„Die Absicherung des Pflegerisikos muss einen höheren Stellenwert einnehmen“

30.09.2014

Marcel Boßhammer

Das Pflegeproblem wird immer dringlicher. Dennoch tun sich Makler schwer, ihre Kunden für eine hochwertige Absicherung zu sensibilisieren.

Marcel Boßhammer, Leiter Verkaufsförderung Gesundheit (Maklervertrieb) der Gothaer Krankenversicherung AG, erklärt im Interview, auf welchem Weg Makler bei Kunden punkten können und welche Unterstützung die Gothaer den Maklern hierfür bietet.

finanzwelt: Herr Boßhammer, die Gothaer hat eine Informationsbroschüre zum Thema Pflege aufgelegt, die Vermittler zu ihrer Kundenberatung nutzen können. Warum das? Ist die Thematik in der Fläche noch immer nicht ausreichend beleuchtet?

Boßhammer: Der Bedarf nach Qualifizierung im Bereich Pflegeversicherung ist nach wie vor sehr hoch. Ich habe hierfür auch vollstes Verständnis, denn die Thematik ist ohne Frage sehr komplex. Deswegen bieten wir mit der „VertriebsInformationsBroschüre Pflege" eine einzigartige Hilfestellung, mit der es möglich ist, fachlich fundiert den Endkunden durch seine individuelle Bedarfsanalyse im Pflegefall zu führen. Die Erfahrungen zeigen, dass durch den Einsatz dieser Broschüre sowohl die Frequenz der Ansprache als auch die Abschlussquote im Beratungsgespräch deutlich zunehmen.

finanzwelt: Woran liegt es denn maßgeblich, dass sich der Vertrieb mit Pflegeversicherungen noch immer schwer tut?

Boßhammer: Ich bin mir sehr sicher, dass es nicht daran liegt, dass unsere Kunden den Bedarf nicht erkennen. Die Bereitschaft, für den Pflegefall vorzusorgen, ist ohne Zweifel vorhanden. Ich denke, dass auf Seiten der Versicherer und Vermittler die Absicherung des Pflegerisikos einen höheren Stellenwert einnehmen muss. Als Versicherer sind wir in der Pflicht, unsere Vertriebspartner mit neutralen „Verkaufshelfern" und intelligenten Produktlösungen auszustatten, sodass diese in höherer Frequenz Kunden zur Absicherung bewegen können, solange der Gesundheitszustand dieses noch zulässt. Wir als Gothaer haben jüngst auf beide Anforderungen attraktive Antworten geliefert.

finanzwelt: Die Deckelung der Abschlussprovision auf zwei Monatsbeiträge inklusive eventueller Zuschüsse dient nicht gerade dazu, bei Vermittlern größere Euphorie auszulösen. Warum kann die Pflege-Bahr-Beratung für sie dennoch Sinn machen?

Boßhammer: Aus unserer Sicht ist eine bedarfsdeckende Absicherung über ein qualitativ hochwertiges Produktkonzept dem Pflege-Bahr immer vorzuziehen. Genutzt werden sollte aber der mediale, positive Rückenwind, der mit der Einführung des Pflege-Bahrs erzeugt wurde, um mit dem Kunden in den Beratungstermin zu kommen.

finanzwelt: Der Pflege-Bahr ist bei etlichen privaten Krankenversicherern noch immer unbeliebt, auch die Gothaer hält sich mit einem eigenen Angebot bislang zurück. Warum ist das so, und wird sich dies in absehbarer Zeit ändern?

Boßhammer: Zum Zeitpunkt der Einführung des Pflege-Bahr stand für die Gothaer die Überarbeitung der Pflegetagegeldtarife auf der Tagesordnung, sodass wir sehr intensiv geprüft haben, ob und wie wir den Pflege-Bahr in unser Tarifangebot mit aufnehmen wollen oder nicht. Im Ergebnis steht für uns fest, dass er – selbst wenn man sich nicht nur an den gesetzlichen Mindestkriterien orientiert – von der Produktqualität deutlich hinter einem hochwertigen, ungeförderten Pflegetagegeld zurückbleibt und auch von der Absicherungshöhe i.d.R. kaum geeignet ist, um die Pflegeversorgungslücke insbesondere in den niedrigen Pflegestufen effektiv zu schließen. Im Gegenteil. Ich halte es persönlich für kontraproduktiv, den Menschen zu suggerieren, man könne mit 10 Euro (+ 5 Euro staatlicher Förderung) eine ausreichende Pflegevorsorge treffen. Entsprechend haben wir unseren Fokus auf die Entwicklung eines bedarfsgerechten Premiumtarifs gerichtet, der sowohl hinsichtlich Produktqualität als auch möglichem Absicherungsniveau deutlich über einen Pflege-Bahr-Tarifhinausgeht. Gleichzeitig haben wir unsere Gesundheitsprüfung im Bereich Pflege überarbeitet. Im Ergebnis werden nun kaum noch Anträge abgelehnt – Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse werden ebenfalls nicht erhoben. Würden wir nun einen Pflege-Bahr zusätzlich anbieten, wäre dieser aufgrund der deutlich niedrigeren Produktqualität im Vergleich zu unserem MediP Konzept nur für Personen mit schweren Vorerkrankungen interessant, die im MediP trotz gesenkter Schwelle nicht versicherbar sind. Da diese Konstellation nicht positiv auf die Entwicklung eines Pflege-Bahr-Tarifs wirken kann, planen wir kurzfristig keinen Pflege-Bahr-Tarif.

finanzwelt: Die Gothaer ist am Markt besonders stark im kollektiven Firmengeschäft aufgestellt. Plädieren Sie dafür, dass der Finanzminister die 44-Euro-Förderung für Pflege-Kollektivverträge einführt?

Boßhammer: Ja, ich plädiere dafür, dass die für Sachbezüge geltende monatliche Freigrenze von 44 Euro auch für arbeitgeberfinanzierte Pflegetarife gilt. Im Übrigen sollte meiner Meinung nach über diesen Weg nicht nur ein Anreiz für den Abschluss von Pflegetarifen, sondern für alle arbeitgeberfinanzierten Krankenzusatztarife geschaffen werden. Die steigende Nachfrage nach arbeitgeberfinanzierten Kollektivtarifen, die wir nach dem Urteil des BFH im April 2011 feststellen konnten, belegt, dass Arbeitgeber grundsätzlich bereit sind, Verantwortung für die Gesundheitsvorsorge ihrer Mitarbeiter zu übernehmen. Es ist bedauerlich, dass das BMF durch sein Schreiben aus Oktober 2013, das abweichend vom Urteil des BFH eine Anwendung der 44-Euro-Freigrenze verneint, die Motivation der Arbeitgeber in diesem Punkt gebremst hat. (hwt)

Interview mit Marcel Boßhammer - Printausgabe 05/2014