Eher Chance als Risiko
29.01.2015
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Versicherungsmakler müssen sich mit einer neuen Zeitrechnung anfreunden. Hohe Abschlussprovisionen für Lebenspolicen wird es künftig nicht mehr geben. Das zeigen erste Analysen. Doch darin liegt auch eine große Chance: Der schleichende Umstieg auf Bestandsprovisionen öffnet den Blick für mehr Unternehmertum in der Branche und besseren Umgang mit dem Bestand.
Das LVRG bereitet den meisten Maklern Kopfzerbrechen. Denn die Absenkung der Höchstzillmerung von 40 ‰ auf 25 ‰ bedeutet einen kräftigen Einschnitt in ihre Vergütung. Und dies in Zeiten, in denen sie sowieso mit erheblichen Provisionsrückgängen wegen mangelhafter Nachfrage nach Lebensversicherungen klarkommen müssen. Direkt zu spüren bekommen dies häufig auch die Pools und Verbünde. Teilweise stützen sie jedoch die ihnen angeschlossenen Vermittler. Wohin die Reise aber letztlich gehen wird, scheint noch nicht endgültig ausgemacht. Zu frisch ist die neue gesetzliche Regelung, als dass sich bereits ein verbindliches Bild ergeben könnte. So sagt Oliver Pradetto, Geschäftsführer der blau direkt GmbH: „2014 haben wir eine rasante Endjahresrallye mit Rekordzuwächsen erleben dürfen. Bislang machen sich für 2015 noch keine Abbrüche bemerkbar. Dies liegt sicher auch daran, dass wir bislang alle Abschlussprovisionen für unsere Partner stabil halten konnten." Und auch Norbert Porazik, geschäftsführender Gesellschafter bei Fonds Finanz, tappt noch im Dunkeln: „Bisher haben bei uns nur circa 15 LV-Gesellschaften Veränderungen in den Courtagen, der Haftungszeit und/oder der Laufzeitmaximierung vorgenommen. Da das LVRG aber erst seit zwei Wochen in Kraft ist und wir zudem ein sehr starkes Jahresendgeschäft 2014 hatten, können wir die Auswirkungen des LVRG auf die Provisionsumsätze unserer Vermittler derzeit noch nicht benennen." Allerdings ist er auch durchaus überrascht: „Bisher sind die Auswirkungen insgesamt allerdings deutlich kleiner, als wir noch bei der Verabschiedung des Gesetzes gedacht hatten."
Dass es jedoch mit der Vergütung nach unten gehen wird, daran bestehen wohl bei keinem Marktbeteiligten Zweifel.
Letztlich hat der Gesetzgeber den entsprechenden Passus ja gezielt eingeführt, um die Kosten von Versicherungsverträgen für die Verbraucher zu senken. BCA-Vorstand Oliver Lang erklärt hierzu: „Auch wir als professionell aufgestellter Vollsortimenter können aufgrund der Auswirkungen durch das LVRG für das laufende Jahr leichte Rückgänge im Lebensversicherungsbereich nicht gänzlich ausschließen. Ohne derzeit bereits detailliert sagen zu können, wohin die Reise uns führt, ist unstrittig, dass die Provisionsumsätze in Summe niedriger ausfallen werden. So dürften im Zuge dessen – je nach neuen Courtagemodellen der Versicherer – Provisionszahlungszeitpunkte später ausfallen und/oder sich Stornohaftungszeiten verlängern." Als breit aufgestelltem Dienstleister brächten derartig verursachte Rückgänge – im Gegensatz zu manch LV-spezialisierten Vertrieben oder Pools – jedoch keine nachhaltigen Umsatzproblematiken für den Pool mit sich, denn man erwarte einen spürbaren Zuwachs im Sachversicherungsbereich sowie ein weiteres Wachstum in der Investmentsparte. Hierfür setzt das Unternehmen auf seine Produktstrategie „Private Investing". Ganz auf den Einfallsreichtum in erster Linie wohl der Aachen Münchener setzt DVAG-Chefvolkswirt Dr. Ralf-Joachim Götz, dessen Unternehmen in der Lebenssparte den höchsten Umsatz erzielt: „Unsere Produktpartner schätzen die ausgeprägte Serviceorientierung und hohe Beratungsqualität unserer Vermögensberater und wissen daher, dass eine sehr gute Leistung adäquat vergütet werden sollte."
