Das Positionspapier des AfW
11.09.2024
Der AfW-Vorstand: Norman Wirth, Franziska Geusen, Frank Rottenbacher. Foto: AfW
Der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW hat sein Positionspapier zur geplanten Reform der geförderten Altersvorsorge, insbesondere zum avisierten Altersvorsorgedepot. Eine detaillierte Stellungnahme soll es nach der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs geben.
Der AfW ist der mitgliederstärkste, politisch aktive Versicherungsmaklerverband und vertritt zudem gleichzeitig die Interessen einer großen Anzahl von unabhängigen Finanzanlagenvermittlern. Als Bundesverband unabhängiger Versicherungs- und Finanzanlagenvermittlerinnen und -vermittler, setzen wir uns aktiv mit der geplanten Reform der gesetzlichen und privaten Altersvorsorge auseinander.
Bereits im März hat sich der AfW positiv zum Thema Generationenkapital geäußert. Wir begrüßen ausdrücklich diesen ersten Schritt, die gesetzliche Rente durch Investitionen am Kapitalmarkt zu reformieren. Das kann aber in Anbetracht der bereits exorbitanten Steuerzuschüsse und der kommenden demografische Belastung der Versicherung durch den Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge nur eine von mehreren notwendigen Maßnahmen sein. Die Haltelinien bei Rentenalter, Beitragshöhe und Rentenhöhe sind weiter zu diskutieren.
Der nun erwartete Gesetzesentwurf zur Einführung des Altersvorsorgedepots sieht vor, eine renditestärkere und flexiblere Alternative zur bisherigen geförderten privaten Altersvorsorge zu schaffen. Verbraucher sollen in Fonds und andere kapitalmarktbasierte Produkte investieren können, ohne den Zwang zur lebenslangen Verrentung oder Kapitalgarantien. Damit wird ein intensiver Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern gefördert, was eine größere Produktvielfalt und potenziell geringere Kosten für die Sparer ermöglicht. Diese Reform soll insbesondere jüngere und renditebewusste Sparer ansprechen.
Im Kontext der politischen Diskussion um eine Reform der privaten Altersvorsorge, die durch den avisierten Gesetzesentwurf aus dem Finanzministerium vorangetrieben wird, positionieren wir uns klar zugunsten einer Lösung, die sowohl den Wettbewerb der Durchführungsformen als auch die qualifizierte, unabhängige und häufig allfinanzorientierte Positionierung unserer Mitglieder stärkt. Unser Fokus liegt auf der Sicherung der Interessen von Verbrauchern und unabhängigen Vermittlern.
1. Chancen des Altersvorsorgedepots
Das Altersvorsorgedepot bietet die Möglichkeit, Kapitalmarkterträge in der Altersvorsorge breiter zugänglich zu machen. Dies birgt für die Kunden und für unsere Mitglieder als deren unabhängige Berater und Vermittler neue Chancen:
Renditechancen: Durch Investitionen in Aktien, Fonds, ETFs oder andere Finanzprodukte können aufgrund fehlender Garantievorgaben und Verrentungspflichten höhere Renditen erzielt werden, was im Vergleich zu klassischen Produkten wie Rentenversicherungen für renditebewusste Kunden attraktiv ist. Unsere Mitglieder könnten so flexibel auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen.
Förderung des Wettbewerbs: Finanz-Staatssekretär Dr. Florian Toncar betonte, dass der kommende Gesetzesentwurf einen intensiven Wettbewerb zwischen Anbietern fördern soll. Dieser Wettbewerb wird die Produktvielfalt erhöhen und unseren Mitgliedern – die zu einem überwiegenden Teil gewerberechtliche Zulassungen für die Beratung und Vermittlung zu Versicherungs- UND Finanzanlageprodukten besitzen – ermöglichen, ihre Beratungsangebote auf ein breiteres Portfolio an Produkten auszurichten.
