Da geht noch was

07.04.2015

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So richtig fassen lässt sich die Zielgruppe 50plus für das Gros der Versicherer noch nicht. Sie verschenken durch ungenaue oder schlimmstenfalls völlig fehlende Ansprache eine Menge Vertriebspotenzial und Geschäft.

Eines ihrer Probleme ist die fehlende Homogenität dieser Bevölkerungsgruppe. Vermittler müssen diesem Umstand Rechnung tragen und deutlich intensivere Beratungsgespräche führen.

Manchmal erweckt das Marketing etwa bei Versicherungsunternehmen den Eindruck einer gewissen Orientierungslosigkeit. Wurde noch vor Jahren die Zielgruppe ab 65 Jahren als besonders empfänglich für neue Spezialangebote ausgemacht, so hat sich diese über die Jahre ohne erkennbaren Anlass stark verjüngt. Plötzlich spricht alle Welt von der Altersgruppe 50plus. Immerhin hat man sich jetzt offensichtlich auf eine Klientel geeinigt, die alle Voraussetzungen für den Geschäftserfolg des Vertriebs mitbringt: Wertsachen, verfügt bestenfalls über ein kleines Geldvermögen, hat noch deutlichen Absicherungsbedarf und ist agiler denn je eine Generation vor ihr. Neben jungen Familien macht die Generation 50plus das am ehesten kaufbereite und wohl auch abschlussfreudigste Kundensegment aus.

Die Generation 50plus weiß zumeist sehr genau,

wofür sie ihr Geld ausgeben will.

Eine Herausforderung für Versicherer und Vertrieb. Dies hat schon vor Jahren eine Studie von psychonomics gezeigt. Danach bilden die 50- bis 69-jährigen Bundesbürger eben keine homogene Gruppe. Eine Herausforderung für die Versicherer, die Unterschiede in passende Produkte umzusetzen. Und die Vermittler sollten sich sehr wohl vor ihren Beratungsgesprächen bewusst machen, wer da gerade vor ihnen sitzt. Unterschiede bestehen laut Studie beispielsweise zwischen Menschen mit Kindern und ohne Kinder. Die erste Gruppe zeigt sich deutlich sicherheitsorientierter, die zweite tendiert besonders zu Online-Angeboten. Offenbar benötigen sie auch bei Vertragsabschlüssen weniger Nähe. Über die Hälfte der Altersgruppe 50plus empfindet ihre finanzielle Situation als gut bis ausgezeichnet. Etwa 46 % der wischen 60- und 69-Jährigen hält sich für vollkommen abgesichert. Das erleichtert dem Vertrieb die Zielgruppenansprache nicht gerade. Dennoch lohnt sich die Mühe. Denn die Generation 50plus informiert sich laufend über Finanzprodukte und fungiert überproportional als Tippgeber für Freunde und Verwandte. Zudem ist sie an Versicherungsprodukten für Kinder oder Enkelkinder interessiert. Alle späteren Studien haben diese Ergebnisse bestätigt.

Vorrangig in die Gesundheit investieren.

Im vergangenen Herbst hat der Kreditanbieter easy credit eine Erhebung veröffentlicht, die sich mit der Geldausgabe der Generation 50plus beschäftigt. Erfasst wurden 1.000 Personen im Alter zwischen 50 und 79 Jahren. Danach wollen 53 % der Befragten als erstes vorrangig in ihre Gesundheit investieren. Und mehr noch: Für 80 % von ihnen ist die Gesundheit der zentrale Aspekt überhaupt. Sogar wichtiger als eine harmonische Partnerschaft (62 %) oder mehr Zeit mit der Familie (56 %). Entsprechend geben diese Menschen auch das meiste Geld für ihr körperliches Wohlergehen aus. Assistance-Leistungen in den Bereichen Gesundheit und Unfall oder Investitionen – überwiegend gegen Einmalbeitrag – in eine Pflegeversicherung könnten für den Vertrieb ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für ein Beratungsgespräch sein. Allerdings steht dem entgegen, dass viele Versicherer zwar das Thema Pflegeversicherung forcieren, allerdings oft nur gegen laufenden Beitrag. Dies hat eine Recherche der finanzwelt ergeben. Zudem nutzen laut dem „Assistance Barometer 2015“ der Europ Assistance Deutschland nur 33 % der Vermittler das Thema Assistance-Leistungen für die Gewinnung neuer Kunden. Immerhin: Das sind sechs Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Und 53 % der gut 300 befragten Versicherungsvermittler sehen in diesem Thema ein Signal für die Zukunft.

Laut easy credit wollen nur 38 % in der Zielgruppe 50plus in ihre finanzielle Sicherheit investieren und Vorsorge für ihre Zukunft betreiben. Allerdings muss mit dieser Aussage überaus vorsichtig umgegangen werden. Die meisten der Befragten dürften bereits in größerem Umfang vorgesorgt haben. Bei ihnen steht deshalb eher eine vernünftige Planung hinsichtlich des vorhandenen oder zu erwartenden Geldes im Vordergrund.

Hat sich das Marketing der Versicherungswirtschaft auf die

Zielgruppe 50plus wirklich schon ausreichend eingestellt?

Harsche Kritik kommt von Uwe-Matthias Müller, dem Leiter der Bundes-Geschäftsstelle des Bundesverbandes Initiative 50Plus: „Nein, wirklich nicht! Vielfach erschöpft sich die ‚Innovation‘ der Versicherungswirtschaft nur in 50Plus-Produkten. Viel zu wenig wird in Zielgruppen gedacht und der Vertrieb und das Marketing auf die entsprechenden Zugangswege vorbereitet. Der Vertrieb weiß einfach nicht mit den Bedürfnissen einer älter werdenden Klientel umzugehen. Und: Die Versicherungswirtschaft reagiert auch nicht auf die Überalterung der eigenen Mitarbeiter – im Vertrieb und in der Verwaltung.“ Das sehen allerdings nicht alle so. Dr. Rainer Reitzler etwa, Vorstandsvorsitzender der Münchener Verein Versicherungsgruppe, widerspricht energisch: „Die Generation 50plus ist seit vielen Jahren eine unserer strategischen Kernzielgruppen. Deren spezielle Bedürfnisse begegnen wir mit einem abgestimmten Produktangebot an Pflege- und Vorsorgelösungen wie dem flexiblen Bausteinprodukt ‚Deutsche PrivatPflege‘ sowie mit dem kontinuierlichen Ausbau an besonderen Serviceleistungen. Zusammen mit unserem stetig wachsenden und branchenübergreifenden Netzwerk aus Kooperationspartnern bieten wir der Zielgruppe 50plus im Rahmen der ‚Deutschen PflegeKarte‘ und der ‚VIP Card 50 Plus‘ zusätzlich kostenlose Assistance-Leistungen an, wie z. B.: die 24-Stunden-Pflegeplatzgarantie, eine kostenfreie Hörberatung, Gutscheine für anwaltliche Beratungen bei Patientenverfügungen bis hin zu attraktiven Konditionen bei verschiedenen Kurorten und spezialisierten Reise- und Sprachanbietern und vieles mehr.“ (hwt)

Generation 50plus | Printausgabe 02/2015