Die Investmentideen gehen nicht aus

02.02.2015

**Verfall des Ölpreises, schwacher Euro und starker DAX. Auch zum Jahresstart 2015 gibt es genügend Stories, die uns am Laufenden halten. Wie kann ich mit Zertifikaten an diesen Entwicklungen partizipieren? „finanzwelt" bat *Lars Brandau*, Geschäftsführer Deutscher Derivate Verband (DDV) und *Nicolai Tietze, Director Deutsche Bank AG, Deutsche Asset & Wealth Management, zum Interview. finanzwelt*: Neues Jahr, neues Glück. Ein gutes Motto für die Zertifikateindustrie. Das Gesamtvolumen des deutschen Zertifikatemarkts belief sich Ende 2014 auf knapp 83 Mrd. Euro, Tendenz fallend. Zuletzt war die Branche im Frühjahr 2009 auf einem so niedrigen Level. Woran liegt es, auch vor dem Hintergrund steigender Aktienmärkte?

Brandau: Größtenteils an den Rückgängen bei den Kapitalschutz-Produkten. Das bereits so lang andauernde Niedrigzinsumfeld führt bei ihnen zu unattraktiveren Angebotskonditionen. Emittenten verfügen nämlich derzeit nicht über entsprechende Zinseinnahmen während der Laufzeit, um zusätzlich zum Kapitalschutz ansprechende Aktienchancen aufzubauen. Einen Aufwärtstrend gibt es dagegen bei den offensiveren Anlagezertifikaten. Hierzu zählen Aktien- und Bonitätsanleihen, aber auch Index- und Discount-Zertifikate. Besonders beliebt sind vor allem Aktienanleihen. Ihr Anteil am Marktvolumen liegt derzeit bei 6,9 Mrd. Euro bzw. 9,5 Prozent Marktanteil. Noch im Januar 2013 lagen diese Werte bei 5,4 Mrd. Euro bzw. 5,8 Prozent.

Tietze: Das ist in der Tat richtig, allerdings spiegelt die Statistik des Gesamtvolumens nicht die wachsende Nachfrage nach Zertifikaten wider. Die Statistik wird dominiert von strukturierten Anleihen, die immer noch rund 45 Prozent des Gesamtvolumens ausmachen. Viele dieser Anleihen wurden von den Kunden in den Jahren gekauft, in denen noch attraktive Zinsen auf diesen Produkten zu erzielen waren. Die jetzt angebotenen Nachfolgeprodukte erzielen zwar immer noch einen besseren Zinsertrag als das klassische Sparbuch, allerdings wachsen auch hier die Zinszahlungen nicht in den Himmel. Wenn man sich allerdings die Börsenumsätze im Zertifikatemarkt anschaut, dann sieht die Statistik schon wesentlich erfreulicher aus, denn die Börsenumsätze waren im Jahr 2014 so hoch wie lange nicht mehr. Der jetzige Januar hat diese Tendenz nochmals verstärkt, gerade von institutioneller Seite scheint das Interesse gewachsen zu sein. Das zeigt uns als Emittenten auch, dass die Nachfrage nach flexiblen Produkten auf diverse Asset-Klassen weiterhin hoch ist.

finanzwelt: Welche Strukturen bieten sich bei der momentanen Kapitalmarktlage an?

Brandau: Über einen Mangel an Themen kann sich derzeit keiner beschweren. Eine erstaunliche Rally beim DAX, fallende Euro- und Ölpreise und wieder anziehende Goldnotierungen gehen mit einer hohen Volatilität einher. Hier kommt es natürlich auf die Marktmeinung des Anlegers an. Gerade bei steigender Markterwartung gibt es attraktive strukturierte Wertpapiere. Zum Beispiel nehmen Index-Zertifikate nahezu 1:1 an der Wertentwicklung eines steigenden Aktienindex teil und sind dabei äußerst transparent. Anleger können bereits mit relativ geringem Kapitaleinsatz in hohem Maße Diversifikationseffekte nutzen und ihr Vermögen streuen. Anleger können mit strukturierten Wertpapieren aber auch einfach und günstig die Vermögenswerte im Depot absichern. Umsetzen lässt sich das mit entsprechenden Hebelprodukten wie Put-Optionsscheinen.

Tietze: Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten, da jeder Anleger ein unterschiedliches Risikoprofil vor Augen hat. Die höchste Nachfrage sehen wir zurzeit bei Bonus-Zertifikaten, bei denen der Anleger eine attraktive Seitwärtsrendite am Laufzeitende erzielen kann, sollte der Basiswert nicht eine festgelegte Barriere berühren oder unterschreiten. Aber auch die weiteren Standardprodukte wie zum Beispiel Discount-Zertifikate oder Aktienanleihen werden in dem aktuellen Niedrigzinsumfeld verstärkt nachgefragt.

finanzwelt: „Im Zertifikategeschäft bahnt sich eine kleine Revolution an", titelte ein großes Medium Ende vergangenen Jahres. Die Rede ist von elektronischen Plattformen (Vontobel und Commerzbank), über die Anleger die Preise von verschiedenen Anbietern direkt vergleichen können. Verleiht das der Branche neue Schubkraft? Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten solcher Plattformen für standardisierte Zertifikate ein?

Brandau: Für Anleger ist das natürlich nur von Vorteil. Sie können die Preise damit einfach vergleichen und zum günstigsten Preis ein maßgeschneidertes Zertifikat erwerben. Das verschärft natürlich noch einmal enorm den Wettbewerb der Emittenten untereinander. Entsprechend würde ich die Erfolgsaussichten auch für standardisierte Zertifikate als äußerst hoch einschätzen und das Mehr an Preistransparenz begrüßen.

Tietze: Das ist eine interessante Frage. Ich glaube, dass die Worte Revolution und Schubkraft eher zu hoch gegriffen sind. Sicherlich sind elektronische Plattformen interessant, aber ich würde es eher als einen weiteren Baustein der Angebotspalette verstehen. Zumindest zeigt die Zertifikate-Branche auch hier wieder ihren elektronischen Fortschritt innerhalb der Finanzindustrie.

finanzwelt: Erwarten Sie mittelfristig einen (weiteren) Rückgang der Zahl der Emittenten?

Brandau: Das hängt auch von der weiteren regulatorischen Entwicklung ab. Wenn der Regulierungsaufwand weiter steigt, werden nur große Emittenten in der Lage sein, die bislang schon immensen Kosten dauerhaft zu stemmen. Kleine Anbieter können sich das kaum noch leisten. Das ist ein Problem, das sich langfristig negativ auf den Wettbewerb auswirkt. Laut einer DDV-Umfrage rechnet immerhin ein Drittel der befragten Emittenten damit, dass in den nächsten zwölf Monaten Zertifikate-Anbieter aus dem Markt ausscheiden werden.

Tietze: Diese Frage wird mir jedes Jahr aufs Neue gestellt. Ich persönlich denke, dass sich von den Komplett-Anbietern kein Emittent zurückziehen wird. Die Marktanteile haben sich in den letzten Jahren nicht groß verändert und jeder einzelne Emittent scheint damit zurzeit gut leben zu können.

(Das Interview führte Alexander Heftrich)