Chinesische Automobilhersteller überholen rechts
09.05.2023
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Deutsche Automobilhersteller haben in den letzten Jahren deutlich Marktanteile im weltweit größten Automobilmarkt in China verloren und Ende 2022 ihre Marktführerschaft eingebüßt – vor allem, weil sie bei der Elektromobilität von einheimischen Herstellern rechts überholt wurden. Bei neu zugelassenen Elektrofahrzeugen liegt der Anteil chinesischer Hersteller bei 80 %. Das hat neben China nun auch Folgen für den europäischen Markt, auf dem chinesische Hersteller schon in den Startlöchern stehen. Doch wo geht es in Zukunft hin und welche finanziellen Auswirkungen haben die schrumpfenden Marktanteile für die europäischen Hersteller?
Dieser Frage geht die aktuelle Studie des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade nach und kommt zu folgendem Schluss:
„Die Elektrofahrzeuge chinesischer Hersteller erfreuen sich in China immer größerer Beliebtheit“, erklärt Aurélien Duthoit, Branchenexperte bei Allianz Trade. „Sie werden bis 2030 ihre Marktanteile weiter kräftig ausbauen, zu Lasten von europäischen Autobauern und deren lokalen Tochtergesellschaften und Joint Ventures. Das sind trübe Aussichten für die europäischen und insbesondere deutschen Autobauer, die 2022 Fahrzeuge im Wert von 24 Mrd. EUR nach China exportiert haben.“
Chinesische Autobauer in den Startlöchern in Europa
Schon heute machen die lokalen
Tochtergesellschaften und Joint Ventures rund 85 % des Absatzvolumens der
europäischen Hersteller auf dem chinesischen Markt aus.
Aber auch sie
hatten beim Umstieg auf Elektromobilität den Fuß auf der Bremse: Von den 20
meistverkauften Elektrofahrzeugen in China im Jahr 2022 wird nur eines von
einem chinesisch-europäischen Joint Venture hergestellt.
„Auch in Europa dürften in China gefertigte
Fahrzeuge im Zuge der europäischen Energiewende zunehmend in Fahrt kommen“,
so Duthoit. „Bis 2035 werden batterie-betriebene Elektrofahrzeuge praktisch
alle Neuwagenverkäufe in Europa ausmachen.
Das wird eine teilweise Substitution
von in Europa hergestellten Fahrzeugen durch in China hergestellte Fahrzeuge
begünstigen – unabhängig davon, ob diese Fahrzeuge von einem chinesischen,
amerikanischen oder europäischen Unternehmen hergestellt werden. Chinesische
Hersteller stehen in Europa aber bereits in den Startlöchern. Noch ist der
Marktanteil klein, aber er dürfte – analog zu koreanischen und japanischen
Herstellern in der Vergangenheit – schnell wachsen.“
Was wäre wenn… chinesische Hersteller 2030 75 % Marktanteil in China hätten?
Um mögliche finanzielle Auswirkungen für die europäischen Autobauer abzuschätzen, hat Allianz Trade in ihrer Studie ein denkbares Szenario analysiert, was passieren könnte, wenn chinesische Marken bis 2030 rund 75 % des heimischen Marktes und in China hergestellte Autos gleichzeitig rund 10 % des europäischen Markts eroberten.
„Die europäischen Automobilhersteller könnten
bis 2030 mehr als 7 Mrd. EUR an jährlichen Nettogewinnen verlieren allein durch
den Verlust an Marktanteilen“, so Duthoit.
„Die deutschen Autobauer wären
aufgrund ihrer Marktposition davon besonders betroffen.“
Wenn chinesische Hersteller ihren Marktanteil in China bis 2030 von aktuell rund 50 % auf 75 % erhöhen würden, würde der Gesamtabsatz der europäischen Automobilhersteller in China um -39 % sinken, wobei die lokale Produktion von schätzungsweise 4,4 Mio. Fahrzeugen auf 2,7 Mio. im Jahr 2030 zurückgehen würde.
24 Mrd. EUR an Wertschöpfung in Gefahr
„Hinzu kämen die Verluste, die sich aus zunehmenden Importen von Autos chinesischer Herkunft sowie einer stärkeren Marktdurchdringung dieser Fahrzeuge ergeben“, meint Duthoit.
Wenn die europäischen Importe von in China hergestellten Autos im Jahr 2030 1,5 Mio. Fahrzeuge erreichen – das entspricht einem geschätzten Marktanteil von 10 % im Jahr 2030 und 13,5 % der EU-Produktion im Jahr 2022 – würden sich die Auswirkungen auf die Wertschöpfung der europäischen Wirtschaft im Jahr 2030 auf 24,2 Mrd. EUR für den Automobilsektor belaufen, was 0,15 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) der Region im Jahr 2022 entspricht.
Die von der Automobilindustrie abhängigen Volkswirtschaften Deutschlands (0,36 % des BIP in Gefahr, der Slowakei (0,4 % des BIP) und der Tschechischen Republik (0,41 % des BIP) könnten jedoch noch stärker betroffen sein.
Warum ist Europa und Deutschland stärker gefährdet?
Der europäische Automobilmarkt hat insgesamt einen wesentlich höheren Wettbewerbsdruck durch die chinesischen Konkurrenten als beispielsweise der zweitgrößte Automobilmarkt in den USA. Grund hierfür ist, dass der europäische Markt für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge im Vergleich viel offener ist als der chinesische und der US-amerikanische. Dort sind die nationale oder regionale Montage eine Voraussetzung für den Erhalt von Kaufsubventionen und die Einfuhrzölle auf ausländische Fahrzeuge wesentlich höher.
„Eine Anpassung der Wettbewerbsbedingungen an sowohl China als auch die USA wäre ein wichtiger Weg, um die Auswirkungen auf die Automobilbranche und damit auch die Wirtschaft abzumildern“, so Duthoit. „Aber auch die Stärkung der lokalen Produktion durch chinesische Hersteller könnte zu positiven Effekten führen. Wir haben das in der Vergangenheit umgekehrt in China gesehen: Wenn man sie nicht schlagen kann, ist es vielleicht eine Option, sich zusammenzutun."
Darüber hinaus könnten Investitionen in neue Batterietechniken, eine Reduzierung bei der Abhängigkeit von Rohstoffen und importierten Komponenten für elektrische Antriebe sowie der Ausbau der Ladeinfrastruktur mögliche Stellschrauben sein, um die Negativeffekte zu kompensieren.
„Der Ausbau der Ladeinfrastruktur spielt vor allem bei den Fahrzeugkosten eine Rolle“, sagt Duthoit. „Kleinere Batterien sind leichter und kostengünstiger – nur, wenn keine Ladesäulen da sind, wenn die Batterie leer ist, bleiben diese Modelle auf der Strecke und die Preis-differenz zu chinesischen Herstellern groß.“
Die vollständige Studie (ENG) finden Sie hier. (ml)