Chinas Kapitalreservoir – Die Schleusen werden geöffnet
09.07.2015
• Chinesisches Vermögen wird sich aus Diversifikationsgründen noch stärker ins Ausland verlagern • Aktuelle Situation zeigt Parallelen zu Chinas WTO-Beitritt im Jahr 2001 • Jüngste Akquisitionen seitens chinesischer Investoren dürften eher Auftakt als Endpunkt sein • Chinas immenses Kapitalreservoir dürfte Europas Sachwerte unterstützen
Zwar befinden sich Chinas Börsen seit geraumer Zeit im rapiden Sinkflug. Allerdings lenkt diese Situation ab von viel entscheidenderen Faktoren. Denn: Kaum eine Entwicklung an den internationalen Kapitalmärkten wird im kommenden Jahrzehnt solch eine bereits heute absehbare Relevanz besitzen wie die Pläne der chinesischen Regierung, die noch herrschenden Kapitalverkehrskontrollen in gehörigem Maße zu lockern. In der Folge ist ein ähnlich umfassender Impuls zu erwarten wie im Jahr 2001, als China der Welthandelsorganisation (WTO) beitrat. Damals fiel der Startschuss für die damalige ‚Werkbank’ der Welt, zur volumenmäßig zweitgrößten Volkswirtschaft hinter den USA aufzusteigen.
Der chinesische Führungskader verfolgt das Ziel, die Relevanz der inländischen Investitionen für die lokale Wirtschaft zu reduzieren. Hier liegt immer noch eine besonders hohe Gefahr von Preisblasen, da sich viel Investitionsnachfrage auf ein zu geringes Investitionsangebot verteilt. Das wiederum erschwert dem Zentralkomitee die Lenkung der chinesischen Wirtschaft und das Erreichen des im 12. Fünfjahresplan festgeschriebenen obersten Ziels – nämlich das Wirtschaftswachstum stabiler und nachhaltiger zu gestalten.
Chinesisches Vermögen wird sich ins Ausland verlagern
Diese angedachte und forcierte Liberalisierung des Kapitalverkehrs hat zur Folge, dass die auf Sparkonten angelegten Vermögen der Bevölkerung, welche sich aktuell auf circa 21 Billionen US-Dollar belaufen, künftig vermehrt ins Ausland verlagert werden. Zum Vergleich: Das chinesische Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahr 2014 ‚nur’ 9,2 Billionen Dollar. Die bereits initiierte Erleichterung des Kapitalverkehrs wird dazu beitragen, dass eine Verlagerung des Vermögens für die Chinesen zunehmend einfacher und unkomplizierter wird.
Dadurch wird China von einem Kapitalimporteur zu einem Kapitalexporteur im ganz großen Stil. Nach und nach werden die aus China abfließenden Gelder eine historische Dimension erreichen, da das Land von der Notwendigkeit getrieben wird, das bestehende Vermögen arbeiten zu lassen und die Gelder international zu diversifizieren. Die kürzlich erfolgten Beteiligungen im europäischen Banken-, Versicherungs-, Tourismus- und Modesektor zeugen davon. Man darf getrost davon ausgehen: Die Einstiege bei BHF-Bank, Hauck & Aufhäuser oder KTG Agrar etc. waren nicht die letzten Ziele der strategisch und langfristig denkenden chinesischen Investoren. Vielleicht waren diese Fälle sogar eher der Auftakt zu einer größeren Investitionsoffensive.
Aktuelle Situation zeigt Parallelen zu Chinas WTO-Beitritt
Die aktuelle Situation ähnelt in gewisser Weise dem Jahr 2001, als China der WTO beitrat. Damals wurden im Vorfeld viele Hürden beseitigt und allerlei Restriktionen gelockert. Bemerkenswert in diesem Kontext ist, dass China im Vorfeld der alle fünf Jahre fälligen Überprüfung des IWF-Reservewährungskorbs in diesem Jahr nachdrücklich darauf pocht, dass der Yuan in den selbigen aufgenommen wird. Dies wiederum beschleunigt die chinesischen Reformbemühungen der Kapitalverkehrsliberalisierung zusätzlich.
Die ersten Anzeichen dieser Entwicklung sind bereits erkennbar: In den USA haben Chinesen die Kanadier als größte ausländische Käufergruppe von US-amerikanischen Eigenheimen abgelöst – sowohl bei Betrachtung der Menge, als auch bei der Summierung der Transaktionswerte. 25 % aller ausländischen Käufer stammen mittlerweile aus China.
Auch der chinesische Bankensektor treibt diese Entwicklung an. Erst vor kurzem hat die fünftgrößte Bank Chinas, die Bank of Communications Co., die erste Auslandsakquisition eines chinesischen Instituts überhaupt getätigt, indem sie die brasilianische Banco BBM S.A. erworben hat. Gleichzeitig kündigte die China Construction Bank Corp. an, in Kürze auch Filialen in Europa, Afrika und Südostasien zu eröffnen.
Chinas Kapitalreservoir dürfte Europas Sachwerte unterstützen
Diese globalen Expansionen und die dadurch geschaffene Infrastruktur für den Kapitalverkehr werden die Kapitalflüsse ins Ausland nochmals beschleunigen. Sobald der Kapitalexport Chinas an Fahrt aufnimmt, werden immense Summen an die internationalen Kapitalmärkte getragen – schließlich könnten neben institutionellen Investoren auch theoretisch 1,3 Milliarden Privatanleger international diversifizieren. Dies bedeutet eine große Nachfragestütze für viele Börsen und damit auch für hiesige Investoren. Alles in allem bedeutet dies in den kommenden Jahren ein solides Umfeld für Sachwertinvestitionen wie zum Beispiel Aktien.
Autor: Walter Sommer, Geschäftsführender Gesellschafter bei GS&P Grossbötzl, Schmitz & Partner