Die Griechenlandkrise verstellt den Blick auf andere Themen
25.06.2015
Die Krise um die Zukunft Griechenlands verunsichert zunehmend die Wirtschaft, nicht nur in Deutschland.
Auf höchster politischer europäischer Ebene wird darüber beraten, ob Athen seine Staatsfinanzierung über kurzfristige Anleihen ausdehnen darf oder nicht - oder ob griechische Gelder im Bankenrettungsfonds auch für den griechischen Staatshaushalt verwendet werden dürfen. Parallel gibt die EZB, auch auf höchster Ebene, immer neue Notkredite für griechische Banken frei. In der vergangenen Woche alleine wurde der Rahmen schon vier Mal erhöht. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser Entscheidungen stellt sich natürlich weiterhin – jedoch mehrt sich auch die Sorge, ob nicht andere wichtige(re) Themen auf höchster Ebene auf der Strecke bleiben.
Politische Ressourcen fehlen an anderer Stelle
Die Kosten der griechischen Durchwurstelei kann sich Europa noch lange leisten, doch die dauerhafte Bindung bedeutender politischen Ressourcen an das Griechenland-Thema kann teuer kommen. Diese Ressourcen fehlen aktuelle zum Beispiel bei der Ausarbeitung von diplomatischen Vorschlägen für den Ukraine-Konflikt oder bei den Beratungen zur Flüchtlingsproblematik oder auch beim Thema Freihandelszone mit den USA. Diese Themen spielen für Europas Schicksal möglicherweise eine größere Rolle als die komplette Grexit-Problematik – mit welchem Ausgang auch immer.
Fehlende Perspektiven verunsichern die Wirtschaft. Verunsicherung bedeutet Stillstand. Der zweite Rückgang des Ifo-Indexes in Folge zeigt die Stimmung an. Sie ist zögerlich und wird dem DAX zu keinem Höhenflug verhelfen, wie auch immer die nächste (kurzfristige) Griechenland-Lösung aussieht. Deshalb wäre es umso wichtiger, die entsprechenden Beratungen auf niedrigere Ebene zu verlagern. Das würde auch der wirtschaftlichen Bedeutung Griechenlands entsprechen. Doch dazu wird es nicht kommen.
Autor: Dr. Otmar Lang, Chefvolkswirt der TARGOBANK