Anpassung ist nötig
24.02.2021
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Wegen des Klimawandels ist damit zu rechnen, dass die Zahl der Extremwettereignisse zunehmen wird. Das stellt die Immobilienbranche vor neue Herausforderungen – auch bei der Finanzierung.
Das beschauliche Simbach am Inn erlangte am 1. Juni 2016 deutschlandweite Bekanntheit: Nachdem innerhalb weniger Stunden mit 160 Litern pro Quadratmeter ein Mehrfaches des durchschnittlichen monatlichen Niederschlages fiel, stieg der Pegel des Simbach innerhalb kürzester Zeit von 0,5 auf 5 Meter, richtete Sachschäden in Höhe von ca. 50 Mio. Euro an und kostete fünf Menschen das Leben. Die Katastrophe ist eines von vielen Beispielen für verheerende Starkregenereignisse, die vor allem im Sommer auftreten. Da warme Luft mehr Wasser aufnehmen kann, ist mit fortschreitendem Klimawandel eine weitere Häufung solcher Ereignisse sehr wahrscheinlich.
Preistreiber Klimawandel
Starkregen & Co. stellen auch die Projektentwickler vor neue Herausforderungen: „Wir planen und erstellen bei PROJECT Immobilien die notwendigen Mittel, um unsere Gebäude langfristig für Extremverhältnisse zu rüsten. Gerade für die Entwässerung von Niederschlag sind bei jedem Neubau Nachweise notwendig. Hierzu werden die Daten des Deutschen Wetterdienstes als Grundlage herangezogen. Maßgebend für den Nachweis sind die Berechnungen zu den anfallenden Regenwassermengen und zu den Jahrhundertregen. Die Entwässerung wird dementsprechend geplant und ausgeführt“, erläutert Michael Weniger. Laut dem Vorstandsvorsitzenden der PROJECT Real Estate AG wird der Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels auch zu einem deutlichen Faktor beim Immobilienpreis. „Diese Maßnahmen sind teilweise sehr aufwendig und verursachen Kosten im sechsstelligen Bereich, aber sie sind notwendig.“ Damit dürfte auch das Thema Lage immer mehr an Bedeutung gewinnen. So geht aus der von der IRE|BS erstellten Studie „Naturgefahren und Immobilienwerte in Deutschland“ hervor, dass aufgrund des Klimawandels und dessen potenzielle Gefahren durch Extremwetterlagen der Standort immer wichtiger werde. So gewinne die Analyse der Vulnerabilität sowie der Adaptionsfähigkeit von baulichen Ausführungen an Bedeutung und in der Machbarkeitsanalyse werde eine detaillierte Einschätzung der Klimarisiken nötig. Durch die Herausforderung Klimawandel könnte es sogar zu einer Veränderung der Lagenqualität kommen. So prognostiziert die von der LBBW durchgeführte Studie „Wie könnte der Immobiliensektor durch den Klimawandel betroffen sein“? die Tendenz zu einer sogenannten „Klima-Gentrifizierung“ in zahlreichen Regionen. Das bedeutet, dass Grundstücke in Regionen, die weniger von Wetterextremen betroffen sind, relativ im Wert steigen könnten, während die Preise in stärker betroffenen Regionen fallen dürften. Durch diese veränderten Rahmenbedingungen könnte es zu einem Strukturwandel kommen, der für eine Veränderung von Mieten und Preisen sorgt.
(Noch) geringer Einfluss auf Finanzierung
Die wichtigste Voraussetzung für die Errichtung einer Immobilie ist das Vorhandensein des nötigen Kapitals. Obwohl die EZB zwar dazu rät, dabei auch Klimarisiken zu berücksichtigen, spielen diese bei vielen Banken nach wie vor keine Rolle. Das zeigt eine Sonderumfrage von Bundesbank und BaFin, in der zwei Drittel aller befragten Institute angaben, Klimarisiken nicht in die Risikobewertung integriert zu haben, lediglich 22 % planen, ihr Risikomanagement um solche Risiken zu erweitern. „Bei der ING Deutschland sind die Refinanzierungskosten, die Zinsbindungszeiträume, die Höhe des Eigenkapitals und die Höhe der Finanzierungssumme die konditionsbildenden Hauptfaktoren. Hier wirken sich die Klimarisiken nicht direkt aus“, erläutert Thomas Hein, Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung bei der ING Deutschland. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Immobilienfinanzierung vom Klimawandel völlig losgelöst ist. „Anders sieht das bei der Objektbewertung aus, bei der die Klimafaktoren in bestimmten Konstellationen berücksichtigt und im Objektwert dokumentiert werden. Da der Wert eines Objekts in Verbindung mit dem Eigenkapitaleinsatz zur Konditionsfindung beiträgt, hat das Klima also am Ende doch einen – wenn auch eher sekundären – Einfluss auf die Konditionen“, so Hein weiter, der es zudem für wahrscheinlich hält, dass bei der Konditionsvergabe künftig Nachhaltigkeitskriterien und damit auch klimafreundliche Energien an Bedeutung gewinne. Das würde sich auch bereits am Markt zeigen. (ahu)