Anleihen – Wieder attraktiv
22.01.2024
Große Teile des Anleihe-Universums wurden seit Anfang 2022 komplett verschoben. Grund dafür waren die Bemühungen der Notenbanken, den höchsten Preisauftrieb seit mehreren Jahrzehnten durch Zinserhöhungen und die Rücknahme des „Quantitative Easing“ einzudämmen.
Dabei erhöhte die Fed ihren Leitzins von 0,25 % auf 5,50 %. Eine solche Straffung ging in den USA in der Vergangenheit oft mit einer Rezession einher. Ob es auch diesmal so kommt, ist umstritten. Dennoch scheint es interessant, die Entwicklung von Anleihen in früheren Abschwüngen genauer zu betrachten. Häufig lagen Anleihen dann vorn und verringerten so die Portfoliovolatilität. Durch die jüngsten Zinserhöhungen wurden Geldmarktanlagen erstmals seit vielen Jahren wieder interessant. Meist fallen Anleihen in Zinserhöhungsphasen hinter den Geldmarkt zurück. Die Vergangenheit zeigt aber auch, dass nach der letzten Zinserhöhung, wenn das Leitzinsmaximum erreicht ist, Anleihen meist wieder interessant sind.
Inflationsentwicklung bleibt relevant
Die Inflation kann in den nächsten Monaten langsamer sinken oder sogar leicht steigen, da die Basis-Effekte abnehmen und in Europa die vorübergehende Senkung diverser mit Energie und Transport verbundener Preise ausläuft. Daneben bleiben die Löhne hoch, was einen raschen weiteren Inflationsrückgang erschwert. Dann könnten die Zentralbanken das Tempo der quantitativen Verknappung etwas hochfahren. Die EZB wird ihre quantitative Verknappung Mitte 2024 leicht beschleunigen, aber von größerer Bedeutung ist es, dass die Bank of Japan weniger Staatsanleihen aufkaufen wird. Gleichzeitig bleiben die Haushaltsdefizite groß und können, wegen höherer Zinslasten, weiter steigen, womit das höhere Tempo der quantitativen Verknappung oder allein die Erwartung wieder die Frage aufwirft, wer die großen Haushaltsdefizite finanzieren soll.
Für die strategische Asset-Allokation ist es interessant, die Wertentwicklung von Anleihen mit der von anderen Assetklassen zu vergleichen. Jeder Anleger hat andere Ziele und eine andere Risikobereitschaft. Eine höhere Anleihequote kann zu Beginn einer Rezession das Portfoliorisiko meist senken. Sie profitieren von den anschließenden Zinssenkungen, die auch jetzt wieder erwartet werden und lassen den Geldmarkt dann meist hinter sich. Insbesondere für etwas konservativere Investoren ist das interessant. Da Festzinstitel weniger verloren und sich auch schneller wieder erholten, hat man mit Staatsanleihen auch in Rezessionen verdient.
2022 schien das aber nicht mehr uneingeschränkt zu gelten. Die Weltwirtschaft war mit einer Inflation konfrontiert, wie zuletzt in den 80er Jahren. Die Geldpolitik wurde daher sehr schnell massiv gestrafft. Oft sind die Korrelationen zwischen Staatsanleihen und Aktien viele Monate vor Rezessionsbeginn auf ein Maximum gestiegen, um dann bei ihrem Beginn und auch während der Rezession wieder zu fallen. Auch wenn Rezessionen unterschiedlich verlaufen, können Anleiheinvestitionen in Schwächephasen lohnen. Weil die Notenbanken auch weiterhin Zinsen erhöhen und wieder senken, gelten die bekannten Zusammenhänge weiterhin. Vor der Rezession steigen die Zinsen, um kurz vor Rezessionsbeginn und in den ersten vier bis fünf Monaten der Rezession zu fallen.
