„Die Lehren aus dem ‚Corona-Crash‘ und der V-Umkehr“

07.05.2020

Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG / Foto: © Martina Draper

Die deutsche Wirtschaft fährt ihren Betrieb nach der verabschiedeten Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen langsam wieder hoch. Den einen geht das viel zu schnell, während andere gerne schon zwei Schritte weiter wären. An den Aktienmärkten hingegen scheint die Krise längst abgehakt zu sein. Die Kurse steigen seit Mitte März in einer Dynamik, die so kaum jemand erwartet hätte. Hier wurden viele Anleger ebenso auf dem falschen Fuß erwischt wie bei dem vorausgegangenen Kurseinbruch. Wie geht man mit solchen Situationen als Anleger am besten um?

Die Trader bei wikifolio.com haben da ganz unterschiedliche Strategien. Florian Bub ist der Ansicht, dass man solchen Börsenturbulenzen zu einem gewissen Maß zuvorkommen kann, wenn man genauer hinsieht bzw. schnell reagiert. „Zu Beginn des Jahres war die Börsenstimmung deutlich aufgeheizt. Zudem brachen viele Aktien zu neuen Hochständen auf, gaben ihre Gewinne jedoch relativ schnell wieder ab. Dies zeugt von einem Zeichen der Schwäche. Der Markt hat mir damit gezeigt, dass die Pandemie schwerwiegender ist, als dass die Medien anfangs annahmen“, erklärt der Trader, der vor allem durch Stoppkurse größere Verluste während des Crashs verhindern konnte. In der laufenden Erholung setzt er vor allem auf Aktien, die sich in einem Aufwärtstrend befinden, eine relative Stärke aufweisen und geschäftlich nicht so stark von der Corona-Krise betroffen sind oder sogar davon profitieren. Auch hier hat das Managen des Risikos für Bub aber immer „die oberste Priorität“.

Viel Cash und eine gute Analyse

Sein Trader-Kollege David Hauck empfiehlt langfristig orientierten Anlegern, immer auf Börsenturbulenzen vorbereitet zu sein. „Dabei muss man Turbulenzen nicht zwingend zuvorkommen, indem man einen Tag vor dem ersten Kursverfall aus allen Positionen aussteigt. Es gilt vielmehr jeden Tag aufs Neue zu prüfen, ob das derzeitige Depot – zur jeweils aktuellen Lage – mit der langfristigen Strategie in Einklang steht.“ Auf Basis dieses täglichen Checks hatte der Trader schon zu Jahresbeginn die Cashquote erhöht, Gewinne realisiert und gleichzeitig Produkte zur Absicherung aufgebaut, deren Gewichtung später kurzzeitig noch erhöht wurde. Dadurch ist auch sein Portfolio gut durch die Krise gekommen. Das alles hat ihm einmal mehr gezeigt, „dass ausreichend Cash für die Wertentwicklung in fallenden Märkten sehr wertvoll sein kann. Zudem fällt der Nachkauf von zu stark abgestraften Werten dann leichter. Das wiederum legt den Grundstein für eine gute Performance bei der nächsten Aufwärtsbewegung.“ Signale für den Wiedereinstieg findet der Trader bei seiner Analyse der einzelnen Unternehmen, deren Aktien ab einem gewissen Punkt „einfach zu billig werden, weil sie durch den Markt mit in die Tiefe gerissen wurden.“

Starke Marken und eine gute Mischung

Marco Heine von Albrech & Cie. fährt noch einen anderen Ansatz. Nach Ansicht des Vermögensverwalters ist das an Börsenkursen orientierte Timing bei Ein- und Ausstiegen reiner Zufall. Er verlässt sich lieber auf eine durchgängig gute Asset-Allokation mit breiter Diversifikation, was er als einen „Schlüssel für Vermögensstabilität“ ansieht. Bei der Titelauswahl verweist der Anlageprofi auf ein hausinternes datenbankgestütztes Scoring-Modell. Weit oben stehen dabei Aktien von Unternehmen, die sich unter anderem durch einen hohen Markenwert oder ein stetiges Markenwertwachstum auszeichnen. „Der wissenschaftliche Ansatz ist hier jedoch ein mitentscheidender Faktor. Er stellt in der Regel sicher, dass unser Portfolio in aufstrebenden Marktphasen überdurchschnittlich gut abschneidet“, ergänzt Heine. Dass bei dieser Strategie in Crash-Phasen auch mal stärkere Einbußen zu verkraften sind, wird einkalkuliert: „Das ist aufgrund der Marktlogik nicht zu verhindern. Dennoch ist zu beobachten, dass solche Titel bei Turbulenzen vergleichsweise geringere Rücksetzer aufweisen und in der Erholungsphase überdurchschnittlich profitieren.“

Kolumne von Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG