Digitalisierung erfasst Industrieversicherer

27.11.2017

Foto: © zapp2photo -stock.adobe.com

In der Branche besteht auch ein starkes Bewusstsein, dass die Digitalisierung den Menschen nicht vollständig verdrängen wird. So sind die Studienteilnehmer zu 95 % der Meinung, dass eine "bionische Digitalisierung" das Ziel sein muss. Hierbei dient die digitale Technologie als Ergänzung, nicht als Ersatz für den Menschen. Für die Industrieversicherer gibt es viele Möglichkeiten, bestehende Prozesse zu optimieren. Einige vielversprechende Anwendungsfälle existieren bereits. Sie gehen über den klassischen Gedanken des „Versicherns“ hinaus und fokussieren stärker Aspekte des Risikomanagements, also des „Schützens“. „Hier eröffnet sich Anbietern die Chance, sich vom analogen Produktgeber zum digitalen Risikopartner jedes einzelnen Kunden weiterzuentwickeln“, sagt Kottmann. „Die derzeit vorzufindenden Ansätze in diese Richtung basieren oft auf Erfahrungen aus dem KMU-Segment“, so Kottmann weiter. Letztlich helfen sie aber nur bedingt, da die Charakteristika des Geschäfts mit Mittel- und Großindustriekunden – Komplexität, Individualität, Internationalität – zu anderen Anforderungen und damit anderen Handlungsempfehlungen führen.

Das Potenzial ist riesig

 Die Möglichkeiten zur Optimierung sind vielfältig. Beispielsweise können die Versicherer durch Digitalisierung ihres Schadensmanagements erheblich an Effizienz gewinnen. Damit können im Bereich Schaden, dem größten Kostenblock der Versicherer, erhebliche Einsparungen realisiert werden. Jedoch ist der Digitalisierungsgrad über alle Sparten hinweg noch äußerst gering. So kennt die Assekuranz nur bei der Autoversicherung eine End-to-End automatisierte Schadensbearbeitung. Dabei kommt einer guten Schadensregulierung eine enorme Bedeutung zu: „Versicherer, die im Schadenfall überzeugen, binden Kunden auf Dauer an sich“, weiß Thomas Olaynig, Stellvertretender Chief Market Officer bei Marsh. Und der Vertrieb erhält ein schlagkräftiges Argument an die Hand. Mehr noch: Die realisierbaren Kostensynergien könnten in einer für den Kunden günstigeren Prämie münden. Stark ausbaufähig sind auch Dienstleistungen zur Vorbeugung und Linderung von Schäden (Pre-Claim-Services). Bei nur 16 % der Befragten kommen dafür geeignete Werkzeuge zum Einsatz.

Solche Potenziale zu heben, ist allerdings nicht nur eine Frage der technologischen Möglichkeiten, sondern vor allem von unternehmerischer Weitsicht. „Versicherer und ihre Entscheidungsträger müssen auf nahezu allen Ebenen den Begriff Risiko weiterdenken. Dafür notwendig sind neue, viel umfassendere Lösungen, die einem Kunden zum Teil nur mit Partnern zur Verfügung gestellt werden können“, so Jens-Daniel Florian. Das wiederum verlangt von etablierten Anbietern Mut, neue Wege einzuschlagen sowie Offenheit gegenüber Innovationen und Ideen. Weil es dabei auch auf Schnelligkeit ankommt, ist zudem die Aufnahmebereitschaft von Dritten von größter Bedeutung. Letztlich entsteht ein Netzwerk miteinander agierender Unternehmen. Im Idealfall führt so ein digitales Ökosystem zu einheitlichen Standards, ohne die eine Industrie 4.0 nicht denkbar ist. (ahu)

www.oliverwyman.com

www.marsh.com