Staatsanleihen wieder interessant
2024 dürften die Staatsanleihekurse ihren Anstieg im Jahresdurchschnitt fortsetzen, weil das Wirtschaftswachstum wahrscheinlich unter dem Potenzialwachstum liegen wird. Dadurch der Abwärtsdruck auf die Inflation andauert. Anleger dürften dann auch einpreisen, dass die Geldpolitik der Zentralbanken zu restriktiv war und die Zinsen deshalb zusätzlich abgesenkt werden. Seit einiger Zeit sind so auch bei Bundesanleihen mit Laufzeiten von ein bis zwei Jahren drei bis 2,50 % Rendite möglich. Natürlich gibt es Fest- und Tagesgelder mit ähnlichen oder höheren Konditionen. Allerdings ist hier eine schnellere Anpassung nach unten möglich, wenn das Zinsniveau absinken sollte.
Anleger, die sich nun mit Unternehmensanleihen mittlerer Bonität eindecken, die von einer weiteren Abnahme der Zinsspreads profitieren, gehen höhere Risiken ein. Die Zinsspreads standen in der Vergangenheit regelmäßig unter den aktuellen Niveaus. Aus dieser Sicht wäre eine weitere Abnahme keine Überraschung. Besonders, wenn die Zentralbanken die Leitzinsen senken und es damit einfacher wird, Kredite zu akzeptablen Zinskonditionen zu refinanzieren. Wird „die Landung“ doch etwas härter, nähmen die Kreditausfälle stark zu und Kreditgeber würden sich mit Kreditvergaben an Unternehmen stärker zurückhalten, obwohl die Zentralbanken die Zinsen zurückführen.
Recherchen von Bloomberg ergaben, dass ab dem 2. Quartal 2025 die Anzahl der ablaufenden Unternehmensanleihen zunimmt, wodurch sich das entsprechende Volumen in den USA verdoppeln und im EU-Raum verdreifacht. Unternehmer versuchen oft ein Jahr vor Ablauf, „Anleihe-Kredite“ zu refinanzieren, um zu verhindern, dass sie den Kredit als kurzfristige Verschuldung klassifizieren müssen, was ihr Risikoprofil verschlechtern würde. Im Jahr 2024 werden vermutlich mehr Unternehmen refinanzieren wollen. Das werden sie gegebenenfalls nur zu höheren Zinssätzen tun können als vor drei bis fünf Jahren. Im ungünstigsten Fall können sich schwächelnde Firmen am Anleihemarkt gar nicht mehr refinanzieren.
Vorsicht bei Mittelstandsanleihen
In einem speziellen Segment der Unternehmensanleihen, den Mittelstandsanleihen, locken stets überdurchschnittlich hohe Zinskupons und anlegerfreundliche Mindeststückelungen von nominal 1.000 Euro. Hier sollte man die Kreditanalyse nicht vernachlässigen, weil es eben auch häufig Unternehmen mit schlechterer Bonität, und erhöhtem Fremdkapitalanteil sind, die ein deutlich höheres Ausfallrisiko beinhalten. In Stressszenarien fallen die Kurse dieser Papiere schnell im zweistelligen Bereich.
Durch das höhere Zinsniveau kann man sich nun auch wieder ordentliche Renditen für einige Jahre sichern, indem man Unternehmen- oder Staatsanleihen integriert, auch wenn es schwierig bleibt, eine positive Realverzinsung zu erhalten. Je nach gewählter Duration, besteht auch Kurssteigerungspotential, wenn das Zinsniveau absinkt. Allerdings ist die Auswahl an liquiden und attraktiven Anleihen gering, da gute Papiere häufig mit Mindeststückelungen im fünf- bis sechsstelligen Bereich emittiert werden. Dadurch haben es selbst gut situierte Privatanleger schwer eine notwendige Risikostreuung umzusetzen. Will man verschiedene Laufzeitbereiche abdecken, sollte deshalb auch ein Blick auf Laufzeitfonds geworfen werden. Der französische Anbieter ANAXIS Asset Management ist darauf spezialisiert, verfügt über ein sehr differenziertes Research und bietet unterschiedliche Zeiträume an. Auch die breiter aufgestellte ODDO-BHF Asset Management verfügt über eine Auswahl an Laufzeitfonds.
Kolumne von Andreas Görler, sen. Wealth Manager zert. Fachmann für nachhaltige Investments, -Wellinvest-Pruschke & Kalm GmbH, Berlin