Bei der EZB sind Zinssenkungen zurück auf dem Tisch
26.10.2015
Nach der Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) letzte Woche, deutete deren Präsident Mario Darghi an, dass die EZB im Dezember ihr Anleihenankaufprogramm ausdehnen könnte.
Draghi erklärte vor der versammelten Presse, dass die EZB an der nächsten Sitzung am 3. Dezember das heute bestehende Programm überprüfen möchte. Gleichzeitig wies er auf Abwärtsrisiken für die Euro-Wirtschaft hin. Zusammen bilden diese zwei Aussagen ein ideales Sprungbrett für eine weitere geldpolitische Ausweitung im Dezember. Währenddessen präsentiert sich die Situation in der Eurozone aber keineswegs besorgniserregend. Die Einkaufsmanagerindizes für den Oktober zeigten optimistische Unternehmen und das Wachstum im dritten Quartal dürfte sich als robust erweisen. Die wirtschaftliche Situation heute scheint befriedigend, aber wahrscheinlich nicht stark genug um die Inflationsrate mittelfristig wieder auf das EZB-Ziel von knapp 2 % zu heben. Deshalb erwarten wir eine Verlängerung des Anleihenankaufprogramm der EZB über den heute bekannten Zeitrahmen hinaus. Die Eurozone braucht nicht einen noch stärkeren monetären Stimulus, aber wahrscheinlich den bestehenden Stimulus ein wenig länger.
Mario Draghi erwähnte an der Sitzung letzte Wochen auch, dass sich der EZB-Rat über eine weitere Reduktion der Zinsen auf der Einlagefazilität (die heute bei -0,2 % liegt) unterhalten habe. Lange Zeit wollte die EZB von einem solchen Schritt nichts wissen, weil sie befürchtete, dass eine weitere Zinssenkung den Geldmarkt ins Trudeln bringen könnte. Die positiven Erfahrungen anderer Zentralbanken mit deutlich negativen Zinsen (Dänemark, Schweden und die Schweiz) haben nun anscheinend zu einem Umdenken innerhalb der europäischen Zentralbank geführt. Eine weitere Zinssenkung hätte sicherlich einen Einfluss auf den Wechselkurs, sind doch die Zinsdifferenzen zwischen den einzelnen Wirtschaftsräumen die wichtigsten Treiber für die Währungen. Draghi könnte sich zu einem solchen Zinsschritt gezwungen sehen, falls der Aussenwert des Euro in den nächsten Wochen zulegt, insbesondere gegenüber dem US-Dollar. Aber in diesem Fall ist das Schicksal des Euro nicht nur an die EZB, sondern auch an die US-Notenbank Fed geknüpft. Steigt die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung in den USA, schwächt das den Euro – sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Zinsschrittes der US-Notenbank, steigt die europäische Einheitswährung. In den letzten Wochen hat sich der Euro jedoch von einem Niveau bei fast 1,15 auf knapp 1,10 Euro pro Dollar abgeschwächt. Bleibt der Euro auf diesem Niveau oder setzt sich der Abwärtstrend weiter fort, dürfte die EZB ihr Anleihenankaufprogramm ausdehnen, aber auf eine Zinssenkung verzichten.
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Autor: Alessandro Bee, Ökonom, Bank J. Safra Sarasin AG
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