„Das Generationenkapital ist eine Zäsur in der Rentenpolitik“

13.08.2024

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– leider verpassen wir damit aber erneut eine Chance auf ein generationengerechtes Rentensystem.

Finanzminister Lindner (FDP) bezeichnet die Wertpapieranlage im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung als eine „Zäsur“ (DLF, 29.05.2024). Das finden wir auch, allerdings sind wir auf Basis der Studie der teckpro AG, der RPTU und des Fraunhofer ITWM aus dem April 2024 der Meinung, dass diese Zäsur nicht die erhoffte positive Wende einläutet. Stattdessen führen das Rentenpaket II und das Generationenkapital in eine finanziell enorm belastende Rentenzukunft.

Bis zu 9 Bio. Euro wären der Studie zufolge bis 2050 nötig, um alle heute propagierten Haltelinien sichern zu können. Diese unermessliche Summe kann der deutsche Staat nicht auftreiben. Dennoch hat er den Auftrag, das Rentensystem robust aufzustellen, Eigenvorsorge zu stärken und Bedürftige zu unterstützen. Wir treten darüber hinaus für einen Generationenvertrag mit sich selbst ein.

Eine generationengerechte Äquivalenzformel für die Rentenversicherung zu entwickeln, ist ein langjährig verfolgtes Ziel der Rentenpolitik. Leider erfüllt auch die aktuelle Regierung diesen Auftrag nicht. Das Rentenpaket II will das Rentenniveau dauerhaft bei 48 % halten und das Rentenalter nicht weiter erhöhen. Aufgrund des demografischen Wandels müssen aber immer weniger Beitragszahler die Renten finanzieren und daher werden die Beiträge zwangsläufig steigen: Von heute 18,6 auf 22,3 % im Jahr 2035, so die Minister Lindner und Heil (SPD).

Das geplante Generationenkapital soll den Beitragsanstieg durch Aktieninvestitionen abfedern. Aufgrund des geringen Anlagevolumens und der kurzen Anlagedauer kann es jedoch die Finanzierung der Babyboomer-Renteneintritte um 2030 nicht ausgleichen. Die angedachte Höhe des Generationenkapitals in Höhe von 200 Mrd. Euro bis 2030 wird keinesfalls ausreichen, um die Rentenbeiträge konstant zu halten. Der Anstieg würde laut Website des BMAS „aus dem künftigen Generationenkapital ab dem Jahr 2036 langfristig (nur) um 0,3 bis 0,4 Beitragssatzpunkte gedämpft“. Michael Littig, Vorstand der teckpro AG, und Prof. Dr. Ralf Korn, Finanzmathematiker an der RPTU, analysieren zusammen mit dem Fraunhofer- Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik den tatsächlichen Kapitalbedarf.

Kapitalbedarf von 2 bis 9 Bio. Euro

Laut dieser Simulationen sind bis 2050 Zusatzaufwendungen von etwa 2 Bio. Euro nötig, um das aktuelle, jetzt schon nicht auskömmliche Rentenniveau von 48 % zu halten. Um das Rentenniveau ab 2026 zu halten sowie den gesamten Bundeszuschuss auf 2023er-Niveau finanzieren zu können, würde bis 2050 gar ein Kapitalstock in der Höhe von fast 7 Bio. Euro benötigt. Der Kapitalhunger könnte sogar auf 9 Bio. anwachsen, müsste zusätzlich der langfristig notwendige Bundeszuschuss finanziert werden.

Generationengerechtigkeit sieht anders aus

Selbst unter jeweils besonders günstigen Bedingungen – bei sehr niedrigen Darlehenszinsen und hohen Fondsrenditen – sind diese Kapitalbedarfe enorm und können nur durch Kredite gedeckt werden. In der Konstruktion eines leistungsfähigen Staatsfonds müssten dann Zinslast und Anlagerisiko, Schuldenzinsen und Tilgungsleistungen in Höhe von jährlich 35 bis über 100 Mrd. Euro bis zum Jahr 2050 erbracht werden – und dies zudem von einer immer geringeren Menge an Beitrags- und Steuerzahlern. Greifbarer werden diese Zahlen am ehesten, wenn sie auf die einzelne Person heruntergebrochen werden. Das Gutachten beleuchtet insofern exemplarisch, welche enormen Kosten auf sozialversicherungspflichtige Personen durch erhöhte Beitragssätze und ein reduziertes Rentenniveau zukommen, allein um den Status quo zu halten. So muss eine Person mit Durchschnittsverdienst (~45.400 Euro brutto p. a.) in einem optimistischen Szenario und 45 Jahren Ansparzeit etwa 23 Euro pro Monat aufbringen, um ein auf z. B. 45 % gesunkenes Rentenniveau wieder auf 48 % zu bringen. Wird erst später im Alter in die eigene Vorsorge investiert, müsste diese Kompensations-Sparleistung auf etwa 125 Euro pro Monat ansteigen. In einem weniger optimistischen Szenario (Rentenniveau bei 40 %) stiege dieser Aufwand auf 340 Euro monatlich an. Unabhängig vom geplanten Rentenpaket der Bundesregierung liegt im individuellen Entschluss, sich möglichst früh um die eigene Finanzplanung zu kümmern, das grundlegende Prinzip für den ganz persönlichen Generationenvertrag. Doch wir fordern weiterhin von der Politik:

Mehr Realitätsnähe, mehr gut geplante Unterstützung

Auch wenn die Idee einer kapitalgedeckten Altersvorsorge eine innovative Alternative für die deutsche Rentenpolitik ist, ist das geplante Generationenkapital ein unrealistisches Mittel zu Finanzierung des Rentensystems. Die Belastung durch Schulden, Steuern und Sozialabgaben würden hierdurch ins Unermessliche steigen.

Die Politik ist nachdrücklich aufgefordert, eine generationengerechte Formel für die umlagefinanzierte Rentenversicherung zu implementieren. Dazu gehören u. a. längere Lebensarbeitszeit, niedrigere Teilzeit- und Geringverdiener-Quoten sowie gezielte Zuwanderung. Ergänzend ist die private und betriebliche Vorsorge zu incentivieren. Wo dies nicht möglich ist – z. B. bei Alleinerziehenden oder prekären Arbeitsverhältnissen –, ist finanzielle Unterstützung nötig. Der Appell richtet sich auch an uns als eigenverantwortliche Bürgerinnen und Bürger.

Schließen wir, sofern erschwinglich, mit uns unseren eigenen Generationenvertrag: Gegen Prokrastination, für eine persönliche Disziplinierung. Für jede Anschaffung im Hier und Jetzt muss ab sofort auch ein Betrag in unsere eigene finanzielle Alterssicherung fließen.

Info

Die Studie kann auf Anfrage unter j.krienke@teckpro.de zugesandt werden.

Dr. Jutta Krienke
Geschäftsführerin, teckpro Software Solutions GmbH