Die Eine gegen die Andere

14.04.2016

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Wenn es zwei hervorragende Alternativen gibt, wird gerne die eine gegen die andere ausgespielt. So steht es auch um die Diskussion, ob eine Multi-Risk-Versicherung gleichwertig mit einem BU-Schutz – oder am Ende sogar besser sei.

Es ist jedoch unnütz, sich auf derlei Geplänkel einzulassen. Denn am Ende hat jede der beiden Varianten Vor- und Nachteile. Neuerdings keimt die Idee auf, wieder eine gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung einzuführen. Dahinter steckt einerseits die mittlerweile weit verbreitete Erkenntnis, dass es für viele Menschen nahezu unmöglich geworden ist, entsprechenden Schutz bei einem privaten Anbieter einzukaufen – sei es wegen bestehender Vorerkrankungen, sei es wegen einer hohen Risikoprämie. Dahinter steckt aber auch eine gewisse Verweigerungshaltung gegenüber den mittlerweile durchaus stattlichen Angeboten an Multi-Risk-Versicherungen. Die Versicherungsbranche muss sich dabei vorhalten lassen, dass sie über lange Jahre versucht hat, den offenkundigen Bedarf an einer Absicherung der Arbeitskraft fast ausschließlich über die private Berufsunfähigkeitsversicherung zu decken. Damit wurde eine Vollkaskomentalität im Markt kultiviert, bei der das Absicherungsbedürfnis von risikobehafteten und körperlich belasteten Berufen weitgehend unter die Räder gekommen ist.

Angebotsspektrum in Bewegung.

Verschärft wurde dieses Problem durch den anhaltenden Bedingungs- und Preiswettbewerb, der sich in erster Linie auf kaufmännische und akademische Berufe fokussiert hat – das Absicherungsbedürfnis von risikobehafteten und körperlich belasteten Berufen wurde dabei völlig außer Acht gelassen. Doch mittlerweile hat in der Branche ein Umdenken stattgefunden, so dass in der Beratung zum Thema Arbeitskraftabsicherung jetzt die Frage im Vordergrund steht, welcher Versicherungsschutz am besten zum Kunden passt. Beispiel Swiss Life. Seit Oktober vergangenen Jahres ist das Unternehmen Komplettanbieterin für Arbeitskraftabsicherung (AKS) mit insgesamt sechs individuellen Lösungen – von der BU über die Absicherung von Grundfähigkeiten und den Existenzschutz von Swiss Life Partner als Multi-Risk-Produkt bis hin zu speziellen Branchenlösungen. Die Beratungssoftware für Makler kommt dabei von Franke und Bornberg. Vielfalt macht demnach die Musik, wie Miriam Michelsen erklärt, Leiterin Vorsorge und Krankenversicherung beim Finanzdienstleister MLP: „Eine BU ist im Bedarfsfall am leistungsstärksten und daher erste Wahl. Sollte sie aber wegen bestehender gesundheitlicher oder anderer Risiken abgelehnt oder sehr teuer werden, ist eine Multi-Risk-Versicherung eine Alternative.“ Amar Banerjee, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter der Versicherungsproduktion von Swiss Life Deutschland, hält denn auch wenig von der Reanimation eines gesetzlichen BU-Schutzes: „Diese Idee würde uns genau dahinbringen, wo wir uns bereits im Jahr 2001 befunden haben, als die gesetzliche Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente abgeschafft und durch eine zweistufige Erwerbsminderungsrente ersetzt wurde.“ Damals wie heute habe die gesetzliche Rentenversicherung vor einem Finanzierungsproblem gestanden; und auch der verwendete Begriff der Berufsunfähigkeit sei so angelegt gewesen, dass er soziale Besitzstände gesichert habe. Swiss Life glaube hingegen, dass der Sozialversicherung in erster Linie eine existenzsichernde Funktion zukommen sollte – der Schutz von Besitzständen, wie das Recht keine Verschlechterung beim ausgeübten Beruf hinnehmen zu müssen, könne nicht Aufgabe der Sozialversicherung sein. Damit ist sich der Swiss Life-Manager einig mit vielen Wettbewerbern. Allerdings legt er Wert auf eine besondere Feststellung: „Mit einer Einschränkung halten wir die jetzt geltende Maßgabe der gesetzlichen Rentenversicherung für sachgerechter.“ Es müsste das Versorgungsniveau höher ausfallen als bisher, denn selbst bei einer vollen Erwerbsminderung reichten die Leistungen der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente im Regelfall bei Weitem nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Die Frage nach der richtigen Empfehlung.

Vor diesem Hintergrund und angesichts einer bei weitem nicht uneingeschränkt zur Verfügung stehenden BU-Absicherung stellen sich nicht wenige Beobachter der aktuellen Marktentwicklung die Frage, ob am Ende nicht Multi-Risk eine bessere Absicherung für den Verlust der Arbeitskraft ist. Dr. Jürgen Voß, Vorstandssprecher der NÜRNBERGER Lebensversicherung AG, hebt lieber die Unterschiede hervor: „Multi-Risk-Policen bieten in der Regel eine Leistung bei Verlust von Grundfähigkeiten sowie eine Kapitalleistung bei schweren Erkrankungen. Sie wurden konzipiert, um stark körperlich tätigen Personen eine bezahlbare Absicherung der Arbeitskraft bieten zu können.“ Könne jedoch eine Person zum Beispiel aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr arbeiten, gebe es keine Leistung aus der Multi-Risk-Police. In der Realität aber treten statistisch psychische Erkrankungen bei körperlich tätigen Personen im Vergleich zu nicht oder gering körperlich tätigen Berufen deutlich seltener auf. Wägt man die Leistungsunterschiede gegeneinander ab und berücksichtigt die finanzielle Leistungsfähigkeit sowie die erforderliche Absicherungshöhe, stellen die Multi-Risk-Policen bei körperlich tätigen Personen häufig die zu favorisierende Alternative zur Berufsunfähigkeits-Absicherung dar. Voß rät Maklern deshalb dringend: „Wichtig ist, dass der Beratungsprozess für Kunde und Vermittler ausführlich dokumentiert wird.“ Auch die NÜRNBERGER biete mit dem Handwerker-Schutz eine Multi-Risk-Police für diese Berufsgruppe. Claus Rehse, Sprecher der SIGNAL IDUNA Gruppe, sieht Multi-Risk vornehmlich unter zwei Szenarien als interessant an: „Das betrifft einmal die Menschen, die zum Beispiel aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen keine BU abschließen können.“ Hier böten Produkte wie VitaLife seines Unternehmens einen Ausweg. Gleiches gelte für Versicherte, die zwar bereits eine BU hätten, jedoch mit deutlich zu niedrigen Leistungen, und die Versicherungssumme etwa aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr aufstocken könnten. In einem solchen Fall ermögliche es dieses Produkt, den Versicherungsschutz dem tatsächlichen Bedarf anzupassen. (hwt) (Multi-Risk vs. Berufsunfähigkeit / finanzwelt 02/2016)