„Der Virus wird früher oder später verschwinden, aber das Geld bleibt im System“

19.06.2020

Florian Bohnet, Head of Research & Portfoliomanagement bei DJE Kapital AG / Foto: © DJE Kapital AG

Mit Blick auf das zweite Halbjahr stellt sich die Frage, wie es an den Aktienmärkten weitergeht. Welche Branchen machen das Rennen? Die finanzwelt-Redaktion wollte dies von Florian Bohnet, ‎Head of Research & Portfoliomanagement bei DJE Kapital AG, wissen.

finanzwelt: Nach einer Rallye stellt sich für viele Investoren die Frage, wohin sich die Aktienindizes dieser Welt bewegen. Setzt jetzt eine Konsolidierung bzw. Rückwärtsbewegung ein? Florian Bohnet: Mit unserer bislang positiven Einschätzung zum Aktienmarkt und zu Unternehmensanleihen lagen wir richtig. Corona war, wie erwartet, für die Börsen kein Aufreger mehr. Die zweite Welle kam bislang nicht und wäre aus unserer Sicht auch zu managen. Nach vorne geblickt passen wir unsere taktische Einschätzung für die kommenden Wochen etwas an, bleiben strategisch, aber konstruktiv für Aktien.

finanzwelt: Welche Faktoren können die Aktienkurse denn weiter beflügeln? Wird Europa vergleichsweise besser laufen als die USA? Bohnet: Der monetäre Faktor wird weiter positiv auf den Aktienmarkt wirken. Der Stimulus kommt simultan aus allen wichtigen Regionen, USA, Europa, Japan, aber auch aus China. Das kann zu einer ähnlichen Überbewertung des Aktienmarktes führen, wie wir sie bei Anleihen und Immobilien heute schon sehen. Überall wird wegen des Corona-Virus angekurbelt. Der Virus wird früher oder später verschwinden, aber das Geld bleibt im System. Gut für Aktien. Wir haben die Möglichkeit der Great Rotation, die Rotation von Anleihen in Aktien, noch nicht abgeschrieben. Da jetzt auch fiskalisch angekurbelt wird, könnte sich diese Rotation in Gang setzen.

finanzwelt: Welche weiteren Sektoren haben Ihrer Ansicht nach kurz- bis mittelfristig Potenzial nach oben? Welche Branchen werden sich unterdurchschnittlich entwickeln? Bohnet: Die Erholungsbewegung wurde anfänglich maßgeblich von Technologie- und defensiven Aktien getragen. Erst in den letzten Wochen kamen die oftmals zyklischen Valueaktien hinzu. Da diese Sektorrotationen kaum exakt zu prognostizieren und noch schwerer umzusetzen sind, gehen wir den Weg einer ausgewogenen Allokation. Bisher waren wir zu Value weniger exponiert. Das werden wir gezielt über Industriewerte nachholen, denn diese profitieren vom Fiskalstimulus. Hier haben wir, neben Banken, die größte Untergewichtung, was bisher auch gut war. Bei Banken werden wir die Untergewichtung, wegen der strukturellen Probleme, weiter beibehalten. Fest steht aber auch, dass wir uns nicht zu stark vom Technologiesektor abwenden - wohlwissentlich, dass es der "most crowded trade ist". Denn die Bewertungen sind gerade mit Blick auf das Wachstum nicht zu hoch und hier werden weiter Aktien in großem Maßstab zurückgekauft. In vielen anderen Sektoren wurden die Buybacks dagegen massiv gekürzt. Der Healthcare-Sektor kürzt i.d.R. weder Dividenden noch Buybacks. Dennoch werden wir hier etwas vorsichtiger, denn unser Übergewicht ist hoch und der Sektor hat sich v.a. wegen seines defensiven Charakters gut gehalten. Bei einer fortschreitenden Sektorrotation wäre er folglich benachteiligt. Beim Thema Value sind wir durch unsere deutschen Aktien ganz gut vertreten. Weiterhin sind aber auch japanische Aktien einen Blick wert, zumal dort die Dividendenrenditen inzwischen vergleichsweise attraktiv sind. (ah)