Der Vertrieb muss einen stärkeren Fokus auf die Bestandbetreuung und damit auf die laufende Provision richten.
Vielmehr als bisher werden sich die Vermittler als langfristig denkende Unternehmer verstehen müssen, und zwar mit allem, was dazu gehört – also auch mit zeitlich weitreichenden Businessplänen. Dies sieht beispielsweise Frank Kettnaker, Vertriebsvorstand ALTE LEIPZIGER – HALLESCHE, für jeden Makler als Gebot der Stunde: „Schon heute wendet der Makler sein umfangreiches wirtschaftliches Wissen in der Kundenberatung an, um maßgeschneiderte Deckungs- und Finanzierungskonzepte für Privat- und Firmenkunden zu erstellen. In Bezug auf seinen eigenen Geschäftsbetrieb ist eine stärkere wirtschaftliche Fokussierung sicherlich kein Fehler, aber bereits heute eine Grundvoraussetzung für seinen Erfolg." Dazu gehört auch ein grundsätzliches Umdenken. Erster Aspekt: Waren früher die PKV und die Lebenssparte die Umsatzbringer schlechthin, die ein finanziell sorgenfreies Leben versprachen, so muss der Geschäftsbetrieb künftig mehr denn je über die Sachsparte mit ihren Bestandsprovisionen finanziert werden. Wozu auch eine intensive und langfristig angelegte Kundenbetreuung gehört. So auch die Meinung von Stefan Liebig, Geschäftsführer bei vfm: „Jeder Vermittler wird gefordert sein, sich alternative Geschäftsfelder mit auskömmlichen Vergütungen zu suchen. Perspektivisch kann es funktionieren, seinen Betrieb ausschließlich über laufende Einnahmen zu finanzieren. Hierfür ist es jedoch notwendig, auch im gewerblichen Kompositgeschäft tätig zu sein." Eine entsprechende Qualifikation und natürlich auch der Zugang zu potenziellen Kunden seien die Voraussetzung. Für die Erschließung dieser Geschäftsfelder bedürfe es einer Investition und nicht zuletzt auch einer gewissen Haftungsbereitschaft. Liebig: „Gewerbegeschäft ist herausfordernd und kann nicht von heute auf morgen erlernt werden. Ertragreiche Geschäftsfelder sind in der Regel komplex, für die Erschließung ist professionelle Unterstützung unerlässlich." Nicht nur Risiken aus der Umwälzung im Provisionsgefüge, sondern auch Chancen sieht Thomas A. Fornol, Leiter Intermediärvertrieb von Swiss Life Deutschland und Mitglied der Geschäftsleitung: „Ein höherer Anteil an laufender Vergütung bietet auch stabilere Einnahmen und mehr Planungssicherheit. Eine solche Veränderung benötigt eine gewisse Übergangszeit, damit sich die Vermittler wirtschaftlich darauf einstellen können." Darum werde man die mit Swiss Life verbundenen Makler und natürlich auch Existenzgründer fachlich und finanziell unterstützen. Hinzu kommt laut Fornol, dass die Kunden sich heute noch kostensensitiver und wechselwilliger als früher zeigen und sich im Vorfeld eines Beratungsgesprächs immer öfter über das Internet informieren. Eine Ansicht, die von allen einschlägigen Umfragen und Studien gestützt wird. Doch genau hier können sich für gut ausgebildete Vermittler auch Chancen auftun, um sich durch eine individualisierte Kundenansprache vom Wettbewerb abzuheben. Fornol: „Wir unterstützen unsere Makler beim Ausbau ihrer Qualifikationen und helfen mit unseren Zielgruppen- und Branchenkonzepten, neue Kundensegmente zu er schließen." Damit schaffe man Mehrwerte in einem anspruchsvollen Markt. (hwt)