Der Preisnebel lichtet sich
06.07.2023
Max Eiting, Associate Director Operational Capital Markets – Healthcare bei Savills Germany. Foto: Savills
Die Frankfurter Agentur Savills hat den Investmentmarkt für Gesundheitsimmobilien in Deutschland im ersten Halbjahr 2023 untersucht. Im ersten Halbjahr des laufenden Jahres wurden in Deutschland Gesundheitsimmobilien für 723 Mio. Euro gehandelt. Damit lag das Transaktionsvolumen im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 um 51 % niedriger.
Laut Savills war es zugleich das niedrigste Halbjahresvolumen seit dem zweiten Halbjahr 2017 (604 Mio. Euro). Sowohl das Volumen als auch die Zahl der Transaktionen gingen im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal zurück. Max Eiting, Associate Director Operational Capital Markets – Healthcare bei Savills Germany berichtet: „Nach wie vor erschweren zu weit auseinanderliegende Preisvorstellungen von Eigentümern und Bietern den Abschluss von vielen Transaktionen. Zudem passen die zum Verkauf stehenden Objekte oftmals nicht zu den Suchprofilen der Investoren. So werden zwar vermehrt Pflegeheime zum Verkauf angeboten, jedoch dominieren dabei Objekte mit Value-Add-Charakter, für die sich derzeit aber nur eine überschaubare Gruppe von Investoren interessiert. Bei den stark nachgefragten Ärztehäusern und Wohnanlagen des Betreuten Wohnens ist das Angebot hingegen gering.“
Betreiber von Pflegeheimen in der Krise
Im traditionell größten und liquidesten Segment der Gesundheitsimmobilien, den Pflegeheimen, haben sich die schon länger anbahnenden Herausforderungen am Nutzermarkt zuletzt deutlich manifestiert. Matti Schenk, Associate Director Research bei Savills Germany, kommentiert: „Seit Jahresanfang gab es fünf Großinsolvenzen und Schutzschirmverfahren von Pflegeheimbetreibern. Allein hiervon waren rund 270 Einrichtungen mit zusammen 18.600 Pflegeplätzen betroffen. Hinzu kommen noch diverse kleinere Insolvenzen oder bereits geschlossene Pflegeeinrichtungen. Die Pflegeheimbetreiber waren bereits im Zuge der COVID-19-Pandemie mit stark gestiegenen Kosten und gesunkenen Auslastungen konfrontiert. Seit Anfang letzten Jahres führte die hohe Inflationsrate bei den Betreibern zu deutlich höheren Energie- und Verbrauchsgüterkosten, aber auch zu höheren Pachtzahlungen aufgrund von Indexierungsklauseln. Das neue Tariftreuegesetz führte zu weiteren Herausforderungen, insbesondere weil die Betreiber bei ihren Einnahmen sehr stark von den Rahmenbedingungen der Pflegepolitik und Verhandlungen mit den Kostenträgern abhängig sind. Nach einhelliger Meinung der Pflegeheimbetreiber steigen beispielsweise die Investitionskostensätze viel zu gering, um einen wirtschaftlichen Betrieb von Pflegeeinrichtungen dauerhaft zu finanzieren. Darüber hinaus sorgen Personalengpässe bei immer mehr Einrichtungen dafür, dass entweder nicht alle Plätze belegt werden dürfen und den Betreibern Einnahmen verloren gehen oder aber auf sehr teures Leasingpersonal zurückgegriffen werden muss. Bei dieser Gemengelage handelt es sich offenkundig um ein strukturelles Problem im deutschen Pflegesystem. Zwar trat Anfang Juli die neue Pflegereform in Kraft, die pro Jahr 6,6 Milliarden Euro zusätzlich für die Pflege mobilisieren soll, gleichzeitig streicht der Bund jedoch seinen Zuschuss zur Pflegeversicherung. Momentan scheint eine substanzielle Reform zur nachhaltigen Finanzierbarkeit der Pflege nicht in Sicht zu sein. Das Damoklesschwert der Betreiberinsolvenzen dürften daher auch weiter über dem Sektor schweben.“
Am Investmentmarkt verlieren Pflegeheime weiter an Bedeutung
Weil die strukturellen Probleme beim wirtschaftlichen Betrieb von Pflegeheimen die langfristigen Wachstumsperspektiven des Sektors überstrahlen, beobachtet Savills insbesondere bei risikoaversen Investoren eine deutliche Zurückhaltung bei weiteren Pflegeheiminvestments. Dies schlägt sich immer deutlicher auch in den Investmentmarktzahlen nieder. So entfielen auf Pflegeheime lediglich 39 % des Transaktionsvolumens und damit deutlich weniger als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre (57 %). Immer mehr an Bedeutung gewinnen stattdessen Ärztehäuser und Wohnanlagen des Betreuten Wohnens. Etwa 26 % des Volumens im ersten Halbjahr 2023 entfielen auf Wohnanlagen des Betreuten Wohnen und weitere 19 % auf Ärztehäuser und Medizinische Versorgungszentren.
