Daran scheitert Wohneigentum
20.09.2018
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Deutschland weist eine im internationalen Vergleich sehr geringe Anzahl an Eigenheimbesitzern auf. An den hohen Immobilienpreisen liegt das aber nur bedingt: Ein anderer Grund ist viel entscheidender. Der Wohnungsmarkt gehorcht auch nur bedingt den traditionellen Marktgesetzen.
Sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern erwarten die Verbraucher, dass die Wohnpreise in den Großstädten weiter steigen. Zudem steigt der Anteil derjenigen, die glauben, ihre Miete oder Hypothekenraten nur mit Mühe aufbringen zu können. Das zeigt eine repräsentative ING-Umfrage in 13 europäischen Ländern sowie in den USA und Australien. So finden es europaweit 25 % der Befragten „schwierig“ oder „sehr schwierig“ ihre Miete oder Hypothekenrate aufzubringen. Dieser Anteil ist in Deutschland innerhalb eines Jahres um vier Prozentpunkte auf 18 % gestiegen. Auch der europäische Durchschnitt lag im Vorjahr mit 20 % noch niedriger. Der Anstieg betrifft vor allem Mieter, die ohnehin schon höhere Werte aufweisen. Mit der zunehmend schwieriger empfundenen Bestreitung der Wohnkosten und der Erwartung steigender Preise (63 % in Deutschland, 65 % europaweit) steigt auch die Unzufriedenheit mit der Wohnungspolitik. Einzig in Österreich und Australien ist die Kritik an der Wohnungspolitik gegenüber der Vorjahresumfrage nicht gestiegen.
Deutschland wird wohl weiter Mieterland bleiben
In Deutschland verfügt nur etwa jeder Zweite über Wohneigentum, deutlich weniger als in vielen anderen Ländern. Die niedrige Wohneigentumsquote dürfte sich in nächster Zeit auch nur wenig ändern. So weist die Bundesrepublik in der ING-Umfrage sowohl den höchsten Anteil an Befragten auf, die überhaupt kein Wohneigentum erwerben wollen und auch den höchsten Anteil derjenigen, die glauben, sich kein Wohneigentum leisten zu können. Die gestiegenen Immobilienpreise werden bei letzterem aber nicht als Hauptursache gesehen: Die Mehrheit derjenigen, die glaubt, sich kein Wohneigentum leisten zu können, begründet dies mit einem zu geringen Einkommen. Diese Meinung teilen die deutschen Befragten mit den Befragten in fast allen anderen europäischen Ländern. Die einzige Ausnahme bildet hierbei Luxemburg, wo sowohl die Preise als auch die Einkommen sehr hoch sind.
Offenbar gibt es in Deutschland auch einen deutlichen Unterschied zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung: So glauben hier die meisten Menschen, dass sie selbst nicht an die Erfüllung ihres Traums von Eigenheim glauben. Gleichzeitig sagen vergleichsweise wenige, dass es Erstkäufer auf dem Immobilienmarkt zunehmend schwer haben.
Für viele Deutsche ist das fehlende Wohneigentum, ob freiwillig oder unfreiwillig, kein großes Problem. So sehen hierzulande, anders als in vielen anderen Ländern, die Menschen das Wohnen zur Miete nicht als schlechte Notlösung an. Das könnte sicher auch damit zusammenhängen, dass Deutschland als sehr mieterfreundliches Land gilt. Hingegen wird der Erwerb von Wohneigentum auch mit Aufwand und Einschränkungen verbunden. So gaben 21 % der deutschen Befragten ohne Wohneigentum an, nicht die Absicht zu haben, daran etwas zu ändern.
Wohnungsmarkt unterliegt nur bedingt den Marktgesetzen
Bei aller Diskussion um steigende Mieten, die zur Einführung der höchst fraglichen Mietpreisbremse geführt hat, wird gerne vergessen, dass dies vor allem ein Problem der Großstädte ist, da hier eine steigende Nachfrage auf ein Angebot trifft, das nicht in gleichem Maße mithalten will. Auch wird Investoren oft eine Mitschuld an den hohen Preisen gegeben, die Wohnungen nicht erwerben, um dort einzuziehen, sondern als Geldanlage – beispielsweise zur Vermietung über Plattformen wie AirBnB – und die Wohnungen so dem örtlichen Markt entziehen.
Auf dem Land und in kleineren Städten sind die Mieten hingegen deutlich günstiger. So gaben drei Viertel der Mieter oder Eigentümer aus ländlichen Gegenden und Kleinstädten an, entweder gar nicht in der Großstadt leben zu wollen oder zumindest nicht bereit wären, dafür mehr zu zahlen. Nur 15 % wären bereit, mehr als 30 % mehr das Wohnen als aktuell zu bezahlen. Angesichts der Diskussion um hohe Immobilienpreise müssten nach der klassischen Lehre die Bewohner aus den teuren Großstädten günstigere Region ziehen und somit den Preis wieder ins Gleichgewicht bringen. Allerdings ist der Preis immer nur ein Teil, der auf dem Wohnungsmarkt eine Rolle spielt. Auch spielt hier u.a. eine Rolle, welche berufliche Möglichkeiten und welche Freizeitangebote jeweils geboten werden. Deshalb unterliegt der Wohnungsmarkt nicht der klassischen Lehre: So würde jeder vierte Großstädter auf keinen Fall in eine Kleinstadt oder eine ländliche Gegend ziehen. Über die Hälfte der Großstädter kann sich einen solchen Umzug nur dann vorstellen, wenn die erzielbare Wohnkostenersparnis mehr als ein Viertel beträgt.
Die einzige Möglichkeit, den steigenden Immobilienpreisen in den Großstädten zu begegnen, ist eine Erhöhung des Angebots. Ein möglicher Impuls hierfür ist die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neugestaltung der Grundsteuer. (ahu)