 Reduktion profitieren werden. Continental, Elringklinger, Norma und Bertrandt bleiben vielversprechende Wachstumsunternehmen.
finanzwelt: Steil nach oben ging es zuletzt auch für die Freenet aus dem TecDAX. Stimmt auch hier die Story?
v. Engelbrechten: Im Moment ist viel die Rede von der Suche nach Dividendenrendite. Kaum ein Unternehmen in Deutschland repräsentiert die Attraktivität von Dividenden so wie Freenet. Das Unternehmen hat eine starke und stabile Stellung im Mobilfunk bei geringen Investitionserfordernissen. Zum Beispiel muss kein teurer Netzausbau bezahlt werden. Die Cash Flows bleiben daher hoch, um auch in Zukunft eine hohe Dividendenrendite zu bieten. Im Moment liegt sie bei mehr als 5 Prozent und damit deutlich höher als zum Beispiel bei der Deutschen Telekom. Die Outperformance der Telekom in den letzten Monaten gegenüber der Freenet ist für mich das eigentlich Fragliche.
finanzwelt: Laut Citywire belegen Sie auf 3-Jahressicht einen der vorderen Plätze. 2014 war die Performance nicht so rosig. Geht es nun wieder bergauf?
v. Engelbrechten: Mein Fonds ist hochaktiv gemanagt, daher können die Ausschläge in einem Jahr höher ausfallen als bei vielen anderen. Über drei und fünf Jahre zeigt sich dann nach Kosten eine höhere Rendite als beim DAX, dem deutschen Aktienmarkt insgesamt.
Meine Anlagestrategie ist auf drei Jahre ausgelegt – ich identifiziere diejenigen Unternehmen, die über einen längeren Zeitraum durch Marktanteilsgewinne, neue Produkte und kluge Entscheidungen wachsen und Mehrwert für den Anleger generieren. Dies drückt sich in Unternehmen aus, die beständig hohe Renditen auf das investierte Kapital (ROIC) erzielen, kontinuierlich zweistellig im Ergebnis wachsen und damit die Markterwartungen übertreffen. Zudem setze ich auch auf kleinere und mittelgroße Unternehmen, die wir meines Erachtens mit unserem sehr großen Analystenteam tiefer analysieren können als andere Marktteilnehmer.
Wenn, wie in 2014, Branchen und Unternehmen die Führung innehaben, die meine Qualitätskriterien aus meiner Sicht nicht nachhaltig erfüllen werden – wie zum Beispiel Versorger, Telekommunikation, Versicherungen oder Stahl – kann es auch ein schwieriges Jahr geben. In kurzfristige Spekulationen werde ich mich dennoch nicht begeben, auch wenn es zeitweise relative Performance kostet. Der Fonds bleibt auf Qualitätsunternehmen ausgerichtet, die über ihre positive Gewinnentwicklung die Rendite treiben werden.
(Das Interview führte Alexander Heftrich)