Viele Investoren machen sich rar
Bis vor Beginn der Zinswende und der sich zuspitzenden Krise bei den Pflegeheimbetreibern interessierten sich immer mehr Investoren für den Sektor der Gesundheitsimmobilien und legten entsprechende Fondsvehikel auf. Grundsätzlich stehen Gesundheitsimmobilien laut Savills weiter auf dem Zettel vieler Investoren. Nichtsdestotrotz halten sich viele Investoren derzeit mit Ankäufen zurück und warten die weitere Marktentwicklung ab. So trat im ersten Halbjahr kein einziger der zehn größten Investoren von Gesundheitsimmobilien der letzten fünf Jahre (gemessen am Ankaufsvolumen) als Käufer in Erscheinung. Käufer aus Deutschland dominierten mit einem Volumenanteil von 89 % das Geschehen im ersten Halbjahr. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre entfielen auf sie lediglich rund 52 % des Volumens.
Eiting kommentiert: „Vor allem langjährig aktive Spezialisten, die aufgrund ihrer guten Vernetzung und Marktkenntnis auch einen Betreiberwechsel organisieren können, werden bei der wachsenden Zahl an verfügbaren Bestandsobjekten fündig. Ein Großteil der Investoren stellt allerdings weiterhin auf Neubauprodukte ab und hat dementsprechend relativ wenig Kaufoptionen. Angesichts der rückläufigen Bauaktivität, auch aufgrund der anhaltend hohen Baukosten, dürfte das Angebot für Core- und Core-Plus-Investoren auch in nächster Zeit knapp bleiben.“
Portfolioanteil sinkt deutlich
Vor allem größere Portfolios stoßen bei Investoren derzeit auf Zurückhaltung. Dementsprechend kleinteilig stellte sich der Markt in den vergangenen Monaten dar. Laut Savills entfiel im ersten Halbjahr lediglich ein Viertel des Transaktionsvolumens auf Portfolioverkäufe – im Vorjahr waren es noch 41 % und im Fünfjahresmittel 51 %.
Zum rückläufigen Transaktionsvolumen tragen auch die gestiegenen Anfangsrenditen bei. Die Spitzenrendite für Pflegeheime taxiert Savills zum Ende des ersten Halbjahres auf 4,9 %. Damit stieg die Spitzenrendite auf Jahressicht um 100 Basispunkte an und liegt somit in etwa auf dem Niveau des Jahres 2018. Gerade für Bestandsobjekte mit schlechtem Gebäudestandard oder kriselndem Betreiber dürften die Renditen im weiteren Jahresverlauf weiter nach oben gehen.
Ausblick
Angesichts der gestiegenen Anfangsrenditen dürften einige Investoren wieder vermehrt Ankäufe prüfen. Savills erwartet in der zweiten Jahreshälfte eine steigende Zahl an Transaktionen, geht jedoch insgesamt von einer weiterhin recht verhaltenen Transaktionsaktivität aus. Max Eiting blickt voraus: „Während mehr Pflegeheime zum Verkauf stehen, werden die Investoren in diesem Segment nur sehr selektiv agieren, so dass das Transaktionsvolumen unterdurchschnittlich bleiben dürfte. Die stärkere Fokussierung auf Betreutes Wohnen und Ärztehäuser, aber auch auf Fach- und Rehakliniken, wird weiter anhalten. Zwar sind auch Ärzte und Betreiber von Rehakliniken mit höheren Kosten konfrontiert und sind zu großen Teilen von den Zahlungen der Krankenkassen abhängig, jedoch ist die wirtschaftliche Situation am Nutzermarkt hier aus Investorensicht viel weniger prekär als am Pflegemarkt. Stark nachgefragt dürften Objekte mit Nutzern sein, die vor allem auf solvente Privatpatienten setzen.“ (fw)