Flexibilität: Kunden haben die Möglichkeit, ihre Altersvorsorge individuell zu gestalten und an Marktveränderungen anzupassen. Wir sind überzeugt, dass dadurch die Nachfrage nach Altersvorsorgeprodukten und somit auch nach unabhängiger und kompetenter Beratung gefördert wird. Eine bessere Finanzbildung der Bevölkerung und insbesondere der jüngeren Menschen würde dies noch weiter voranbringen. Wir unterstützen insofern auch die Finanzbildungsinitiative von Bildungs- und Finanzministerium.
Transparenz: Depots bieten in der Regel eine transparente Struktur, in der der Depotinhaber jederzeit die Zusammensetzung und Entwicklung seines Investments nachvollziehen kann.
Attraktivität für Jüngere: Jüngere Zielgruppen, die zunehmend eigenverantwortlich und digital-affin sind, könnten durch die größere Freiheit in der Anlagegestaltung (und später auch der Verwendungsmöglichkeiten) und durch die potenziell höhere Rendite angesprochen werden.
2. Risiken und Herausforderungen
Trotz der Chancen ist es wichtig, die Risiken eines Altersvorsorgedepots klar zu benennen:
Marktschwankungen: Die Volatilität der Kapitalmärkte kann für sicherheitsorientierte Sparer eine Herausforderung darstellen. Es besteht die Gefahr, dass das Kapital aufgrund negativer Marktbewegungen vorzeitig abgezogen und umgeschichtet wird.
Fehlende Garantien: Im Gegensatz zu klassischen Rentenversicherungen bietet das Altersvorsorgedepot keinen Zwang zur Garantie auf lebenslange Auszahlungen. Dies könnte für Kunden, die auf eine sichere Zusatzrente angewiesen sind, problematisch sein.
Keine biometrischen Absicherungen: Anders als bei Renten- oder Lebensversicherungen bietet ein Altersvorsorgedepot keine verpflichtende Absicherung gegen Langlebigkeitsrisiken oder die Absicherung gegen Berufsunfähigkeit. Diese Absicherungen müssten bei Wunsch und Bedarf separat organisiert werden.
Komplexität: Die individuelle Auswahl und Anpassung unterschiedlicher Investments erfordert Fachwissen und regelmäßige Überprüfung. Dies stellt höhere Anforderungen an die Beratungsqualität als eine einmalige Vermittlungsleistung.
3. AfW-Empfehlung
Wir befürworten die Einführung des Altersvorsorgedepots, unter der Voraussetzung, dass der Schutz der Verbraucher sichergestellt und die Beratungsqualität gestärkt wird:
Hybride Produkte: Es sollte ermöglicht werden, Altersvorsorgedepots mit Garantieelementen oder Absicherungen gegen Langlebigkeit zu kombinieren. Dies könnte die Akzeptanz bei sicherheitsorientierten Kunden erhöhen und die Risiken ausgleichen. Wir gehen davon aus, dass der kommende Gesetzesentwurf den Lebensversicherern weiterhin die Möglichkeit bietet, Garantien und Leibrente im Rahmen der geförderten Altersvorsorge anzubieten und begrüßen das.
Stärkung der unabhängigen Beratung: Unsere Mitglieder sollten durch klare Beratungsstandards in die Lage versetzt werden, die Verbraucher umfassend zu den Chancen und Risiken des Altersvorsorgedepots und der passenden Produkte zu informieren. Eine bedarfsgerechte Beratung muss im Mittelpunkt stehen.
Förderung durch den Staat: Steuerliche Anreize, wie etwa eine höhere und nachgelagerte Absetzbarkeit von Beiträgen oder Zulagen und Gewinnen, könnten dazu beitragen, das Altersvorsorgedepot für breite Bevölkerungsschichten attraktiv zu machen.
4. Fazit
Das Altersvorsorgedepot bietet sowohl für Sparer als auch für unabhängige Vermittler zahlreiche Chancen. Es ist eine willkommene Ergänzung zur klassischen Altersvorsorge, die höhere Renditechancen bieten kann und durch den angestrebten Wettbewerb für Vielfalt und Transparenz sorgen wird. Allerdings müssen Risiken wie Marktschwankungen und fehlende Garantien klar kommuniziert und durch geeignete Produktlösungen sowie hochwertige Beratungsstandards aufgefangen werden. (fw)