„Auf dem Boden bleiben“
20.11.2013
**Viele Analysten sehen den DAX bald bei 10.000 Punkten. Die Mehrheit der Anleger profitiert allerdings kaum von der aktuellen Rallye, da sie nicht in Aktien investiert ist. *Guido vom Schemm, Geschäftsführer MERITO Asset Management GmbH, rät dazu, bei der Aktienauswahl selektiv vorzugehen. Den US-Markt hält der Vermögensverwalter derzeit für überbewertet. Zudem erklärt er, worin die besonderen Herausforderungen unabhängiger Vermögensverwalter aktuell bestehen.*
finanzwelt:** Unabhängige Vermögensverwaltungen sind verstärkt für Berater attraktiv. Was macht den Reiz der Unabhängigkeit aus?
vom Schemm: Als klaren Vorteil der Unabhängigkeit gilt, ohne die zum Teil einengenden Vorgaben eines übergeordneten Instituts arbeiten zu können. Der unabhängige Vermögensverwalter kann sich folglich voll und ganz auf die Umsetzung der Kundenstrategie konzentrieren. Wir können auf eine Vielfalt von Investmentlösungen zurückgreifen, die es uns ermöglicht, dass die Anlageentscheidung ausschließlich im Sinne des Mandanten getroffen wird. Unabhängigkeit ist eine notwendige Voraussetzung für einen Interessensgleichklang. Künftig gilt es, noch stärker die qualitative Abgrenzung zu unabhängigen Finanzvertrieben aufzuzeigen und den Wert der unabhängigen Vermögensverwaltung zu unterstreichen.
finanzwelt: Am Jahresende schaut man zurück und blickt zugleich in die nahe Zukunft. Wie sieht Ihre Erwartungshaltung für nächstes Jahr aus? Sind Aktien im Niedrigzinsumfeld alternativlos?
vom Schemm: Der DAX hat im laufenden Jahr gleich zwei Tausendermarken übersprungen und bis dato schon um mehr als 20 % zugelegt. Im Zuge der überraschenden Zinssenkung der Europäischen Zentralbank schnellte der Auswahlindex zwischenzeitlich sogar fast bis auf 9.200 Punkte nach oben. Im nächsten Jahr erwarten wir keine vergleichbaren Kurssprünge, bleiben jedoch optimistisch, was einzelne Branchen betrifft. Der US-Markt ist in den vergangenen Monaten sehr gut gelaufen, daher sehen wir dort weniger attraktive Einstiegsmöglichkeiten.
finanzwelt: Welche Sektoren erscheinen Ihnen aus Bewertungsgründen derzeit lukrativ?
vom Schemm: Wir sind insbesondere positiv gestimmt für Titel der Branchen Versicherungen, Pharma und Energie. Dabei gilt, eingehender in die fundamentalen Daten einzelner Branchen und Unternehmen einzusteigen und diese auf ihre Renditeperspektiven abzuklopfen. Viele Pharmakonzerne überzeugen beispielsweise mit soliden Dividendenperspektiven. Das Vertrauen der Bundesbürger zu Banken und Versicherern hat zwar stark gelitten, gleichfalls sind wir für Letztere eher bullish gestimmt. Versicherungsgesellschaften reagieren entschieden auf das anhaltende Niedrigzinsumfeld und schichten ihre Anlagen um. Viele Titel sind fair bis günstig bewertet, das honorieren wir. Bankaktien sind und bleiben ein „Tabuthema" bei unserem Investmentprozess.
finanzwelt: Und noch ein Thema bewegte Investoren und Emittenten dieses Jahr außerordentlich: Schwellenländer in der Krise. Währungsverluste und sinkende Aktienkurse sorgten für ein böses Erwachen. Sind Emerging Markets nun wieder reizvoll?
vom Schemm: Die Leistungsbilanz (Handelsbilanz) der Schwellenländer spielt eine entscheidende Bedeutung für die lokale als auch globale Wirtschaft. Besonders betroffen sind Indien, die Rohstoffländer Russland, Brasilien oder die Türkei. Der Sammelbegriff „BRIC" ist jedenfalls eher „out" und ein selektives Vorgehen „in". Südkorea, Thailand und Malaysia stehen jetzt beispielhaft auf der Favoritenliste. Auch für China bleiben wir angesichts der jüngst veröffentlichten Zahlen optimistisch.
Guido vom Schemm ist seit 2011 Geschäftsführer der Vermögensverwaltungsboutique MERITO Asset Management GmbH. Zuvor war er unter anderem einige Jahre als Aktienanalyst bei der Cominvest GmbH/Cominvest Asia und als Vorstandsassistent bei der Commerzbank AG tätig.
(Das Interview führte Alexander Heftrich)